Der Bregenzer Bürgermeister Michael Ritsch (SPÖ) zeigte sich erleichtert, dass die Ermittlungen gegen die Kulturserviceleiterin eingestellt wurden. Seine Fraktion fordert eine Entschuldigung von jenen, die diese Vorwürfe vorgebracht haben.

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Bregenz – Im Oktober 2021 wurde Judith Reichart, seit Dezember 2020 Leiterin des Bregenzer Kulturservice, wegen des Verdachts, öffentliche Gelder im Rahmen von Vereinstätigkeiten zweckentfremdet zu haben, vom Dienst suspendiert. Am Donnerstag gab die Staatsanwaltschaft Feldkirch nun bekannt, dass sie das diesbezügliche Ermittlungsverfahren gegen Reichart eingestellt hat, alle gegen Reichart erhobenen Vorwürfe haben sich als haltlos erwiesen. Schon am Freitag konnte Reichart– voll rehabilitiert – wieder ihren Dienst in Bregenz antreten. Bürgermeister Michael Ritsch (SPÖ) äußerte sich noch am Donnerstagabend erleichtert darüber, dass die Angelegenheit geklärt werden konnte.

Die Vorwürfe gegen Reichart gehen zurück auf einen Artikel in den "Vorarlberger Nachrichten" vom September 2021 und wurden in der Folge von der Vizebürgermeisterin Sandra Schoch (Grüne), der Stadträtin und VP-Vorsitzenden Veronika Marte (ÖVP) sowie dem damals noch den Neos angehörigen, aber mittlerweile wegen seiner Kritik an deren Corona-Politik aus der Partei ausgeschlossenen Vorsitzenden des Bregenzer Prüfungsausschusses Alexander Moosbrugger übernommen. Moosbrugger brachte in der Folge eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft ein. Im Oktober 2021 wurde Reichart auf Betreiben der drei vom Stadtrat vorübergehend ihres Amtes enthoben. Reichart wies die Anschuldigungen stets zurück und sah sich als Opfer einer Kampagne gegen ihre Person.

SPÖ fordert Entschuldigung, Grüne halten an Vorwürfen fest

Die Fraktionsvorsitzende der roten Bürgermeisterliste, Stadträtin Annette Fritsch, richtete nach der Einstellung der Ermittlungen sehr deutliche Worte an die drei Politiker, die die Anschuldigungen erhoben haben: "Mit den haltlosen Vorwürfen haben die drei nicht nur der Reputation von Judith Reichart massiv geschadet, sondern auch dem Ansehen des Bürgermeisters und der Landeshauptstadt als Kulturhauptstadt selbst großen Schaden zugefügt." Sie forderte die drei auf, "das Rückgrat zu besitzen", sich öffentlich bei Reichart zu entschuldigen. Das sei "das Mindeste", was sie tun könnten.

Auf STANDARD-Nachfrage bei der Liste der Vizebürgermeisterin Schoch will man von einer Entschuldigung nichts wissen. Im Gegenteil, man hält seitens der Grünen vielmehr an den Vorwürfen gegen Reichart fest, wie Fraktionsvorsitzender Heribert Hehle erklärte: "Die Vorwürfe stehen weiter im Raum. Die Staatsanwaltschaft konnte nur keine strafbaren Handlungen feststellen." Daher warte man den Bericht des Prüfungsausschusses der Stadt Bregenz ab, der in "zwei bis drei Wochen" vorliegen werde und der "sehr umfangreich" ausfallen werde.

Die Rolle des Prüfungsausschussvorsitzenden

Den Vorsitz in diesem Ausschuss hat wie erwähnt Alexander Moosbrugger, ehemaliger Neos-Politiker und mittlerweile parteifreies Mitglied der Bregenzer Stadtvertretung. Wie Reicharts Anwalt Martin Mennel mitteilte, habe Moosbrugger offenbar bis zuletzt versucht, Reichart bei den Behörden anzuschwärzen. Am 11. und am 28. März 2022 soll Moosbrugger gemäß Mennels Informationen noch schriftliche Eingaben bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch gemacht haben: "Die Landeshauptstadt Bregenz wurde informiert, dass der Prüfungsausschussvorsitzende ohne Information und Abstimmung im Prüfungsausschuss agiert und insbesondere geheime Unterlagen im Verfahren unserer Mandantin vorgelegt hat. Es wird Aufgabe der Stadt Bregenz sein, dieses Verhalten zu überprüfen und gegebenenfalls den Sachverhalt bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen."

Moosbrugger widerspricht gegenüber dem STANDARD dieser Darstellung: "Das ist grundsätzlich falsch." Er habe auf Wunsch der Staatsanwaltschaft weitere Informationen bereitgestellt. Für ihn bedarf die Causa weiterer Aufklärung und sei mit der Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen keineswegs erledigt. "Wenn das Strafrecht der Maßstab des Handelns ist, müssen wir die moralischen Compliance-Regeln neu schreiben", sagt Moosbrugger. Er sehe daher auch keinen Grund dafür, sich bei Reichart zu entschuldigen.

Moosbrugger verweist wie Vizebürgermeisterin Schoch auf den Bericht des Prüfungsausschusses, dem er vorsitzt und der in wenigen Wochen vorliegen werde. Zudem führt er die Stellungnahme der Gebarungskontrolle des Landes Vorarlbergs zur Causa als Grund dafür an, dass er nicht von seinen Vorwürfen abrücken will. Moosbrugger hatte auch dort am 4. Oktober 2021 eine Aufsichtsbeschwerde gegen Ritsch eingebracht. Er wirft der Stadtführung vor, in der Causa Reichart untätig geblieben zu sein. Am 31. Jänner 2022 antwortete die Landesabteilung. Gröbere Verstöße werden der Landeshauptstadt und dem Bürgermeister in diesem Schreiben aber nicht angelastet.

Für Moosbrugger bleibt der Fall dennoch ein Politikum, weil für ihn nicht allein zähle, ob sich jemand strafrechtlich schuldig gemacht habe, sondern auch das moralisch richtige Verhalten zähle: "Ich erwarte nichts anderes, als dass sich die städtischen Mitarbeiter an die Regeln halten."

Kritik an Berichterstattung und Dauer der Ermittlungen

Reicharts Anwalt Mennel verweist in seiner Aussendung darauf, dass noch am 29. März 2022 eine weitere, diesmal anonyme Anzeige gegen seine Mandantin bei der Staatsanwaltschaft eingelangt sei. All dies sieht der Anwalt als Teil von Anstrengungen, die Einstellung des Verfahrens gegen seine Mandantin zu verhindern. Für den Anwalt stellt sich überhaupt die Frage, warum die Einstellung des Ermittlungsverfahrens erst am 7. April 2022 und nicht schon viel eher erfolgt ist. Denn das Landeskriminalamt habe schon Anfang März, nach über sechs Monaten Ermittlungen, einen Abschlussbericht im Umfang von 730 Seiten vorgelegt, in dem man zum Schluss kam, "dass sämtliche gegen unsere Mandantin erhobenen Vorwürfe unberechtigt sind und sich vielmehr die Frage stellt, wie es überhaupt passieren konnte, dass derart unsachliche Vorwürfe ungeprüft erhoben wurden".

Auch die mediale Berichterstattung zu den Vorwürfen, die die Causa erst ins Rollen gebracht hatten, wurde demnach von den Ermittlern kritisiert. Sie sei einseitig und offenbar sei nicht ausreichend gründlich recherchiert worden. Schon einfache Prüfungen der Sachverhalte hätten demzufolge ergeben müssen, dass die vorgebrachten Sachverhalte so gar nicht hätten stattfinden können. Ob es nun weitere rechtliche Schritte gegen jene geben wird, die Reichart beschuldigt hatten, ist offen. (Steffen Arora, 8.4.2022)