Teodor Currentzis hat sich mit seinen kontrastreichen Werkinterpretationen viele Fans gemacht.

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Matthias Naske (58) leitet das Wiener Konzerthaus seit Juli 2013.

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"Nie sollst du mich befragen": In den Wochen seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine war es die Parole Lohengrins, mit der Teodor Currentzis auf alle Forderungen nach einem Statement zu diesem Horror reagiert hat. Dabei hat das von dem gebürtigen Griechen gegründete und mittlerweile in Sankt Petersburg beheimatete Orchester musicAeterna mit der russischen VTB Bank einen potenten Sponsor, der auf der Sanktionsliste der EU und der USA steht.

Currentzis und sein Ensemble sind mit ihren außergewöhnlichen, aufrührenden Interpretationen hierzulande nicht nur bei den Salzburger Festspielen ein gern gehörter Gast, auch das Wiener Konzerthaus wurde in den letzten Jahren zu einer Heimstätte, in der Currentzis mit großer Regelmäßigkeit gastierte – auch mit dem deutschen SWR-Orchester, dem er seit 2018 als Chefdirigent vorsteht.

Trotz wiederholter Aufforderungen der Presse und auch der Konzertveranstalter enthielt sich Currentzis bisher jeder Stellungnahme zum Krieg und wollte stattdessen "die Musik sprechen" lassen. Für die Konzerte in Wien am vergangenen Sonntag und Montag wurden zusätzliche ukrainische Musiker in sein Orchester eingebunden. Zusammen wollte man zudem am Dienstag ein Benefizkonzert für Ukraine-Flüchtlinge geben. Die Konzerthausgesellschaft sagte es auf Drängen des ukrainischen Botschafters in Wien jedoch kurzfristig ab, weil dieser eine Involvierung russischer Künstler ablehnte.

Nun deckte auch noch der Musikjournalist Axel Brüggemann auf dem Klassikportal "Crescendo" auf, dass Konzerthaus-Intendant Matthias Naske eine Funktion als Zeichnungsberechtigter in der in Vaduz in Liechtenstein registrierten musicAeterna Foundation innehat. Sowohl Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) als auch Andreas Brandstetter, Kuratoriumsmitglied beziehungsweise Erster Vizepräsident der Konzerthausgesellschaft, sahen laut Brüggemann darin keine Unvereinbarkeit mit Naskes Position als Intendant.

STANDARD: Warum haben Sie trotz aller Bedenken lange an dieser Veranstaltung festgehalten?

Naske: Für das Wiener Konzerthaus stand beim Benefizkonzert die humanitäre Hilfe für die Menschen in der Ukraine und auf der Flucht im Vordergrund. Russische Musiker:innen einem generellen Verdacht zu unterziehen halte ich weiterhin nicht für gerechtfertigt. Denn eine solche Haltung verschließt die Türen zu Musikerinnen und Musiker, die für humanistische Werte einstehen.

STANDARD: Sie kennen Teodor Currentzis schon lange, haben ein Naheverhältnis zu ihm. Warum äußert er sich nicht zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine?

Naske: Ich kenne Teodor Currentzis in der Tat schon längere Zeit. In all den Jahren hat er keinen für mich erkennbaren Anlass gegeben, Zweifel an seiner humanistischen Gesinnung zu hegen. Tatsächlich kämpft er für seine Ensembles in Russland. Jede Äußerung würde in der gegenwärtigen Konstellation in Russland dazu führen, dass er die Mitglieder seiner Ensembles in Sankt Petersburg und auch sich selbst gefährdet. Wir leben in einem Staat mit einem Recht auf freie Meinungsäußerung. In Russland ist das gegenwärtig nicht möglich.

STANDARD: Welche Funktion haben Sie in der musicAeterna Foundation und seit wann haben Sie diese inne? Bekommen Sie für Ihre Tätigkeit ein Honorar?

Naske: Ich mache aus meinen ehrenamtlichen Engagements keine Geheimnisse, daher musste hier nichts aufgedeckt werden. Im Zuge der Loslösung von musicAeterna aus dem organisatorischen Dach des staatlichen Opern- und Balletttheaters in Perm habe ich mich auf Bitte von Teodor Currentzis bei der Entwicklung einer neuen organisatorischen Basis für das Orchester engagiert. Zur Abwicklung von Engagements von musicAeterna außerhalb Russlands wurde eine Stiftung in Liechtenstein gegründet, in der ich Mitglied des Stiftungsrats bin. Ich trage dort keine exekutive Rolle. Ehrenamtliche Engagements sind Bestandteil des Führungsprofils leitender Organe kultureller Institutionen. Gerne lege ich Ihnen offen, dass ich mich unter anderem im Stiftungsrat der in Wien ansässigen Alban-Berg-Stiftung, im Vorstand des Gustav-Mahler-Jugendorchesters oder der Camerata Salzburg engagiere. Zudem bin ich Präsident des Vereins Wien Modern.

STANDARD: Hatte musicAeterna durch Ihre Tätigkeit in der Stiftung Vorteile gegenüber anderen Orchestern?

Naske: Die Welt der Kultur lebt vom Engagement. Sowohl auf den Bühnen als auch in den Organisationen. Es braucht schon eine Menge an bösem Willen, um aus ehrenamtlichen Engagements Abhängigkeiten zu konstruieren. MusicAeterna hatte und hat keine Vorteile vor anderen Orchestern im Wiener Konzerthaus. Die künstlerische Exzellenz eines Ensembles oder Orchesters ist entscheidend für ein Engagement im Wiener Konzerthaus.

STANDARD: Sie waren angeblich am 24. Februar bei der Geburtstagsfeier von Teodor Currentzis in Sankt Petersburg, er wurde 50. Genau an diesem Tag begann der russische Krieg gegen die Ukraine. Wie kann man an so einem Tag feiern?

Naske: Ich wurde am 24. Februar von dem Beginn dieses Krieges genauso überrascht wie die meisten anderen Menschen und erfasste erst in den Tagen danach die Tragweite und Dimension des damit verbundenen Unrechts. (Stefan Ender, 12.4.2022)