Facebook war gestern, Plattformen wie Instagram oder Tiktok sind die Zukunft. Das legt die Entwicklung der Nutzerzahlen auf sozialen Netzwerken in den letzten Jahren nahe. Mit ihr einher geht auch eine drastische Verschiebung von Desktop-Rechnern hin zu Smartphone-Apps, von Textkommentaren hin zu Fotos und Videos.

Das ist eine Entwicklung, der auch Smartphone-Hersteller zunehmend Rechnung tragen wollen, indem sie bessere Frontkameras einbauen und ihre Kamera-Apps mit allerlei Filtern, Effekten und sonstigen Zusatzfunktionen ausstatten. Einen Schritt weiter als die meisten geht Vivo mit dem V23, das seit kurzem in Österreich erhältlich ist. Das Unternehmen, das zu der beachtlichen Flotte an Herstellern unter der Flagge der BBK Electronics Holding zählt, wirbt hier nicht nur mit der Hauptkamera, sondern auch mit der Selfie-Cam. Darüber hinaus soll das preislich mit knapp 500 Euro in der oberen Mittelklasse angesiedelte Handy auch in anderen Belangen die meisten Ansprüche erfüllen. DER STANDARD hat es einem Test unterzogen.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Basics

Zuallererst einmal ist das Vivo V23 eine gute Nachricht für Leute, die ein – im Vergleich zum restlichen Markt – relativ kompaktes Handy suchen. Mit Maßen von 157,2 x 72,4 x 7,4 Millimeter (180 Gramm Gewicht) ist es vergleichsweise handlich und zumindest teilweise einhändig bedienbar. Der Ein/Aus-Button ist gut erreichbar, bei der Lautstärkewippe wird es allerdings schwierig. Das Gehäuse besteht aus der gängigen Kombination aus Metall und Glas und ist gut verarbeitet. Die Rückseite ist mattiert, ausreichend griffig und unempfindlich gegen Fingerabdrücke.

In der Farbvariante "Sunshine Gold" bietet sie außerdem eine fotosensitive Beschichtung. Unter Sonneneinwirkung ändert sie aufgrund des UV-Anteils des Lichts ihre Farbe von Gold zu Blau. Wer eine UV-Lampe zur Hand hat, kann damit natürlich auch Spielereien anstellen. Die Verfärbungen verschwinden nach wenigen Minuten wieder. Das passt freilich ins Konzept eines Gerätes, das Vivo selbst als Teil der "Premium-Mittelklasse" sieht. Praktisch betrachtet ist es aber freilich nicht mehr als ein Gimmick.

Das Muster auf der eigentlich goldfarbenen Rückseite wurde mithilfe einer UV-Lampe und eines Glases erzeugt.
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Hardware und Display

Auf technischer Ebene spricht jedenfalls vieles für Mittelklasse. Da wäre etwa der Mediatek-Dimensity-920-Chip, der sich in Benchmarks knapp unterhalb des Snapdragon 778G einordnet, der etwa in Handys wie Samsungs Galaxy A52s steckt. Dieser arbeitet mit gleich 12 GB RAM zusammen, was etwas nach Overkill aussieht. Vivo begründet die beachtliche Arbeitsspeicher-Ausstattung mit der Notwendigkeit des intensiven Multitaskings der Zielgruppe. Man möchte sicherstellen, dass möglichst viele Apps parallel laufen können, ohne wegen knapper Ressourcen im Hintergrund geschlossen zu werden. Das ist auch gelungen. Ob der Unterschied zur hierzulande nicht angebotenen "kleineren" Ausgabe mit 128 GB Onboard-Speicher und 8 GB RAM stark spürbar ist, darf zumindest leicht angezweifelt werden.

Beim Bildschirm setzt man auf ein 6,44-Zoll-AMOLED-Panel. Es unterstützt HDR10+ und bietet eine maximale Bildwiederholrate von 90 Hz. Diese verfügt allerdings nicht über eine vollwertige variable Regelung, sondern nur über die Optionen 60 oder 90 Hz, zwischen denen das System auch automatisch wechseln kann. Unter dem Bildschirm installiert ist ein zuverlässig arbeitender Fingerabdrucksensor.

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Das Panel bietet eine Auflösung von 2.400 x 1.800 Pixeln (Format 20:9) bei guter Farbdarstellung und Kontrasten. Einzig bei der maximalen Helligkeit – zu welcher der Hersteller keine technischen Angaben macht – zeigt sich ein klarer Unterschied zu High-End-Smartphones. Unter direktem Sonnenlicht ist es teils etwas schwierig, etwas am Bildschirm zu erkennen.

In Kommunikationsbelangen ist das Vivo V23 weitestgehend State of the Art. Es bietet zwei Nano-SIM-Steckplätze, unterstützt 5G und LTE, Bluetooth 5.2 und NFC. Verzichten muss man allerdings auf Wifi 6 (802.11ax), der integrierte WLAN-Chip beschränkt sich auf Wifi 5 (802.11ac). Der Onboard-Speicher ist nicht erweiterbar. Eine 3,5-mm-Audioklinke ist nicht verbaut, ein 3,5-mm-In-Ear-Headset sowie ein passendes Adapterkabel liegen aber bei. Für kabelbasierten Datentransfer gibt es einen USB-C-Port (USB 2.0), über den auch der Akku geladen wird.

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System und Performance

Vorinstalliert ist Android 12 in der Vivo-eigenen Variante "Funtouch OS". Grundlegend unterscheidet das System nicht viel von diversen anderen Android-Varianten. Beim Einrichten des Gerätes erhält man die Wahl, ob man mit Gesten oder Navigationstasten steuern möchte. Es gibt natürlich auch allerlei Themes, mit denen sich Icons, Farben und Schrift nach eigenem Gusto anpassen lassen. Abseits der Google-Dienste beschränkt sich das Sortiment an vorinstallierten Apps auf Facebook, Netflix und "Vivo.com", das eine Kombination aus Store für Vivo-Geräte und Supportfunktionen bietet. Das System bietet außerdem eine Optimierungsfunktion für die Ausführung von Spielen. Was die Menüführung betrifft, entspricht Funtouch weitestgehend gängigen Android-Standards, die wichtigsten Einstellungen lassen sich recht leicht finden.

Die Performance entspricht der Hardware. Alltägliche Aufgaben – Surfen, Videos, Messaging und Casual Games – laufen flüssig und ohne Probleme. Auch erweiterte Augmented-Reality-Funktionen werden reibungslos unterstützt. Dreht man in anspruchsvolleren Spielen die Grafikqualität hoch, sieht man aber gelegentlich, wie Prozessor und Grafikeinheit ans Limit kommen und die 60-Frames-pro-Sekunde-Marke klar verfehlen.

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Ob Vivo dem Handy länger als zwei Jahre an Updates garantiert, lässt sich nicht zweifelsfrei sagen. Vergangenes Jahr garantierte der Hersteller einen Zeitraum von drei Jahren für Sicherheits-Updates sowie wenigstens zwei Android-Versions-Updates – allerdings nur für seine Flaggschiffe der X-Reihe. Ob dieses Versprechen mittlerweile auch für die V-Serie gilt, ist unklar. Eine entsprechende Anfrage blieb unbeantwortet. Zum Testzeitpunkt Anfang April datierte das jüngste Update vom 26. Februar mit Sicherheitspatchlevel aus dem gleichen Monat.

Hauptkamera

Zeit, über die Kameraausstattung zu reden. An Fotosensoren mangelt es dem Vivo V23 wahrlich nicht. Das rückseitige Modul besteht aus einem Trio mit 64-MP-Weitwinkel, 8-MP-Ultraweitwinkel sowie einer 2-MP-Makromakera, die laut Hersteller gleichzeitig auch ergänzende Tiefeninformationen für die beiden anderen Sensoren sammeln soll.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Alle drei bieten recht unterschiedliche Eindrücke. Die Hauptkamera könnte etwas lichtstärker sein, macht aber an sich solide Fotos mit passablem Detailgrad und relativ akkurater Farbwiedergabe mit fallweise leichtem Blaustich. Bei genauem Hinsehen erkennt man dann doch manche feinen Strukturen, die wohl von der Rauschentfernung des Postprocessing einkassiert wurden, sowie "leuchtende" Kanten als Kollateralschaden übertriebener Nachschärfung. Das Gesamtergebnis ist zwar nicht auf dem Niveau neuer Galaxy-S-Smartphones oder iPhones, aber für ein Mittelklassehandy absolut herzeigbar. Das darf man, nicht zuletzt dank optischer Bildstabilisierung, auch bei Aufnahmen unter Kunstlicht oder in der Nacht sagen.

Die Weitwinkelkamera spielt nicht in der gleichen Liga. Sie plagt sich nämlich nicht nur im Randbereich mit Unschärfen (wie sie bei Ultraweitwinkelkameras oft zu sehen sind), sondern ab mittlerer Entfernung von 20 bis 30 Metern auch in der Bildmitte. Da sie außerdem zu einem leichten Grünstich tendiert und geringere Lichtstärke aufweist, sehen Szenen im Vergleich mit der Weitwinkelkamera so aus, als wären sie mit zwei verschiedenen Smartphones abgelichtet worden. Auch in Mittelklasse-Smartphones hat man hier schon bessere Sensoren gesehen, wenngleich die Defizite zumindest zum Teil mit verbessertem Postprocessing behebbar wären.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Die Makrokamera fällt leider qualitativ in die Kategorie, in der sich so ziemlich alle für Nahaufnahmen deklarierte 2-MP-Sensoren in Smartphones finden. Sie hat abseits der Möglichkeit, auf extrem kurze Distanz fokussieren zu können, kaum etwas zu bieten. Fotos sind farblich leicht verwaschen und detailarm. Mit der Hauptkamera lassen sich unter Verwendung der Zweifach-Zoomfunktion Ergebnisse erzielen, die auch in zugeschnittener Form wesentlich besser aussehen.

Selfie-Kamera

Bei seiner Werbebotschaft für das V23 setzt Vivo allerdings sehr stark auf die Selfie-Kamera. An der Front wurden gleich zwei Sensoren verbaut. Eine 50-MP-Kamera für Weitwinkelaufnahmen sowie eine für Ultraweitwinkelaufnahmen mit 8 MP.

Auch hier finden sich Unterschiede, die aber nicht gar so deutlich ausfallen, wie bei der Hauptkamera. Die Weitwinkelkamera bringt akkurate Farbwiedergabe und – auf Selfie-Distanz – gute Detailtreue mit. Der integrierte Autofokus sorgt dafür, dass bei Porträtaufnahmen die Abgrenzung von Motiv und Hintergrund zuverlässig funktioniert.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Die Ultraweitkamera ist farblich gut auf den Weitwinkel abgestimmt. Mit ihr gewinnt man zwar eine einfache Möglichkeit für Selfies mit "panoramischem" Hintergrund bzw. Gruppenaufnahmen, verliert dafür aber merklich an Details. Hier ist auch kein Autofokus dabei, was im Porträtmodus zu kleineren Fehlern bei der Randerkennung führt.

Die Kamera-App bietet ein breites Sammelsurium an Filtern und Effekten an. Neben typischen Features wie Hautglättung kann man sich auch in Echtzeit Gesichtsmerkmale wie Augengröße oder Nasenlänge "anpassen" lassen. Wer sich "normschön" transformieren lassen oder gerne wie ein klischeetypisches Alien aussehen möchte, findet hier alle Werkzeuge dafür. Beeindruckend gut funktioniert das Feature für "Studioaufnahmen" mit einer künstlich ins Bild eingepflegten Lichtquelle. Das volle Repertoire an Werkzeugen steht allerdings nur für Fotos zur Verfügung, bei Videos ist man auf Hautglättung, Filter und Farbeffekte beschränkt. Angesichts dessen, dass die Apps von Tiktok und Co ohnehin zahlreiche Videoeffekte mitbringen, ist das ein überschaubares Defizit.

Als – wortwörtliches – Highlight bezeichnen kann man die zwei LEDs, die die Frontkameras flankieren. Sie lassen sich als recht gleichmäßige Lichtquelle einsetzen, was insbesondere ab den Abendstunden durchaus nützlich ist. Die Lichtfarbe lässt sich dabei zwischen kaltweiß, warmweiß und warm regeln. Die Helligkeit ist leider nicht einstellbar. Alternativ gibt es auch noch den "Aura"-Modus, in dem der Bildschirm – analog zum "Frontflash" von iPhones – stattdessen als Leuchtquelle dient. Die LEDs sind dieser Option in den meisten Situationen aber klar vorzuziehen und ersparen auch die Anschaffung eines zusätzlichen Ausleuchtungs-Accessoires für den mobilen Einsatz. Es sei denn, man pflegt seine Social-Media-Auftritte professionell, dann stellt sich aber ohnehin die Frage der Anschaffung eines Midrange-Smartphones eher nicht.

Wer semiprofessionell auf Instagram und Co tätig ist oder einfach "nur" gute Selfies teilen möchte, der ist mit dem Vivo V23 in dieser Hinsicht sehr gut bedient.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Akustik und Akku

Womit abschließend noch ein Blick auf akustische Merkmale und den Akku bleibt. In ersterer Kategorie schlägt sich das Vivo V23 durchwachsen. Während die Aufnahmequalität des Mikrofons, etwa für Sprachnotizen, passabel ist, bleibt davon bei Telefonie nicht viel übrig. Beim Gegenüber kommt man nur recht verwaschen und stellenweise daher auch nur schwer verständlich an. Dass die Unterdrückung von Umgebungsgeräuschen an sich gut funktioniert, ändert an diesem Umstand wenig. Auch die Wiedergabequalität des Ohrhörers ist als unterdurchschnittlich zu bezeichnen. Obwohl der Trend auch in der Mittelklasse schon länger in Richtung Stereosound geht, bietet das Handy per Lautsprecher nur Mono-Wiedergabe an. Das zumindest in einer für diese Geräteklasse "okayen" Qualität.

Was die Akkuleistung betrifft, fällt das Ergebnis unspektakulär aus. Lässt man das System die Bildwiederholrate selbständig regeln, kommt man mit einer vollen Ladung des 4.200-mAh-Akkus auch bei intensiver Handynutzung mit wenigen Reserven über den Tag. Die Wiedergabe fix auf 60 Hertz zu beschränken schafft hier merkbare Linderung, dennoch scheint es aber so, als könnte Funtouch OS noch die eine oder andere Optimierung in Sachen Stromverbrauch vertragen. An sich ist der verwendete Prozessor nämlich nicht besonders "hungrig". Immerhin wird Schnellaufladen mit einer Leistung von bis zu 44 Watt unterstützt. Vivo reklamiert, dass der Akku sich damit binnen 30 Minuten von 0 auf 68 Prozent aufladen lässt.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Fazit

Das Vivo V23 kann mit seiner Front-Dualkamera nebst Scheinwerfer-LEDs sein zentrales Versprechen, ein Smartphone für Selfie-Bedarf zu sein, einlösen. Darüber hinaus gibt es eine passable technische Grundausstattung in einem gut verarbeiteten Gehäuse mit optionalem "Bling" in Form einer UV-sensitiven Rückseite. Die Speicherausstattung ist mit 12 GB RAM und 256 GB Onboard-Platz zudem recht opulent.

Die Hauptkamera liefert qualitativ hingegen Ergebnisse, die zwischen "gut" und "enttäuschend" mäandern. Während der bei Fotos wohl am häufigsten genutzte Weitwinkelsensor auch in der Nacht solide Ergebnisse liefert, tun sich bei der Ultraweit- und insbesondere der Makrokamera deutliche Schwächen auf. Wenig überzeugen kann zudem die Telefonie-Akustik. Luft nach oben gibt es auch im Hinblick auf die Akkuperformance. Dazu gesellt sich Unklarheit in Hinblick auf die Dauer von Sicherheits- und Android-Versions-Updates über zwei Jahre hinaus. Sollte Vivo sich hierzu noch äußern, wird diese Information freilich ergänzt. (Georg Pichler, 11.4.22)

Testfotos

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Tageslicht, Weitwinkel
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2x-Zoom
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Makro
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Weitwinkel, Tageslicht
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Tageslicht, Ultraweit
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Weitwinkel
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2x-Zoom
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Kunstlicht
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Kunstlicht
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Tageslicht, Ultraweitwinkel-Selfie
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Weitwinkel
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Selfie mit Überlagerungseffekt
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Nachtmodus, Weitwinkel
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Nachtmodus, Weitwinkel
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