Frutura-Miteigentümer Manfred Hohensinner sieht sich als Querdenker, kritisiert die Landwirtschaft und verlässt sich auf den Handelskonzern Spar als einzigen Abnehmer. Der Einladung, seine riesigen Glashäuser zu besuchen, sei noch kein Politiker gefolgt, bedauert er.

Manfred Hohensinner: "Österreichs Landwirtschaft ist vor 20 Jahren stehengeblieben."
Foto: Philip Platzer

STANDARD: Hier ein sonnengereifter frischer Paradeiser aus Italien – dort einer aus Ihrem Glashaus in Blumau. Schmecken Sie den Unterschied?

Hohensinner: Mit Sicherheit. Auch in Italien oder Spanien wachsen Paradeiser jetzt im Gewächshaus. Wir selbst schaffen mit Geothermie das optimale Klima, und wir lassen die Tomaten vollreif werden. Wir haben hier sehr hochwertige Sorten, auch wenn es auf Kosten der Menge geht.

STANDARD: Sie waren einst Bergbauer, heute zählen Sie zu den größten industriellen Gemüseproduzenten. Ein Kulturbruch in der Landwirtschaft?

Hohensinner: Die erste Arbeit, die mir mein Vater auftrug, war, die Ähren auf dem Boden aufzuklauben, damit kein Korn verlorengeht. Um unsere kleine Landwirtschaft am Leben zu erhalten, war ich dann elf Jahre mit dem Lkw unterwegs, in Russland, der Ukraine. Ich sah riesige Produktionen, ihren Umgang mit Ressourcen. Als ich beim ersten Mal heimkam, habe ich vor Glück geweint, in Österreich geboren zu sein.

STANDARD: Sie bauen mittlerweile in Blumau auf 26 Hektar Gemüse in mit Thermalwasser beheizten Glashäusern an ...

Hohensinner: Ich sah immense Importe und habe mich gefragt, warum wir das nicht selbst ganzjährig machen und uns Wertschöpfung zurückholen. Wir leben in einer Thermenregion, warum nimmt man das heiße Wasser nur zum Baden?

STANDARD: Der Kampf um Genehmigungen währte sechs Jahre. Anrainer, Umweltschützer, Bauernvertreter waren massiv dagegen. Ist man Ihnen mittlerweile freundlicher gesinnt?

Hohensinner: Man wollte mich vernichten. Ich wurde vorverurteilt. Man hat mich als Querdenker aus allen Bauernverbänden ausgeschlossen. Die Grünen haben eine Bürgerbewegung gegen mich finanziert. Es gab keinen Cent Förderung, obwohl es eines der innovativsten Projekte war. Zwölf Gutachten mussten wir vorlegen, jedes kostete gut 300.000 Euro. Lärmgutachten für Tomaten, eine Vermessung der Gelsenpopulation in Wasserpfützen. Eineinhalb Jahre haben wir allein darauf gewartet. Kein einziger Bundespolitiker war je hier, um sich das anzusehen. Und NGOs sagten uns, was wir zu tun haben, ohne selbst je auch nur ein Lebensmittel produziert zu haben. Heute sind wir ein Vorzeigeprojekt. Ich bin keinem böse, wir haben es überlebt. Aber ich kann jedem, der in der Region was Neues aufbauen will, nur Glück wünschen.

Manfred Hohensinner vermisst bei den Bauern Hightech. Seine Blumauer Glashäuser stießen auf harten Widerstand.
Foto: Philip Platzer

STANDARD: Mit zwei Partnern haben Sie 60 Millionen Euro investiert. Allein die Bohrungen kosteten 17 Millionen. Warum waren Ihnen die Banken gnädig?

Hohensinner: Es gab eine Bank, die mir vertraute. Wäre es schiefgegangen, ich wäre im Straßengraben geendet. Ich war schon kurz davor, da die erste Bohrung nicht funktionierte. Eine wilde Zeit.

STANDARD: Man sagt Ihnen sehr gute Kontakte zum früheren Spar-Chef Gerhard Drexel nach. Wie viel Gewicht hatte der Liefervertrag des Konzerns?

Hohensinner: Ich schätze Herrn Drexel sehr. Er hat die Bedeutung regionaler, witterungsunabhängiger Lebensmittelproduktion erkannt. Für ein Projekt dieser Größe braucht es fixe Abnehmer und Rahmenverträge. Aber Spar ist nicht an uns beteiligt, trug selbst finanziell nichts bei.

STANDARD: Spar ist Ihr einziger Abnehmer. Macht Ihnen diese immense Abhängigkeit nicht Angst?

Hohensinner: Ein langfristiges Projekt braucht lange Partnerschaften. Als Lkw-Fahrer kenne ich den Handel. Für Deutschland sind wir Österreicher der Versuchsmarkt. Einmal schicken sie den, dann den anderen Manager. Spar hingegen ist ein österreichischer Familienbetrieb. Für die hohe Konzentration des Lebensmittelhandels können wir nichts. Dieser ist dazu verpflichtet, Konsumenten den besten Preis zu machen. Ist so.

STANDARD: Viele Produzenten versuchen, ihr Risiko zu streuen, die Vermarktung nicht ganz aus der Hand zu geben, um nicht erpressbar zu werden. Ärgert es Sie, wenn Frutura verlängerte Werkbank der Spar genannt wird?

Hohensinner: Wer sagt, wir stehen unter dem Diktat der Spar, soll sich selber den Spiegel vorhalten. Wir als Frutura erzeugen Top-Lebensmittel. Und wir berechnen die echten Arbeitskosten, stellen Mitarbeiter fix ganzjährig an, wie es sich gehört. Ich wünsche mir, dass das andere nachmachen. Ich schäme mich dafür, dass anderswo Erntehelfer 3,50 Euro die Stunde verdienen und in irgendwelchen Unterkünften hausen.

STANDARD: Verklärt Österreich seine Landwirtschaft?

Hohensinner: Ich schätze die Leistung der Bauern, aber diese Heidi-Landwirtschaft, die gern dargestellt wird, ist eine Verarschung der Bevölkerung, das ist unerträglich. Man muss den Leuten zeigen, wie wir Lebensmittel in Zukunft absichern und heimisch anbauen können. Die beste Form der Landwirtschaft ist Selbstvermarktung. Für zehn Prozent der Konsumenten ist das möglich. 90 Prozent müssen wir aber anders versorgen.

Manfred Hohensinner beheizt sein steirisches Fruchtgemüse mit Thermalwasser. "Man wollte mich vernichten."
Foto: Philip Platzer

STANDARD: Verstehen Sie die Angst der Bauern, durch Konzerne wie Frutura unter die Räder zu kommen?

Hohensinner: Natürlich, der Markt ist beinhart. Aber wir produzieren etwas, das andere nicht können. Mit Hightech, weil es anders nicht geht. Bauern müssen professioneller werden, bedarfsgerecht produzieren. Es bringt nichts, wenn Politiker Händler anprangern, ohne Lösungen zu bieten. Österreichs Landwirtschaft ist vor 20 Jahren stehengeblieben.

STANDARD: Wie das?

Hohensinner: Sie erhält mit hohen Förderungen ein ineffizientes System am Leben. Geld für die Bergbauern wird zurückgehalten, Großbetrieben pumpt man es rein. Milchproduktion etwa gehört in Berggebiete, wo es Rinder für die Landschaftspflege braucht. Die Masse kommt jedoch aus den Gunstlagen, wofür Gentech-Soja importiert und Milchpulver nach Afrika exportiert wird. Während sich die Welt weiterdreht, hält die Landwirtschaft an ihren alten Paradigmen fest: Preise, Förderungen, Pflanzenschutz. Die Themenführerschaft gab sie an den Handel ab.

STANDARD: Der Lebensmittelhandel greift immer tiefer in die Produktion ein. Werden bald wenige Konzerne bestimmen, welches Essen die Österreicher auf den Tisch bekommen?

Hohensinner: Viele Bauern müssen umdenken. Was erwarten sie sich denn, wenn sie mit Durchschnittsqualität mit zehn anderen auf der Matte stehen? Ich mache ihnen keinen Vorwurf, sie stehen im Eck. Aber viel zu wenige ergreifen die Eigeninitiative. Unsere Bio-Radieschen im Winter etwa: Bis vor drei Jahren wurden sie importiert. Jetzt bauen wir sie in unseren Folienhäusern an.

STANDARD: Weniger Importe sparen CO2 ein. Aber warum braucht es im Winter im großen Stil Sommergemüse? Man könnte auch von Dekadenz unter dem Mantel des Klimaschutzes sprechen.

Hohensinner: Dann müssten wir zurück auf die Bäume. Wir haben im Winter Kohl und Salatarten. Alles gut. Aber die Zeit dreht sich weiter. Warum soll ich den Österreichern etwas vorenthalten, das gesund ist, das ich bei uns anbauen kann, ohne die Umwelt zu belasten, mit dem ich Arbeitsplätze schaffe? Wahnsinn wäre, wenn ich die Gasheizung dafür anwerfen würde. Aber so?

STANDARD: Gas dient Ihnen nur als Ersatzheizung. Lässt Sie das in Zeiten der Energiekrise ruhiger schlafen?

Hohensinner: Mir ist es egal, ob der Putin sein Gas abdreht. Unser Projekt zeigt, dass es die Abhängigkeit von Russland nicht gäbe, wenn man nur gewollt hätte. Klar, nicht jeder hat Thermalwasser. Aber wenn ein kleiner Bauer wie ich, mit elf Hektar Grünland, sieben Hektar Wald und 15 Kühen vor 22 Jahren sah, was nötig ist, braucht mir keiner erklären, dass das andere nicht sahen.

Im Glashaus: ganzjährig steirisches Sommergemüse auf 26 Hektar.
Foto: Philip Platzer

STANDARD: Explodiert sind auch die Kosten für Strom, Sprit und Dünger. Wie stark verteuert das Ihre Paradeiser, Paprika und Gurken?

Hohensinner: Sie kosten uns um ein Drittel mehr. Was besonders wehtut, sind Logistik und Verpackung. Verpackung ist zum Teil schon teurer als das Gemüse selbst. Wir haben kein Interesse, es zu verpacken. Aber wer Tomaten oder Trauben lose in die Regale legt, kann 25 Prozent wegschmeißen. Anders als die Italiener zerdrücken und zermatschen die Österreicher sie. Wer soll das bezahlen? Ein sorgfältigerer Umgang mit Obst und Gemüse würde sie für alle um 25 bis 30 Prozent günstiger machen.

STANDARD: Haben viele Konsumenten das Gefühl für den Wert der Nahrungsmittel verloren?

Hohensinner: Starke Rabatte entstanden aufgrund zu hoher Produktionsmengen. Daraus entwickelten sich Geschäftsmodelle, Lebensmittel wurden zu Lockartikeln. Schauen Sie Tiernahrung an. Sollten wir unsere Lebensmittel dazu verarbeiten? Das würde ganz andere Erlöse und Deckungsbeiträge bringen.

STANDARD: Rechnen Sie in Europa infolge des Ukraine-Kriegs mit Engpässen bei Obst und Gemüse?

Hohensinner: Ich kenne die Ukraine gut. Es ist schrecklich, was dort passiert. Den Gemüse- und Obstbau belastet aber vor allem die Klimakrise. Viele Produktionsgebiete werden wegbrechen. Die Frage ist, wo wir künftig was mit welchen technischen Hilfsmitteln anbauen können. Bio ist die beste Form. Aber der größte Feind der Biofrucht ist die Feuchtigkeit. Ein starker Tau, und ein Apfelbauer muss innerhalb von acht Stunden mit dem Kupfer ausfahren, sonst hat er eine Infektion in der Blüte. Ich heize Bio-Gemüse auch im Sommer mit Geothermie. Damit brauche ich keine Fungizide.

STANDARD: Teile der Landwirtschaft in der EU fordern eine Abkehr von Bio und Diversität, um Europas Äcker mit Blick auf drohende Hungersnöte in Entwicklungsländern produktiver zu machen. Halten Sie das für richtig?

Hohensinner: Ein Irrweg. Damit fahren wir gegen die Wand. Stattdessen gehört der hohe Viehbestand reduziert. Geben wir doch Bauern Förderungen, damit sie diesen zurückfahren. Damit Flächen frei werden für Lebensmittel, die wir wirklich brauchen.

STANDARD: Macht Gentechnik die Landwirtschaft effizienter?

Hohensinner: Den Geist aus der Flasche lassen, ohne die Auswirkungen zu kennen? Ich bin dagegen.

STANDARD: Geht Österreich mit Pestiziden zu leichtfertig um?

Hohensinner: Bei Kartoffeln wurde Beize verboten. Jetzt haben wir den Drahtwurm, der fröhliche Urstände feiert. Ein großer Teil der Kartoffeln musste weggeworfen werden. Bei gewissen Produkten ist es schwer ohne Pflanzenschutz, da muss man den Leuten die Wahrheit sagen. Auf der anderen Seite braucht es eine engere Abstimmung zwischen Bio und konventionell. Beide lernen voneinander. Bei Handelskonzernen sind Konsumenten aufgrund des guten Monitorings zu 99,9 Prozent auf der sicheren Seite. Für andere Vermarktungsformen lege ich die Hand nicht ins Feuer.

STANDARD: Ihre drei Kinder sind allesamt im Unternehmen. Ein friedliches Nebeneinander?

Hohensinner: Ich habe das große Glück, dass sie freiwillig kamen. Meine Partner und ich haben die Nachfolge früh professionell vorbereitet. Ein langer Prozess. Aber was kann einem Schöneres passieren, als dass das, was man aufgebaut hat, weitergeführt wird.

STANDARD: Frutura ist innerhalb weniger Jahre auf 500 Millionen Euro Umsatz gewachsen. Sie haben der nächsten Generation die Latte hochgelegt.

Hohensinner: Jede Zeit hat ihre Epoche. Lebensmittelproduktion wird wichtiger. Sorge macht mir, dass es den Bauern insgesamt an Nachfolgern fehlt. Als wäre die Landwirtschaft schmutzig, nur mit schwerer Arbeit und wenig Geld verbunden. Was so nicht stimmt. Sie braucht in Österreich einen neuen Wert. Billige Lebensmittel gibt es nicht. Irgendwer zahlt immer den Preis dafür. (Verena Kainrath, 10.4.2022)