MG war eine britische Automarke, wie eine Automarke nur britisch sein konnte – mit einer langen Tradition, zurückreichend bis 1923. Die goldenen Jahre begannen nach dem Krieg, die Modelle waren in der Regel auf der sportlichen Seite, es gab viele Cabrios, aber nicht nur, sie waren leichtfüßig und oft auch leistbar. Das sind beliebte und gerne gefahrene Sammlerstücke bis heute.

Ein Auto wie Hulk. Oder für Hulk? Die geschlossene Front bei Elektrofahrzeugen ist noch gewöhnungsbedürftig. Der Marvel R, der unter der Marke MG antritt, legt auf dezentes Auftreten weniger Wert.
Foto: Stockinger

Und heute ist MG längst chinesisch und hat mit MG der frühen Jahren gar nichts gemein. 1994 hatte BMW die Rover Group gekauft, später wieder abgestoßen. Nach einem Konkurs und der Auflösung von Rover wurden die Markenrechte nach China verkauft, der aktuelle Eigentümer ist SAIC Motor. Und so sitzen wir heute in einem MG aus China, das ist der Lauf der Geschichte. Der Marvel R wird übrigens nur in Europa unter den Namen MG vermarktet, in China nennt sich die Marke Roewe, aber wen kümmert‘s.

Sehr veganes Leder

Der MG ist also ein chinesisches Auto, und Vorurteile gibt es, man kann sie aber auch hinterfragen. Die Fakten: Der Marvel R ist ein reines Elektroauto. Die Preise für das günstigste Modell in der Basisausstattung beginnen bei 44.000 Euro, das gehobene Modell mit Allradantrieb, mehr Leistung, aber auch weniger Reichweite ist ab 53.000 Euro zu haben. Die Reichweite variiert zwischen 370 und 402 Kilometer, die Angaben geben jene auf Papier wieder.

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Die maximale Höchstleistung liegt bei 288 PS, das maximale Drehmoment bei 665 Newtonmeter, da geht also schon etwas weiter. Der Sprint von 0 auf 50 km/h kann in 1,8 Sekunden gelingen, jener von 0 auf 100 in nur 4,9 Sekunden – in der Performance-Variante. Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 200 km/h angegeben, wir haben das aus guten Gründen nicht überprüft. Vom Antrieb her werden zwei Varianten angeboten: einmal Allradantrieb mit drei Elektromotoren, einer an der Vorderachse und zwei an der Hinterachse. Oder Heckantrieb mit zwei Elektromotoren an der Achse.

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Das Auto ist insgesamt sehr frisch, seit Februar 2021 wird der Marvel in China verkauft, seit Oktober vergangenen Jahres auch in Europa. Es ist, wenig überraschend, ein SUV, angesiedelt nicht im Billig-Segment, der Anspruch ist es, das kaufkräftigere Publikum zu erreichen, das auch gewisse Erwartungen in Sachen Luxus hat. Auf den ersten Blick findet sich viel Leder im Fahrzeug, auf den zweiten Blick oder beim Hingreifen stellt man fest, dass das sehr vegan ist, dieses Leder hat kein Tier gesehen. Es ist ein Kunstleder, mit dem der Innenraum überzogen ist, lediglich die Sitze gibt es in der besseren Ausstattungsstufe auch in echtem Teilleder. Aber ganz ehrlich: Der Innenraum schaut nicht schlecht aus, fühlt sich gut an, da merkt man schon das Bemühen, etwas Anspruchsvolles hinzustellen.

Entwicklung gemeinsam mit Huawei

So, und jetzt kann man natürlich diskutieren oder auch streiten: Ähnlich wie beim Tesla, der hier zweifellos als Vorbild gedient hat, wird das Cockpit von einem großen, mittig angebrachten Bildschirm dominiert, über den alle zentralen Funktionen des Wagens zu bedienen sind. Die 19,4-Zoll-Touchscreen-Konsole selbst ist zwar recht übersichtlich, liegt aber außerhalb des Gesichtsfelds der Fahrerin, wenn diese auf die Straße schaut. Dieses Problem kennen wir auch von Tesla, und die Kundinnen und Kunden scheint das nicht zu stören. Zur Bedienung muss man seinen Blick doch deutlich von der vorderen Aussicht nach rechts unten lenken.

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Das Hightech-Design ist eine Ansage. Der Marvel wurde gemeinsam mit Huawei entwickelt und ist das erste in Serie produzierte Fahrzeug, für das die 5G-Mobilfunktechnik verfügbar ist. Außerdem kann der Wagen über Mobilfunk und WLAN mit seiner Umgebung Daten austauschen. Und er kann über das Smartphone bedient werden – aber noch nicht gefahren werden, das kommt später einmal.

Jetzt stellt sich die Frage, warum der Marvel so heißt. Keine Ahnung, aber die Namensgleichheit mit dem amerikanischen Comics-Verlag, der auf Superhelden spezialisiert ist, wird kein Zufall sein. Spider-Man? Daredevil? Oder gar Hulk? (Michael Völker, 19.4.2022)