Gesellschafterversammlungen von GmbHs oder AGs dürfen seit Ausbruch der Pandemie online stattfinden.

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Die Corona-Krise hat auch dem Gesellschaftsrecht einen Digitalisierungsschub verpasst: Gesellschafterversammlungen von GmbHs oder AGs dürfen seit Ausbruch der Pandemie online stattfinden – eine Möglichkeit, die zahlreiche Unternehmen genutzt haben.

Ende Juni läuft diese provisorische Regelung allerdings aus. Ob sie, wie mitunter gefordert, auch ins Dauerrecht übernommen wird, ist nach wie vor unklar. Vor allem Gesellschaften wünschen sich das; der Anlegerverband lehnt dagegen ab.

"Technisch unproblematisch"

"Mittlerweile haben wir viel Erfahrung mit digitalen Versammlungen", sagt Notarsubstitutin Maria Thierrichter. Zentraler Vorteil sei, dass Gesellschafter ortsunabhängig an den Versammlungen teilnehmen können. Vor allem kleinere Generalversammlungen seien "technisch unproblematisch".

Auch große Hauptversammlungen funktionieren laut Thierrichter mittlerweile gut. Aktionärinnen und Aktionäre nehmen dabei virtuell an der Versammlung teil. Ihr Stimmrecht üben sie durch Vertreter aus, die vor Ort sind, ihr Fragerecht durch Nachrichten. Sollten Rechte der Aktionärinnen in Online-Versammlungen beschnitten werden, können sie Beschlüsse anfechten, sagt Thierrichter.

Verschobene Machtbalance

Vor allem große Online-Hauptversammlungen sieht Florian Beckermann, Vorstand des Interessenverbands für Anleger, aber problematisch: Aktionäre können sich zwar vertreten lassen, in den meisten Fällen aber nicht mehr spontan in die Diskussion eingreifen. "Die Generaldebatte, das Hinterfragen, das Kontrollieren, all das geht verloren", sagt Beckermann.

Dadurch verschiebe sich die Machtbalance in Richtung der großen Anleger, die eigene Informationsquellen haben und nicht auf das Fragerecht in der Hauptversammlung angewiesen sind. Auch die Möglichkeit eines direkten Austauschs untereinander oder mit dem Vorstand gehe verloren.

Aus Sicht von Thierrichter sollte der Gesetzgeber jedenfalls so rasch wie möglich eine Entscheidung treffen. Schließlich müssen Versammlungen mit zeitlichem Abstand einberufen werden. "Gesellschaften brauchen dringend Klarheit." (Jakob Pflügl, 11.4.2022)