Licht und Schatten in Macrons (erster) Amtszeit.
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Was gelungen ist...

Vor fünf Jahren trat Emmanuel Macron als junger, dynamischer und sehr fordernder Kandidat an. In seinem Programm hatte er ein lange Liste von Versprechen. An diesen musste er sich nun im Wahlkampf messen lassen. Immerhin war er in einigen Bereichen erfolgreich.

Die Arbeitslosigkeit ist seit 2017 von knapp zehn auf 7,4 Prozent zurückgegangen. Die Jugendarbeitslosigkeit sank sogar um ein Viertel auf 16 Prozent. Zu verdanken hatte dies Macron teils den Reformen seiner Vorgänger. Er selbst flexibilisierte den Arbeitsmarkt, indem er Einstellungen und Kündigungen erleichterte. Corona-Hilfspakete drückten die Arbeitslosigkeit allerdings auch künstlich. Die Staatsschulden schnellten dafür auf 115 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) hoch.

Frankreich hat die Pandemie relativ gut überstanden. Macron reagierte zum Schluss je nach Krisenverlauf flexibel. Damit machte er die schweren Patzer der Anfangszeit vergessen: Weil die Regierung nicht über genügend Masken verfügte, behauptete sie zuerst wider besseres Wissen, sie nützten nichts. Dass Macron von "Krieg" sprach, kam auch schlecht an. An der politischen Front verhielt er sich dann aber eher geschickt, sodass die Impfgegner weniger Echo fanden als etwa in Deutschland und Österreich.

Macron schaltete politische Gegner weitgehend aus. Geschickt lockte er prominente Konservative und Sozialisten in sein Mitte-Lager. In Wahlkampfumfragen fielen die Altparteien auf unter zehn Prozent. Das ist nicht allein Macrons Werk, doch hat er es vollendet: Er hat den traditionellen Links-rechts-Gegensatz in Frankreich gesprengt und seine Bewegung En Marche als dominante Kraft dazwischen etabliert.

Die Stellung Frankreichs in der EU wurde gestärkt, dies geht aber nicht nur auf Macrons Konto: Mit dem britischen Auszug bleibt Frankreich in der EU die einzige Nuklearmacht und das einzige permanente Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Macron rang der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zudem erstmals eine kollektive Schuldenaufnahme ab, um den Anti-Covid-Fonds der EU zu finanzieren. Diesen europapolitischen Dammbruch will Macron nun fortsetzen, obwohl Berlin skeptisch ist.

Was nicht funktioniert hat ...

Wie jeder Politiker, wie jede Politikerin an der Macht, so musste auch Emmanuel Macron viel schuldig bleiben – vor allem bei Projekten, die nicht planbar oder vorhersehbar waren.

Die Rentenreform brachte Macron nicht durch. Sein wichtigstes Wahlversprechen von 2017 scheiterte an einer breiten Protestfront. Macron wartete zu lange, um diese äußerst brisante Reform anzugehen; am Ende konnte er froh sein, dass ihm die Covid-Krise eine Ausrede bot, das inhaltlich komplizierte und überfrachtete Projekt zu suspendieren. Im Wahlkampf erklärte Macron, der Einfachheit halber wolle er in einer zweiten Amtszeit nur noch das Rentenalter von 62 auf 65 erhöhen.

Schlimm geriet Macron wegen der Gelbwesten-Proteste in die Defensive. Gegen die monatelangen Krawalle war er machtlos. Auch verkannte er das soziale Phänomen der verarmten Arbeiterschichten. Die "gilets jaunes" durchkreuzten Macrons Reformpläne und verschafften Populisten wie Marine Le Pen oder Jean-Luc Mélenchon Auftrieb. Macron präsentierte sich als Bollwerk gegen diese "Systemgegner" – doch damit spaltete er die Franzosen eher, als sie zu versöhnen.

Macron schaffte es in zahlreichen Telefonaten nicht, Russlands Präsident Wladimir Putin von der Invasion in die Ukraine abzubringen. Seit dem Massaker von Butscha mehrt sich die Kritik an Macrons Credo, "mit allen zu reden". Im Wahlkampf kritisierten seine Gegner, dass er sich gegenüber dem russischen Präsidenten widersprüchlich verhalte: Man könne nicht mit einem Kriegstreiber wie Putin diskutieren und zugleich – was Frankreich tut – Waffen an die ukrainische Armee liefern.

Die französische "Operation Barkhane" in Westafrika ist militärisch wie politisch gescheitert. Die Jihadisten bleiben im zentralen Sahelstaat Mali aktiv. Das neue Putschregime in der malischen Hauptstadt Bamako hat die 5000 französischen Barkhane-Soldaten zum Verlassen des Landes aufgefordert und stattdessen russische Söldner zu Hilfe gerufen. Frankreichs "geostrategischer Hinterhof", wie Pariser Diplomaten die französischen Ex-Kolonien in Westafrika nennen, wird zunehmend zu einer Chaos-Zone. (Stefan Brändle, 11.4.2022)