Unter anderem behaupten Verschwörungserzähler, dass Bill Gates für die Pandemie mitverantwortlich sei.

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Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie wurde die Gesellschaft von einem Tag auf den anderen mit medizinischen Notständen und Einschränkungen konfrontiert. Eine Ausnahmesituation, die sich Verschwörungsideologen im Handumdrehen zunutze machten, um ihren Agenden eine höhere Reichweite zu verleihen. Schon im Frühjahr 2020 begannen die Demonstrationen gegen Regierungsmaßnahmen in Österreich, Deutschland und auf der ganzen Welt. Nun zeigt eine Studie von Forschenden der australischen Macquarie University: Verschwörungserzählungen im Netz haben in den letzten zwei Jahren zugenommen – eine Tatsache, die vor allem rechtsextremen Gruppierungen zugutekam.

Einige der Narrative sind bekannt: Die Pandemie sei nicht echt, sondern eine "Plandemie", in die unter anderem Microsoft-Gründer Bill Gates involviert sei, hieß es zum Beispiel schnell. Schon früh, berichtet der australische TV-Sender ABC News, sei ein Video auf sozialen Medien aufgetaucht, das mit ebensolchen Behauptungen Millionen Klicks generierte. Zwar sei dieses mittlerweile verschwunden, die zugrundeliegende Verschwörungserzählung aber weiterhin stark verbreitet.

Weite Verbreitung

Dieser Ansicht sind auch die australischen Studienautorinnen, die einen "statistisch signifikanten" Anstieg von Verschwörungsmythen auf sozialen Medien sehen. Grund zur Sorge bereite diese Entwicklung auch deshalb, weil sie Rechtsextremisten eine größere Auswahl möglicher Rekruten bescheren würde.

Für ihre Untersuchung haben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter im Zeitraum zwischen Jänner 2019 und Jänner 2021 etwa 5,5 Millionen Tweets und mehr als 13 Millionen Youtube-Kommentare untersucht. Damit sollte laut ABC News herausgefunden werden, wie die verschwörungsideologischen Randgruppen die öffentliche Diskussion beeinflussen.

"Wir haben viele Verschwörungen rund um QAnon gesehen. Wir sahen Verschwörungen um Bill Gates und [George] Soros [und] die 5G-Netze", sagt die Forscherin Lise Waldek gegenüber dem TV-Sender. Aber nicht nur das: Ebenso präsent seien antiasiatische Verschwörungserzählungen und die Behauptung gewesen, dass eine versteckte Elite die Weltherrschaft übernehmen wolle. Während des Untersuchungszeitraums sollen Begriffe, die mit diesen Mythen in Verbindung stehen immer häufiger im Internet aufgetaucht sein.

Starke Verschwörungsmentalität

Neu sind diese Erzählungen nicht. Gerade im deutschsprachigen Raum sei die Verschwörungsmentalität sehr stark ausgeprägt, erklärte Sozialpsychologe Roland Imhoff Ende letzten Jahres im STANDARD-Interview. Verschwörungsideologen greifen stets die aktuellen Themen auf, zugrunde liege laut ihm jedoch eine "von den Ereignissen unabhängige Empfänglichkeit dafür, die Welt als eine von wenigen Mächtigen gesteuerte Scharade wahrzunehmen". Heißt: Dieselben Personen, "die glauben, dass 9/11 ein 'Inside Job' war, glauben auch, dass Covid nicht existiert und Lady Diana vom britischen Geheimdienst umgebracht wurde".

Das bestätigen auch die australischen Forschenden. Problematisch sei jedoch, dass manche der geglaubten Erzählungen "viel stärker mit Bewegungen verbunden" seien, "die offen gegen die Demokratie sind, die offen gegen die Regierung sind", sagt Waldek im Gespräch mit ABC News. Deshalb habe der steigende gesellschaftliche Einfluss auch Vorteile für rechtsextreme Gruppierungen mit sich gebracht.

So zeigten die Untersuchungsergebnisse, dass rechtsextreme Akteure beliebte Verschwörungsmythen in ihre eigenen Social-Media-Beiträge einbauten, um rassistische Agenden zu kommunizieren. Ein Beispiel sei laut den Berichterstattern ein Telegram-Posting, in dem Covid-19 als Biowaffe bezeichnet wurde, "die in einem Labor entwickelt wurde, um die Fruchtbarkeit zu schädigen" und "weiße Menschen" zu vernichten. Rechtsextreme hätten es also geschafft, ihre Hassrede mit einer gesellschaftlichen Krise zu verknüpfen – und somit ihre Propaganda auf eine Linie mit Mainstream-Meinungen gebracht, werden die Forscherinnen im Bericht zitiert.

Bekannte Narrative, neues Publikum

Wie schnell die wichtigsten Narrative ausgetauscht werden können – und dass viele der scheinbar neu aufgegriffenen Themen eigentlich schon länger Teil des Verschwörungsmilieus sind –, zeigt sich auch seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Es dauerte nicht lange, bis auf Corona-Demonstrationen in Österreich und Deutschland Russland-Fahnen wehten und Desinformation des Kreml gestreut wurde (DER STANDARD berichtete). Ein ähnliches Bild zeigt sich auch auf sozialen Medien, vor allem auf Telegram, wo beliebte Akteure von Covid-19 auf den Ukraine-Krieg umschwenkten und damit begannen, Putins Aggression zu verteidigen.

Die prorussische Einstellung des Milieus ist allerdings keinesfalls neu – ebenso wenig wie die Tendenz der Verschwörungsszene, rechtsextremen Akteuren eine Bühne zu bieten. Schon während der Mahnwachen für den Frieden im Jahr 2014 traten bekannte Szenevertreter prorussisch und gegen den Westen auf. Viele von ihnen sind noch immer aktiv. Unterstützt wurde die Bewegung – die schnell als antisemitisch kritisiert wurde – schon damals von RT DE und rechtsextremen Magazinen. Neu ist seit der Pandemie also das größere Publikum, nicht aber die Behauptungen. (mick, 11.4.2022)