In der Kinderheilkunde sank die Zahl der Kassenverträge, zugleich wuchs die Zahl der Wahlärztinnen und Wahlärzte.

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Kassen sollen nichts mehr für Wahlärzte ausgeben. Das ist kurzgefasst die Forderung von Andreas Huss, Vize-Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Er stieß damit eine Debatte über die Zukunft des Wahlarztsystems an. Huss spricht hier zwar nicht im Sinne der gesamten ÖGK, Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) findet die Idee aber diskussionswürdig. Die FPÖ ist da ganz anderer Meinung. Und auch die Ärztekammer wehrt sich vehement dagegen, Wahlärzte zu Privatärzten zu machen. Die Kasse solle nicht "ein funktionierendes System an die Wand fahren", warnte Kammerpräsident Thomas Szekeres. Man solle sich an einen Tisch setzen und die ambulante Versorgung neu denken.

Handlungsbedarf sieht auch der Gesundheitsminister: Einerseits müsse man das Kassensystem attraktivieren, teilte Johannes Rauch (Grüne) dem STANDARD mit. Andererseits seien Wahlärztinnen und Wahlärzte "nicht als Ersatz zur Basisversorgung" einzusetzen, sondern als Zusatzmöglichkeit. Worüber wird hier debattiert? Ein Überblick.

Frage: Wie viele Wahlärztinnen und Wahlärzte gibt es?

Antwort: Es gibt rund 10.000 Wahlärztinnen und Wahlärzte in Österreich, rund 3.000 davon allein in Wien. Diese Zahl ist in der Bundeshauptstadt über zehn Jahre konstant geblieben, allerdings hat sich die Gesamtzahl der Wiener Ärzte mit einem Vertrag der Gesundheitskasse (ehemals Gebietskrankenkasse) seit 2011 um rund 150 Stellen auf 1.591 verringert, wie Zahlen der Ärztekammer zeigen. Die Zahl der Allgemeinmediziner auf Kasse ging bis Ende 2021 – bei steigender Bevölkerungszahl – um fast 100 Stellen auf 713 zurück, im Wahlarztsektor blieb sie bei den Allgemeinmedizinern fast gleich.

Frage: In welchen Fachbereichen gibt es besonders viele Wahlärztinnen und -ärzte, und wie sieht es da mit dem Kassen-Angebot aus?

Antwort: Besonders auffällig sind die Zahlen (im Folgenden alle für Wien) im Fach Kinder- und Jugendheilkunde sowie bei der Gynäkologie: Kinderärzte gab es 2011 noch 91 auf Kasse, 2021 nur noch 71. Im selben Zeitraum wurden es aber um rund 50 Wahlärzte mehr, von denen es nun 210 gibt. Kassengynäkologen waren es vor zehn Jahren noch 110, Ende des Vorjahres 92. Die Zahl der Wahlärztinnen und Wahlärzte der Frauenheilkunde ist mit 373 (plus zehn seit 2011) schon lange sehr hoch. Auch im Fach Dermatologie sank die Zahl der Kassenverträge – nämlich um zehn, Wahlärzte wurden es in dem Zeitraum um 50 mehr (jetzt 266). In Fächern mit konstanter Zahl an Kassenverträgen stieg ebenfalls die Wahlarztdichte: etwa in der Urologie (45 Kassenverträge) mit rund 30 Wahlärzten mehr als noch im Jahr 2011 (141).

Frage: Einen wie großen Anteil an der Patientenversorgung hat das Wahlarztsystem?

Antwort: Das ist nicht so einfach zu beantworten, da ja nicht alle Rechnungen, die eine Wahlärztin oder ein Wahlarzt stellt, bei der ÖGK eingereicht werden. Und: Wahlärzte können auch nur wenige Stunden im Monat offenhalten. Daher korreliert die Zahl der Köpfe nur bedingt mit der Versorgungswirksamkeit dieses Sektors. Was schon mehr Aussagekraft hat, ist der Anteil dessen, was die Kasse für Wahlärzte ausgibt: Ein Rechnungshofbericht vom Herbst 2021 zeigt, dass die Wahlarzthonorare 2008 noch 4,6 Prozent der Gesamtausgaben für Arzthonorare ausmachten, 2018 aber schon 6,4 Prozent. Die Ökonomin Maria M. Hofmarcher hat sich mit privaten Ausgaben für Gesundheit beschäftigt, die sie insgesamt mit sechs Milliarden Euro beziffert. Ihr zufolge geben die Österreicherinnen und Österreicher rund 550 Millionen für Wahlärzte aus, private Ausgaben für Arztbesuche seien seit längerer Zeit "etwas schneller als die Gesundheitsausgaben insgesamt" im Steigen.

Frage: Wie viel darf ein Wahlarzt für eine Behandlung verlangen?

Antwort: Wahlärztinnen und Wahlärzte dürfen ihre Honorare selbst wählen, es gibt keine Höchstgrenze. Wenn in der Honorarnote des Arztes die von ihm erbrachten Leistungen genau aufgeschlüsselt werden, zahlt die Österreichische Gesundheitskasse bis zu 80 Prozent des Betrags, den sie einem Kassenarzt für das Gleiche zahlen würde. Bei anderen Kassen, zum Beispiel KFA, kann der Prozentsatz abweichen. Ein Beispiel für ÖGK-Versicherte: Eine Kassen-Hautärztin erhält rund 18 Euro für eine Muttermalkontrolle. Patienten, die dafür bei einer Wahlärztin waren, können ihre Wahlarztrechnung (zum Beispiel in der Höhe von 100 Euro) bei der ÖGK einreichen, erhalten dann aber nicht 80 Euro, sondern 80 Prozent von den 18 Euro Kassentarif, in dem Fall etwas mehr als 14 Euro. Die Abzüge werden mit dem Verwaltungsaufwand begründet. Vielleicht gibt es zusätzlich noch ein paar kleine Posten retour, etwa vier Euro "fachspezifischer Zuschlag", der maximal einmal im Quartal gezahlt wird. So ergeben sich dann 20 bis 25 Euro Rückzahlung für eine etwa 100 Euro hohe Rechnung. Wer privat zusatzversichert ist, kann den Rest noch bei seiner Zusatzversicherung einreichen.

Frage: Was ist der Unterschied zwischen Wahlärzten und Privatärzten?

Antwort: Die Rechnung einer Privatärztin oder eines Privatarztes ist zur Gänze aus eigener Tasche zu bezahlen. Beim Wahlarztbesuch ist das zwar zunächst auch so, Teile der Kosten werden aber von der Kasse – wie erwähnt – unter Einhaltung bestimmter Kriterien rückerstattet, so man die Rechnung einreicht. Die Kasse zahlt aber nur dann etwas, die Behandlung auf der Rechnung nach Krankenkassenleistungen aufgeschlüsselt wurde. Mediziner, die einen Kassenvertrag haben, können zusätzlich privat Behandlungen anbieten. Diese Honorare werden nicht teilrückerstattet. Besteht ein Kassenvertrag, rechnet der Arzt oder die Ärztin direkt mit der Kasse ab, zum Teil gibt es aber auch da Selbstbehalte.

Frage: Dürfen Wahlärztinnen und Wahlärzte ihre Ordination eröffnen, wo sie wollen?

Antwort: Wahlärztinnen und Wahlärzte können den Sitz ihrer Praxis frei wählen, genauso wie Ordinationszeiten und Leistungsspektrum. Kassenärztinnen und Kassenärzte sind an vertraglich fixierte Auflagen gebunden. Sie müssen eine bestimmte Mindeststundenzahl in der Woche geöffnet haben (in der Regel mindestens 20, je nach Bundesland) und nach ökonomischen Richtlinien Untersuchungen und Medikamente verordnen. (Gudrun Springer, 20.4.2022)