In einer idealen Welt erhielte jede Person, die ein medizinisches Problem hat, rasch einen Arzttermin. Spezialisierte Medizinerinnen wären ganz in ihrer Nähe. Die Wartezeit auf den Termin wäre angenehm kurz – auch vor Ort im Wartezimmer. Und der Arzt hätte auch ausreichend Zeit für die persönliche Begegnung.

Österreich hat ein solides, gutes Gesundheitssystem. Doch diese Welt existiert hierzulande nur für die, die dafür privat zahlen: Sie können sich Vorteile de facto dazukaufen.

Österreich hat ein solides, gutes Gesundheitssystem. Doch diese Welt existiert hierzulande nur für die, die privat bezahlen.
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Für besondere Leistungen extra zu zahlen ist per se nichts Böses. Oft existiert aber keine Wahlfreiheit: Es gibt Regionen, in denen es Patienten zu Wahlärzten treibt, weil die Basisversorgung fehlt. Wenn es zum Beispiel in einer Kassenordination der nächsten Gynäkologin heißt, man nehme keine neuen Patientinnen auf. Oder es zieht Eltern in die Ordination eines Wahlkinderarztes, weil sie den langen Weg in die nächste Kassenpraxis ihrem kranken Kind nicht zumuten wollen. Oder die Kassenstelle eines Allgemeinarztes in der Region ist seit Jahren vakant. Man könnte diese Liste noch fortsetzen.

Wahlärztinnen und Wahlärzte füllen derzeit in Österreich Lücken, die sich im Kassensystem aufgetan haben. Diese Mängel kamen unter anderem zustande, da Kassenverträge für Mediziner mit Blick auf die Work-Life-Balance, starre Abrechnungssysteme und fehlende Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Kollegen immer unattraktiver wurden. Zugleich lockte das deutlich flexiblere Wahlarztdasein.

Solange das so ist, ist die jüngste Forderung, dass die Kassen nicht mehr Wahlarztrechnungen teilweise refundieren sollen, unberechtigt. Es stimmt: Da Wahlärzte oft deutlich höhere Honorare als nur den Kassentarif verlangen, geht das Geld häufig an Patienten, die sich den Wahlarzt gut leisten können. Aber eben nicht nur – weil oft gar keine Wahl besteht. (Gudrun Springer, 11.4.2022)