Verteidiger Christopher Dibon genießt jede Sekunde auf dem Fußballplatz und blickt neugierig in die Zukunft.

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Christopher Dibon hat "sehr gut geschlafen". Am Montag hat er aktiv regeneriert, er schaute kurz im Trainingszentrum im Happel-Stadion vorbei. Rund 20 Stunden davor hatte Rapids Trainer Ferdinand Feldhofer nach dem 2:1-Heimsieg gegen den WAC von "Gänsehaut pur" gesprochen. Und von einem der emotionalsten Momente seiner Karriere. Der 42-jährige Feldhofer schaute dabei den 31-jährigen Dibon an. "Diese Mentalität, immer wieder aufzustehen, Rückschläge wegzustecken, zeichnet ihn aus. Er war eine Säule für die jungen Spieler, das hat mich beeindruckt."

Dibon hat also gut geschlafen. Der Innenverteidiger ließ die Partie in Gedanken mehrmals Revue passieren, hörte quasi den Applaus der 16.200 Fans im Traum. Er hatte sich daran gewöhnt, über seine Verletzungen zu sprechen. Sofern sich jemand dafür interessiert hat. Das sei nicht immer einfache gewesen, sagt er dem STANDARD. Am 10. April 2022 hat er 96 Minuten lang durchgehalten und abgeräumt. "Ein besonders Erlebnis", sagt er. Sein letztes Bundesligaspiel hatte er am 3. Juni 2020 bestritten. Bereits in der Anfangsphase ist er ausgeschieden, Totalschaden im Knie.

Dicker Ordner

Seine Akte füllt dicke Ordner, Dibon selbst scheitert beim Versuch, alle Wunden aufzuzählen. Der Mensch verdrängt, Google schafft Klarheit. Eine unvollständige Aufzählung, beginnend im Februar 2012: Wadenbeinbruch, diverse Muskelfaserrisse, Adduktorenzerrungen, Leistenoperation, Gehirnerschütterungen, Jochbeinbruch, fast chronische Hüftschmerzen, Syndesmosebandriss, Seitenbandriss, Kreuzbandriss. Die längste Pause betrug 362 Tage am Stück, gefolgt von 212. Seit 2013 ist Dibon Rapidler, er begann die Karriere bei der Admira, diente kurz Red Bull Salzburg.

Aufgeben, sagt er, sei nie eine Option gewesen. Natürlich habe er gehadert, sich selbst gefragt: "Warum immer ich?" Die Antwort hat er sich selbst gegeben. "Das Leben stellt eben Herausforderungen. Es gibt keinen Grund, beleidigt zu sein." Es bedurfte eines langen Prozesses, "um damit umzugehen und klarzukommen. Es spielt sich im Kopf ab. Ich habe im Lauf der Jahre meine Verbissenheit abgelegt. Es gibt nicht nur den Fußballer Dibon, sondern auch den Menschen Dibon. Das ist eine Erkenntnis, die niemals abgeschlossen ist." Der Mensch Dibon ist vor zehn Monaten Vater einer Tochter geworden. "Wunderbar, man wird gelassener, souveräner."

Dibon ist immer ein Führungsspieler gewesen. Auch wenn er nicht gespielt und die Zeit vornehmlich in der Reha verbracht hat. Dibon wird in der Kabine gehört. Sein Comeback wurde behutsam vorbereitet, mit Kurzeinsätzen bei den Rapid Amateuren in der Zweiten Liga. Aus den Kurzeinsätzen wurden Langeinsätze. "Ich bekam das Vertrauen in meinen Köper zurück. Es wurde immer besser. Ich muss vielen Leuten Danke sagen."

Völlig egal

Dibon hat ein Länderspiel bestritten. Dabei bleibt es. Am 7. Juni 2011 nominierte ihn der damalige Teamchef Didi Constantini für den Test gegen Lettland. Österreich siegte 3:1, Dibon köpfelte den Ausgleich. "Ein Spiel, ein Tor, so eine Bilanz können nicht viele aufweisen." Es sei müßig, darüber zu diskutieren, wohin die Reise hätte führen können. "Ich bin dankbar für alles." Sein Marktwert wird derzeit mit bescheidenen 150.000 Euro angegeben. "Das ist mir absolut blunzen."

Angst vor weiteren Verletzungen habe er keine. "Angst ist ein schlechter Ratgeber, ich lasse mich nicht deppert machen." Er habe sich das Kindliche bewahrt. "Als ich als Bub im Hof gekickt habe, habe ich auch nicht daran gedacht, was alles passieren kann." Fußball ist für ihn ein Genussprojekt geworden. "Jedes Training ist eine Freude, ich habe zu einer Leichtigkeit gefunden. Ich denke nicht von Tag zu Tag, sondern von Sekunde zu Sekunde."

Traumberuf

Dibon ist erst 31. Sein Vertrag bei Rapid endet im Sommer, eine Verlängerung ist wahrscheinlich. "Ich weiß, was ich an dem Klub habe, es war immer eine gegenseitige Wertschätzung vorhanden. Ich bin neugierig, was noch alles kommt." Der Zustand der Welt, der Krieg in der Ukraine, die Pandemie, der Klimawandel "all das ist bedenklich. Ich darf trotzdem meinen Traumberuf ausüben. Mit Unterbrechungen. Das erfüllt mich mit großer Demut."

Er hat also gut geschlafen. Das 2:1 gegen den WAC habe zu seinen wichtigsten Partien gezählt. "Obwohl sich die Wolfsberger ein Unentschieden verdient gehabt hätten. So ehrlich muss man sein. Aber diese Emotionen bleiben." Am Ostersonntag gastiert Rapid beim Tabellenzweiten Sturm Graz. Dibon sagt, er sei bereit. Sofern nichts dazwischenkommt. (Christian Hackl, 11.4.2022)