Wien – Der Presserat hat noen.at für die Preisgabe des psychischen Gesundheitszustands einer namentlich genannten Lehrerin gerügt. Mit dem Artikel "Wirbel um Lehrerin an Volksschule: 'Kann nicht mehr'" verstieß die Onlinenachrichtenseite der "NÖN – Niederösterreichische Nachrichten" gegen die Punkte 5 (Intimsphäre) und 6 (Persönlichkeitsschutz) des Ehrenkodex für die österreichische Presse, wie der Senat 2 des Selbstkontrollorgans in einer Aussendung befand.

Die Ende Oktober des Vorjahres veröffentlichte Meldung zitiert ein Schreiben der Volksschullehrerin an die Eltern der Volksschulkinder. Darin hieß es, die Lehrerin habe um Versetzung angesucht, weil sie nicht mehr könne. Sie sei an einem Punkt angekommen, an dem sie ihre eigene Gesundheit, ihr Wohlbefinden und ihre Reputation an erste Stelle stellen müsse.

Ein Leser wandte sich an den Presserat und kritisierte die volle Namensnennung. In der anschließenden Verhandlung wies einer der "NÖN"-Chefredakteure darauf hin, dass in der betroffenen Gemeinde jeder jeden kenne und die Lehrerin selbst den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt habe, indem sie den Eltern den Brief übermittelt habe und dieser anschließend in den sozialen Medien verbreitet worden sei. Zudem habe es vier erfolglose Anrufversuche bei der Lehrerin gegeben.

Besonders schutzwürdig

Menschen mit psychischen Problemen seien aus medienethischer Sicht besonders schutzwürdig, hielt der Presserat fest. Die psychische Gesundheit zähle zum Bereich der Intimsphäre, womit vorliegender Artikel in diese eingegriffen habe. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Lehrerin mit ihrem Brief an die Öffentlichkeit gehen wollte. Die erfolglose Kontaktaufnahme mit ihr hätte dazu veranlassen müssen, auf die genannten Details zum Gesundheitszustand oder zumindest ihre Namensnennung zu verzichten.

Da der Artikel online abrufbar war, erreichte er einen potenziell großen Personenkreis. Naheliegend sei, dass Leserinnen und Leser erst durch den Artikel auf die Probleme der Lehrerin aufmerksam wurden. Diese sei allerdings keine allgemein bekannte Person, womit gegen den Persönlichkeitsschutz verstoßen wurde.

Der Name der Betroffenen ist mittlerweile aus dem Artikel entfernt. Auch berichtete die "NÖN" bereits freiwillig über den Ethikverstoß, wozu sie der Presserat wohl andernfalls aufgerufen hätte. (APA, 12.4.2022)