Viele Güter und Dienstleistungen sind in den letzten Monaten deutlich teurer geworden.

Es ist nur eine Zahl, aber sie versetzt Bürgerinnen und Bürger ebenso wie Politiker in zusehende Unruhe. Die Rede ist von der Inflationsrate. Seit Beginn des Wirtschaftsaufschwungs 2020 ziehen die Preise in nahezu allen Industrieländern, auch Österreich, an. Der Krieg hat diese Entwicklung noch einmal beschleunigt.

Aber was messen wir mit der Kennzahl Inflation genau? Für Statistiker ist die Antwort einfach: Die Ermittlung der Inflation erfolgt mit dem sogenannten Verbraucherpreisindex. Dieser Index soll die Ausgaben der Haushalte für Konsumgüter und Dienstleistungen sowie dessen Veränderung abbilden. Das ist der Versuch, diesen Prozess zu objektivieren. Die Art, wie wir Inflation berechnen, ist aber natürlich nicht frei von Werten und Interessen und könnte auch anders erfolgen.

Um die Inflation zu berechnen, ist es zunächst nötig zu wissen, wofür Menschen Geld ausgeben. Das geschieht in Österreich mit einer Konsumerhebung alle fünf Jahre, zuletzt 2019/2020. Dabei erstellen 8000 Haushalte zwei Wochen lang eine Liste all ihrer Ausgaben für Statistik Austria und geben ihre großen Anschaffungen aus dem vergangenen Jahr bekannt. Auf Basis der Werte erstellen die Statistiker einen Warenkorb.

Die vielen Produkte darin sind ein Ausdruck des gestiegenen Wohlstands. In den 1960ern beinhaltete der Warenkorb 253 Positionen. Heute sind es 756. Der Mix ist breit, er reicht von Eiern über Benzin, Reparaturdienstleistungen, Mieten bis hin zu Smartphones und Restaurantbesuchen. Jede Position bekommt eine Gewichtung, je nachdem, wie viel Haushalte im Durchschnitt dafür pro Monat ausgeben. Ein Beispiel: Ein Ei hat im Warenkorb ein Gewicht von 0,211149 Prozent.

Gut 80 Personen beschäftigen sich Monat für Monat damit, die Preisentwicklung im Warenkorb zu analysieren. Einige Preisdaten, etwa aus Supermärkten und Drogerien, werden automatisiert über Scannerdaten geliefert. Die meisten Daten erheben Statistiker, indem sie Preise in 19 Städten aufschreiben, im Modegeschäft, im Restaurant oder beim Friseur. Die durchschnittliche Veränderung der Kosten an der Tankstelle bekommt die Statistik jede Woche geliefert. Alle Preisveränderungen zusammen, mit dem jeweiligen Gewicht versehen, ergeben die Inflationsrate.

Der Index ist in vielen Politikbereichen zentral: für die Geldpolitik der Notenbanken, für die Lohnverhandlungen der Sozialpartner.

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Doch gegen das Konzept gibt es Einwände. Die Idee, all diese Preisänderungen in einen Index zu quetschen, bedeutet, davon auszugehen, dass es in einer Wirtschaft ein einheitliches Preisniveau gibt, das steigt und fällt. Das stimmt allerdings nur sehr bedingt: Wohnen, Heizen, Tanken, Restaurantbesuche, all das sind unterschiedliche Transaktionen auf unterschiedlichen Märkten. Manche Preise fallen, auch wenn die meisten steigen – sogar jetzt. Diese Inflationsmessung mit einem Index bedeutet, dass solche Unterschiede in den Hintergrund rücken. Das Konzept basiert darauf, dass die Geldpolitik der Zentralbanken der entscheidende Hebel zur Steuerung der Preise ist, sagt Ökonomin Lea Steininger.

Ein weiteres Problem entsteht, weil der Warenkorb den Konsum aller Haushalte widerspiegelt. Doch die Unterschiede sind so groß, dass die Werte oft nicht passen. Wohnungsmieten haben im Warenkorb ein Gewicht von 5,3 Prozent. Der Wert ist nur erklärbar, weil viele Haushalte keine Miete zahlen, sondern Eigentümer sind. Doch dadurch wird die Teuerung beim Wohnen für ärmere Haushalte, die bis zu einem Drittel ihrer Einnahmen in Miete stecken, kaum realistisch abgebildet. Die Kosten für die Anschaffung von Wohneigentum sind im Index nicht berücksichtigt, weil das als Investition gilt. Auch das ist eine politische Entscheidung. (András Szigetvari, Sebastian Kienzl, Fatih Aydogdu, 9.4.2022)