Die Frauenbewegung der 1970er-Jahre kämpfte gegen den Paragrafen 144 und für die Legalisierung von Abtreibungen.

Foto: Alex Gotter

Seit der Zweiten Frauenbewegung in den 1970er-Jahren ist einiges geschehen. Es gibt MeToo, und es gibt weitere neue Wörter wie nonbinär oder Femizid. Aber: Patriarchale Strukturen demontiert man nicht innerhalb von Jahren. Das ist für eine durchschnittliche Lebensalterbiografie zwar frustrierend, aber Fakt.

Eine neue, in den 1990er-Jahren sozialisierte Generation, die heute den noch immer gleichen ökonomischen Verteilungskämpfen und Unterdrückungsmechanismen ins Auge blickt, tritt derzeit im Werk X auf den Plan. In der Außenbezirkbühne in Meidling haben sie sich mit Protagonistinnen der 1970er zu einem Weiberrat zusammengefunden und rekapitulieren gemeinsam, wie der feministische Kampf aussieht und wofür er eintritt.

Mit erhobenen Fäusten

Weiberrat entstand als Stückentwicklung mit Regisseurin Nina Gühlstorff und ist ein Hybrid aus Geschichtsunterricht, Aktivismus und Reenactment auf einer am Ende ordentlich angepatzten Mischmaschinenlandschaft (Bühne und Kostüm: Prisca Baumann). Den Beton für den eigenen, erhebenden Sockel im Leben mischt sich das Schauspielerinnentrio dabei live selbst (Julia Jelinek, Lara Sienczak, Nicola Schößler). Zunächst aber erklären die Elder Stateswomen Dagmar Klopf, Eva Laber und Nadia Trallori, ehedem Aktivistinnen der AUF (Aktion Unabhängiger Frauen), was sich im Wien der 1970er abgespielt hat. Sie erzählen von nationalsozialistischer Erziehung, sexueller Gewalt, Abtreibung, Ehe, Scheidung, offenen Beziehungen, Demonstrationen und Aktionen in der besetzten Arena.

Mit erhobenen Fäusten und kraftvollen Stimmen treten die Veteraninnen auf die Bühne – in ihnen spiegeln sich die drei jungen Schauspielerinnen als nachfolgende Aufbegehrende. Interviews mit Zeitzeuginnen sind in die Texte eingeflossen, die den Abend regelrecht überfluten. Am Ende wackelt einem der Schädel, was ja nicht das Schlechteste ist. Insbesondere nach einem Lehrbeispiel zur Schreibweise von Pronomen, die sich auf nonbinäre Personen beziehen. Da muss noch viel geübt werden.

Hexen mit Besen

Einfacher wäre da eine Grammatik à la Hermes Phettberg, der in seinen Kolumnen anstelle geschlechtlicher Endungen jeweils gerne ein y anhängt. Bierwirty! Gotty! Schüly! Feminismus hat schon auch Witz, und lernen muss man ja sowieso dauernd.

Richtig performativ wird es im Verlauf dieses an seiner atemlosen, aktivistischen Geste strauchelnden Redeabends aber nur einmal: beim Reenactment einer Hexen-Aktion aus den 1970ern. Da wird im Kessel eines Betonmischers patriarchalen Gegenständen und Begriffen (vom Stöckelschuh bis zu Wörtern wie Genitalverstümmelung oder Gender-Pay-Gap) heiß dampfend und mit Besen der Garaus gemacht. Mehr davon und weniger Dozieren hätte dem Abend gutgetan. (Margarete Affenzeller, 9.4.2022)