Wie das Innenministerium die Asylstatistik kommuniziert, wird von der NGO Asylkoordination kritisiert.

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Wien – Die Zahl der Asylanträge ist im Vorjahr gegenüber 2020 gestiegen. Laut der am Dienstag veröffentlichten endgültigen Asylstatistik gab es 2021 39.930 Ansuchen und damit ein Plus von 170 Prozent. 2020 waren es nämlich 14.775 Asylanträge. Als Hauptgrund für den Anstieg sieht man im Innenministerium die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden strengeren Grenzkontrollen. Die Vorjahreszahlen sind die höchsten seit 2016, als mehr als 42.000 Anträge einliefen. Von 2015, dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle aus Syrien, mit mehr als 88.000 Ansuchen ist man jedoch weit entfernt.

Österreich in absoluten Zahlen an fünfter Stelle

In der sogenannten Pro-Kopf-Belastung lag Österreich gemäß den Daten des Innenministeriums innerhalb der EU auf Platz zwei nach Zypern, in absoluten Zahlen auf Rang fünf hinter Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien.

Die Asylanträge waren erneut stark männlich dominiert. Nur 2.700 Frauen, aber fast 25.300 Männer suchten um Asyl an. Der Rest sind Kinder und Jugendliche, 5.600 davon unbegleitet. 57 Prozent der Flüchtlinge insgesamt fallen in die Gruppe der 18- bis 35-Jährigen.

Syrer vor Afghanen

Gut 12.000-mal wurde voriges Jahr ein positiver Asylbescheid ausgestellt, rund 13.600-mal ein rechtskräftig negativer. Fast 4.300 Fälle erhielten einen positiven Bescheid für subsidiären Schutz. Dazu kamen 3.100 humanitäre Aufenthaltstitel. Offen waren knapp 28.000 Verfahren, entschieden wurden im Vorjahr rund 66.000 Fälle.

Hauptherkunftsland war Syrien mit fast 16.300 Anträgen, relativ deutlich vor Afghanistan mit über 8.700. Platz drei ging an Marokko mit mehr als 1.900. Aus dem nunmehrigen Kriegsland Ukraine gab es nur 91. Von den antragsstarken Nationen die mit Abstand besten Chancen auf Anerkennung haben Syrerinnen und Syrer mit knapp 78 Prozent. Zum Vergleich: Bei Afghaninnen und Afghanen sind es nur 26 Prozent, bei Marokkanerinnen und Marokkanern 0,2 Prozent.

NGO: 70 Prozent der Afghanen bekommen Status

Kritik an dieser Darstellung des Innenministeriums kam von der NGO Asylkoordination Österreich. Ihr Sprecher Lukas Gahleitner-Gertz erläuterte auf Twitter, dass die Zahlen insbesondere über Afghaninnen und Afghanen in den Kontext zu setzen seien. Rechnet man nämlich subsidiären Schutz und Asyl zusammen, so kommt man auf rund 4.000 Schutzgewährungen für Afghaninnen und Afghanen. Zieht man dann von den rund 10.000 Asylanträgen von Afghaninnen und Afghanen noch die rund 3.880 "sonstigen Entscheidungen" ab – unter diesem Titel werden in der Asylstatistik Verfahren geführt die ohne Abschluss beendet wurden, zum Beispiel weil jemand in ein anderes Land weiterreist – so ergibt sich eine Schutzquote bezüglich Afghanistan von über 70 Prozent.

Es sei vom Innenministerium "lebensfern", von nur 26 Prozent Afghaninnen und Afghanen zu sprechen, die Schutz brauchen, sagte Gahleitner-Gertz dem STANDARD.

Neos kritisieren Asylbehörde

Kritik an der Arbeit der Asylbehörden kommt auch von den Neos. Die Abgeordnete und Asyl-Sprecherin Stephanie Krisper kritisiert unter anderem die hohe Aufhebungs- bzw. Abänderungsquote von Entscheidungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) durch die nächsthöhere Instanz, das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Laut Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage hat das Gericht 2021 von insgesamt 26.650 Beschwerden gegen BFA-Entscheidungen 13.040 Bescheide der Asylbehörde aufgehoben oder abgeändert. Bestätigt wurden dagegen 10.300 BFA-Entscheidungen. Einstellungen und Zurückweisungen einberechnet, ergibt das eine Aufhebungs- bzw. Abänderungsquote von 48 Prozent.

"Dass die Fehlerquote des BFA trotz jahrelanger Kritik noch höher wurde, ist unfassbar", sagt Krisper. 2020 waren es noch 45 Prozent Aufhebungen oder Abänderungen, 2019 36 Prozent und 2018 34 Prozent. Kein Bürger würde in einem Verwaltungsverfahren eine derartige Rechtsunsicherheit akzeptieren, meint die Neos-Abgeordnete und sagt weiter: "In Verfahren, in denen es um Leib und Leben gehen kann, ist ein derartiges Willkürelement völlig inakzeptabel." Im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen ist eigentlich vereinbart, dass die Qualität der erstinstanzlichen Entscheidungen im Asylbereich angehoben werden soll. "Passiert ist genau das Gegenteil", kritisiert Krisper.

Das Innenministerium verweist in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung an Krisper darauf, dass Aufhebungen oder Abänderungen aus verschiedenen Gründen erfolgen können. Diese werden aber statistisch nicht erfasst. Ein Grund kann beispielsweise sein, dass sich die Lage im Herkunftsland seit der ersten Asylentscheidung geändert hat. (APA, red, 12.4.2022)