2G in Wiens Gastronomie, zwei Meinungen.
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PRO: Diskriminierung muss enden

Der Staat kann und darf in Krisensituationen in die Freiheitsrechte seiner Bürger eingreifen. Aber die Maßnahmen müssen effektiv, verhältnismäßig und das gelindestmögliche Mittel sein. All das trifft auf die 2G-Regel in Wien, wonach nur Geimpfte und Genesene in Restaurants und Kaffeehäuser dürfen, längst nicht mehr zu.

So gibt es aktuell keine Prognose, nach der es auf absehbare Zeit zu einer Überlastung des Gesundheitssystems kommt. Die Spitalszahlen sinken. Grundrechte auf vage Vermutungen hin einzuschränken, weil im Herbst eine schlimmere Variante kommen könnte, geht in einem Rechtsstaat nicht: Evidenz für geltende Maßnahmen muss aktuell vorliegen.

Dazu kommt, dass 2G kein effektives Mittel ist. Nicht für die Impfkampagne: Die ist auch in Wien zum Erliegen gekommen. Nicht zur Verhinderung schwerer Fälle: Jungen Menschen ab 16 wird hier der Zutritt verwehrt, obwohl sie sehr selten schwer erkranken. Für die Virologin Dorothee von Laer macht die Unterscheidung von Geimpften und Ungeimpften zudem keinen Sinn, weil der Unterschied bei der Infektionshäufigkeit stark geschrumpft ist. Aktuell haben Geimpfte zwischen 18 und 59 eine Inzidenz von 4470, Ungeimpfte eine von 5590. Dazu kommt, dass in Wien Menschen ausgesperrt werden, obwohl sie sich seltener anstecken als Geimpfte: Das sind jene, deren immunologische Ereignisse länger zurückliegen, sodass sie keinen grünen Pass mehr haben. 2G muss enden. (András Szigetvari, 11.4.2022)

KONTRA: Endlich langfristig denken

Corona wird nicht mehr verschwinden, so viel ist klar. Man bräuchte, sollte, müsste Maßnahmen wie 2G daher ohnehin nicht mehr aufrechterhalten, finden manche. Diese Resignation ist gefährlich für uns alle.

Infektionen sollten weiter bestmöglich verhindert werden. Nicht nur, weil jede Vermehrung für das Virus eine Möglichkeit zur Mutation ist, sondern auch, weil die kritische Infrastruktur nach wie vor geschützt werden muss und man zu wenig über die Langzeitfolgen weiß. Auch wenn Long-Covid-Betroffene als solche behandelt werden: Das sind keine Einzelschicksale, sondern auch die Folge gesundheitspolitischer Fehlentscheidungen. Das Aus für 2G wäre die nächste.

Schließlich sind es Ungeimpfte, die im Fall einer Infektion eher in Krankenhäusern landen. Ja, auch Geimpfte und Genesene können sich anstecken und das Virus weitergeben, weil bei den meisten die Impfung zu weit zurückliegt. Über die unmittelbaren epidemiologischen Vorteile von 2G lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt also diskutieren – nicht aber, wenn man die Regelung als Impfanreiz mit Blick auf den Herbst denkt.

Das mag ungewohnt sein, schließlich war die Corona-Politik bisher kaum von langfristigem Denken geprägt. Umso wichtiger ist es, jetzt an 2G festzuhalten oder, noch besser, es durch eine Testpflicht auszuweiten. Denn für die Herbstwelle – und die wird unweigerlich kommen – brauchen wir viele Geimpfte. 2G jetzt abzuschaffen sendet das falsche Signal. (Magdalena Pötsch, 11.4.2022)