Marco Di Sapia gibt Arnold Schönberg Stimme und Statur. Lauren Urquhart ist ein "Girl".

Foto: Barbara Pálffy/Volksoper Wien

Eine Million Dollar, das wäre heutzutage eine Gage, bei der man sich über Kokolores wie Inflation kurz keine Sorgen machen müsste. Mitte der 1930er-Jahre forderte Arnold Schönberg von Irving Thalberg 50.000 Dollar für die Musik zur Verfilmung des Romans The Good Earth von Pearl S. Buck sowie die Kontrolle über den Soundtrack. Die 50.000 Dollar von damals entsprächen heute einer guten Million.

Schönberg, seit 1934 in Los Angeles ansässig, bekam das Geld und den Job nicht, der legendäre MGM-Produzent fand devotere Hilfskräfte. Der Komponist Tod Machover indes fand mit der Anekdote über die Kollision von Alter und Neuer Welt, von Kunst und Kommerz Jahrzehnte später einen Aufhänger für seine 2018 uraufgeführte Oper Schoenberg in Hollywood.

Von Banklehre bis Heirat

Der Titel ist irreführend: Nach einer Darstellung des Treffens (das übrigens auf Vorschlag von Harpo Marx stattfand!) entrollt sich nämlich ein retrospektiver Schnelldurchlauf des Lebens des musikalischen Revolutionärs. "Schönberg in 90 Minuten" müsste die Kammeroper eigentlich heißen: Man erfährt von der Banklehre, der Heirat mit Mathilde und deren Affäre mit dem Maler Richard Gerstl, der Konvertierung zum Protestantismus. Alban Berg, Anton von Webern und Gustav Mahler treten auch kurz auf.

Des Weiteren flicht Regisseurin Helen Malkowsky Zitate aus Briefen und Notizen von Schönberg und dessen Umfeld in Simon Robsons Libretto ein, welches auch plakative Vergleiche nicht scheut (wenn etwa Tonalität mit Treue verglichen wird).

Trotz der chronologischen Nachzeichnung von Schönbergs Vita verliert man auf der Bühne fast den Überblick. Zum einen gibt es nämlich zwei Schönbergs, einen singenden (Marco Di Sapia) und einen sprechenden (Christian Graf), zum anderen sind da noch Jeffrey Treganza und Lauren Urquhart, die alle anderen singend darstellen. Di Sapia leiht Schönberg neben seinem eleganten Bariton auch sein volles Haar, sein Gardemaß und seine Mads-Mikkelsen-Optik – das würde dem Komponisten sicherlich charmieren.

Knifflige Partitur

Malkowsky hat das Stück im Kasino am Schwarzenbergplatz vor bröckelnden Hollywood-Buchstaben (Bühne: Sophie Lux) und eher retro (Kostüme: Anna-Sophie Lienbacher) in Szene gesetzt. Die Musik von Machover hat rhythmische Prägnanz, ist abwechslungsreich und agil – und meistens atonal, aber das ist bei diesem Thema Ehrensache. Eine 15-köpfige Abordnung des Volksopernorchesters meistert die knifflige Partitur unter der kundigen Führung von Gerrit Prießnitz.

Machover (geb. 1953) hat übrigens nicht nur familiäre Beziehungen zum Kosmos Schönbergs – seine Mutter studierte bei Eduard Steuermann, dem Schönberg-Schüler und Uraufführungspianisten von dessen Klavierkonzert –, er ist auch ein Spezialist auf dem Gebiet der elektronischen Musik: Mit Mitte 20 holte ihn Pierre Boulez nach Paris ans IRCAM. Es gibt also auch vorproduzierte elektronische Klangbeigaben sowie das eine oder andere Zitat. Premierenjubel für die europäische Erstaufführung. (Stefan Ender, 10.4.2022)