Auf der Hochebene Hellisheiði im Südwesten Islands arbeitet unter den Dampfwolken des benachbarten Geothermiekraftwerks seit Ende vergangenen Jahres die weltweit größte Anlage zur Speicherung von klimaschädlichem CO2. Mit riesigen Ventilatoren wird dort das klimaschädliche Treibhausgas aus der Luft gefiltert und in den Boden gepresst, wo es versteinert und hoffentlich für Jahrtausende bleibt. Rund 4.000 Tonnen CO2 werden hier jedes Jahr unschädlich gemacht – so viel wie etwa 900 Autos durchschnittlich pro Jahr in die Luft blasen.

Das sind angesichts der Milliarden Tonnen an Treibhausgasen, die jedes Jahr in der Atmosphäre landen, nicht mehr als Erdnusskrümel. Trotzdem ist der Erfolgsdruck für die Schweizer Firma Climeworks, die hinter dem Pilotprojekt steht, groß.

In der Anlage von Climeworks in Island werden jedes Jahr rund 4.000 Tonnen CO2 versteinert.
Foto: Climeworks/Arni Saeberg

Letzter Ausweg?

Die CO2-Speicherung sehen viele als letzten Ausweg, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens doch noch zu erreichen. Auch der vergangene Woche veröffentlichte Bericht des Weltklimarats (IPCC) sieht die Entfernung von Treibhausgasen aus der Luft als "essenziell" an. Dazu zählen die Forschenden zwar auch Aufforstung oder die Wiederherstellung von Feuchtgebieten, aber eben auch technische Lösungen wie die, die in Island ausprobiert wird. Statt Schloten, die zusätzlich CO2 in die Luft blasen, braucht die Welt Staubsauger, die es wieder zurückholen.

Doch derzeit ist Direct Air Capture, wie die Technik in der Fachsprache heißt, noch unfassbar teuer. Auf seiner Website verkauft Climeworks CO2-Zertifikate seiner Anlage in Island zum Apothekerpreis: Rund 1.000 Euro muss man dort pro Tonne gespeichertes CO2 hinblättern. Zum Vergleich: Kraftwerke, Airlines und bestimmte Industriezweige zahlen im europäischen Emissionshandel derzeit rund 80 Euro pro Tonne. Damit der Klimastaubsauger eine ernstzunehmende Option wird, muss er günstiger werden – so viel ist sicher.

Unleistbar teuer

Wilfried Rickels ist zuversichtlich. Er beschäftigt sich am Kieler Institut für Weltwirtschaft mit den ökonomischen Aspekten von CO2-Speicherung. "Als in den 1980er-Jahren Bastler die ersten Solarpaneele zusammengeschraubt haben, war das auch noch sehr teuer", sagt er. Seitdem sind die Kosten für Photovoltaik um mehr als das Hundertfache gesunken. Viele Teile, die man für die Klimastaubsauger braucht, müssen noch per Hand von Expertinnen in Einzelarbeit gefertigt werden. "Würde ein Ingenieur ein Auto bauen lassen, würde es auch 300.000 und nicht 30.000 Euro kosten", sagt Rickels. Sobald die Massenproduktion erst einmal läuft, wird es günstiger.

Die Frage ist nur, um wie viel. Die optimistischsten Studien gehen von rund 100 US-Dollar pro Tonne bis zur Mitte des Jahrhunderts aus. Multipliziert man diesen Preis überschlagsmäßig mit den 34 Milliarden Tonnen CO2, die die Welt derzeit in die Luft bläst und die bis 2050 gänzlich verschwinden müssen, wird das immer noch richtig teuer. Unleistbar teuer.

Der "Klimastaubsauger" bedarf sorgsamen Einsatzes.
Illustration: Fatih Aydogdu

Kein Ersatz für Reduktion

Jede Art von CO2-Speicherung ist deshalb nur eine Ergänzung, aber kein Ersatz für eine konsequente und schnelle Reduktion von Treibhausgasen – das stellt auch der IPCC in seinem aktuellen Bericht klar. Dort findet sich eine Grafik, die illustriert, wie viele Emissionen zu welchem Preis eingespart werden können. Der Gewinner ist Wind- und Solarenergie, die heute in vielen Fällen günstiger ist als neue Kohlekraftwerke zu bauen – hier gibt es viel Einsparung für wenig Geld zu holen. CO2-Speicherung ist dagegen nur ein kleiner – und teurer – Klecks auf der Maßnahmenpalette für eine nachhaltige Zukunft.

"Es wäre sinnlos, irgendwo ein Kohlekraftwerk zu betreiben und das CO2 dann mühevoll am anderen Ende der Welt wieder aus der Luft zu holen", sagt Ökonom Rickels. Sinnvoll ist der CO2-Staubsauger als Ausgleich nur dort, wo sich Emissionen nur schwer reduzieren lassen oder klimafreundliche Alternativen ganz fehlen, etwa bei Flugzeugtreibstoffen, in der Landwirtschaft oder der Zementindustrie.

Damit das auch passiert, müsste man die CO2-Speicherung aber mittelfristig in den EU-Emissionshandel integrieren, sagt Rickels. In Zukunft könnte dann etwa ein Zementwerk seine unvermeidbaren Emissionen über ein Zertifikat von einer CO2-Speicheranlage ausgleichen lassen – oder die Abgase gleich vom eigenen Schlot unter die Erde bringen, was auch günstiger wäre. Im Gegensatz zu Skandinavien, Großbritannien oder den USA sind die Vorbehalte gegenüber CO2-Speicherung allerdings noch groß. In Österreich ist sie sogar verboten.

Die Lösung aller Klimaprobleme bringt die Technologie nicht. Mit der Atmosphäre verhält es sich aber wie mit der eigenen Wohnung: Am besten hält man sie von vornherein sauber – und ist froh, wenn es für den Schmutz, der trotzdem irgendwo entsteht, einen Staubsauger gibt. (Philip Pramer, 12.4.2022)