Sidse Babett Knudsen muss als Birgitte Nyborg wieder schwierige Entscheidungen treffen.

Foto: Mike Kollöffel / Netflix

Es ist schon jetzt das TV-Comeback des Jahres. Zehn Jahre nach der letzten Folge von "Borgen" kommt die vielgelobte dänische Politserie zurück. Netflix hat die Rechte erworben und zeigt die neuen Folgen ab Freitag in Schweden, Dänemark, Norwegen, Finnland und Island. In Österreich wird die Serie voraussichtlich erst ab Juni abrufbar sein.* Mit an Bord sind viele der Charaktere von damals, allen voran Birgitte Nyborg (Sidse Babett Knudsen). Die ehemalige Premierministerin vertritt in der vierten Staffel als Außenministerin die dänischen Staatsinteressen. Es geht um die Ausbeutung von Ölvorräten in Grönland – realpolitisch seit Jahren ein schwelender Konflikt zwischen dem Königreich und dem autonomen Territorium. In der Serie eskaliert dieser Konflikt und führt zu unpopulären und folgenschweren Entscheidungen.

Wer das Zusammenspiel zwischen Politik und Lobbyismus in Europa verstehen will, wer sehen will, welche Ränke politischen Entscheidungsprozessen vorangehen, welche Bedeutung Medien dabei spielen – und wie sich das im Privatleben von Politikerinnen und Politikern auswirkt, für den ist die Serie Pflichtprogramm.

"Borgen" erzählte von 2010 bis 2012 die Geschichte vom Kampf um politische Macht und von den persönlichen Opfer der Nyborg und den weiteren Menschen in deren politischem Umfeld. Ein weiterer großer Erzählstrang betraf Schicksale und Geschichten von TV-Nachrichtenjournalisten.

Adam Price schrieb wieder das Drehbuch

Dass es in dieser erzählerischen Stärke weitergeht, dafür sorgt der Drehbuchautor Adam Price, der auch die neuen Folgen geschrieben hat und sich vom ehemaligen Außenminister Martin Lidegaard beraten ließ. Lidegaard hatte das Amt von 2014 bis 2015 inne und ist Abgeordneter der Radikale, jener Partei, die den Moderaten am ähnlichsten ist. Das ist die Partei, die Birgitte Nyborg in der ersten und zweiten Staffel als Premierministerin vertritt.

Das Genre Politserien hat zuletzt im Wust von Dystopie und Comedy etwas gelitten. Nun gibt es wieder starke Lebenszeichen:

"The Lesson"

Im Mittelpunkt des israelischen Dramas steht ein Streit zwischen einem Lehrer und einem 17-jährigen Schüler, der in sozialen Medien ausgetragen wird und darüber außer Kontrolle gerät. Episodenware von dort ist seit Jahren Ideengeber für internationale Produktionen, gut möglich also, dass "The Lesson" bald von anderen Ländern aufgegriffen wird

"We Own This City"

Nach einem Abstecher nach New Orleans für "Treme" und nach New York für "The Deuce" kehrt der Schöpfer von "The Wire", David Simon, nach Baltimore zurück. Im Mittelpunkt stehen skandalumwitterte Cops einer Eliteeinheit, deren Aufgabe es ist, Waffen und Gangs von den Straßenecken zu entfernen. Wer "The Wire" kennt, weiß, dass es dabei im Hintergrund immer auch um Kommunalpolitik geht.

"The Sceptred Isle"

Michael Winterbottoms Pandemie-Drama mit Kenneth Branagh als Premierminister Boris Johnson.

"The Inside Game"

Ein französisches Politdrama mit der Insider-Atmosphäre von "Borgen". Es geht um die schmutzigen Geschäfte im Landwirtschaftsministerium. Die Serie stammt renommierten Dokumentarfilmer Jean-Xavier de Lestrade ("The Staircase", "Murder on a Sunday Morning").

Ebenso aufhorchen lässt die dänische Serienschmiede, um die es zuletzt etwas stiller geworden ist. In "The Dreamer – Becoming Karen Blixen" folgt "Wonder Woman"-Darstellerin Connie NIelsen dem Leben der Schriftstellerin in der Zeit, als sie nach Dänemark zurückkehrte und mittellos, krank und geschieden darum kämpfte, sich als Künstlerin zu etablieren. Lars von Trier setzt seine legendäre "Geister-Serie nach 25 Jahren Pause fort.

Politik als Vorbild

Doch zurück zu "Borgen". Die Serie zeigt Politik in seiner Gesamtheit: Es geht um Demokratie und um Menschen, deren Beziehungen zwischen Arbeit und Privatleben. Es geht um Journalismus, Frauenbilder, Werte, Vereinbarkeiten. Es geht um politische Entscheidungen, die aufgrund von vernünftiger Abwägung von Kräfteverhältnissen getroffen und nicht ausschließlich aufgrund populistischer Motive gefällt werden. Das führt nicht immer zu idealen Ergebnissen, speziell die vierte Staffel dürfte davon einiges erzählen. Und trotzdem könnten Politiker von "Borgen" lernen, zum Beispiel, dass Ehrgeiz und Machtwille Ehrlichkeit und Überzeugung einander nicht ausschließen. (Doris Priesching, 14.4.2022)

*Erratum: In der ersten Version war der Start für 15.4. angekündigt. Für die Dänemark, Schweden, Finnland und Island stimmt das. Der Rest der Welt muss bis Juni warten. Wir bedauern die Unschärfe der Angaben.