Das geplante Benefizkonzert des Dirigenten Teodor Currentzis und seines Orchesters musicAeterna, das seinen Sitz in Sankt Petersburg hat und von der sanktionsbetroffenen VTB-Bank unterstützt wird, wurde nun abgesagt.
Foto: Anton Zavyalov

PRO: Nicht verstummen lassen

Mit Fortdauer des Krieges werden Bindungen zu Russland gekappt, auch zu Kulturbetrieben. Für ein Orchester wie das in St. Petersburg beheimatete, im deutschen Sprachraum und darüber hinaus etablierte musicAeterna von Teodor Currentzis ist das Dilemma groß. Weil die russische VTB Bank als Hauptsponsor aufscheint, soll es von den Spielplänen getilgt werden. Das darf nicht passieren.

Es ist verständlich, dass in der momentanen Konfliktlage nach "sauberen" Lösungen gerufen wird. Doch wie sauber wäre es wirklich, ein international besetztes Ensemble, das sich für Verbindendes einsetzt und sich jeden Abend allein durch sein Programm von diesem Krieg distanziert, im Westen zum Schweigen zu bringen?

Der Dirigent, durch dessen Namen das Orchester lebt, hat sich zu keiner Zeit als Lobhudler der russischen Führung verdächtig gemacht. Im Gegenteil hat er in seiner Arbeit seit Jahren klar gegen Repression Stellung bezogen (u. a. im Filmprojekt "DAU"), sich für den verfolgten Regisseur Kirill Serebrennikow eingesetzt und sich nun zu einem Benefizkonzert für die Ukraine entschieden. Wer kann an seiner Haltung zweifeln?

Dass sich musicAeterna angesichts der russischen Staatsentwicklung mittelfristig um andere Geldgeber wird bemühen müssen, liegt auf der Hand. Ihm aber jetzt sämtliche Auftritte zu untersagen macht die Wahrscheinlichkeit, in absehbarer Zeit "gute" Mäzene zu finden, noch geringer. (Margarete Affenzeller, 12.4.2022)

KONTRA: Erst für Klarheit sorgen

Die Entscheidung des Wiener Konzerthauses, das Benefizkonzert für die Ukraine unter Dirigent Teodor Currentzis abzusagen, war richtig. Welche Glaubwürdigkeit kann ein Musiker haben, der sein Orchester von einer russischen Bank finanzieren lässt, die sich zu 60 Prozent in Staatsbesitz befindet und dessen Direktor von Wladimir Putin bestimmt wird? Als "Putins Hausbank" wird die VTB-Bank bezeichnet, und das dürfte auch Currentzis gut bekannt sein.

Dennoch gab und gibt es keine im Westen bekannten Bemühungen vonseiten Currentzis', die Finanzierung seines Orchesters musicAeterna auf andere Beine zu stellen. Als er 2019 mit seinem Ensemble von Perm nach Sankt Petersburg übersiedelte, gründete er mithilfe von VTB im alten Dom-Radio-Gebäude ein Kulturzentrum. Aus der Zeit in Perm sind kritische Äußerungen Currentzis' bekannt; seit 2019, also seitdem der Dirigent in Sankt Petersburg lebt, dem Zentrum von Putins Klassiknetzwerk, ist keine Kritik mehr dokumentiert.

Der gebürtige Grieche Currentzis hat sich sehenden Auges in Putins Einflussbereich begeben. Das bedeutete für ihn – Russland hat einen günstigen Steuersatz für Kunstschaffende – sowie für seine Musiker viele Privilegien. Jetzt bekommt er die Schattenseiten seines Teufelspakts zu spüren. Currentzis muss für eine Finanzierung unabhängig von Putins Russland sorgen. Bis dahin sollte er im Westen nicht mehr auftreten. (Stephan Hilpold, 12.4.2022)