
Wird mit Reimen oder Versen geworben, sind Übertreibungen zu Werbezwecken erlaubt.
Wer im Gedächtnis der Kundinnen und Kunden präsent sein will, muss auch mit guter Werbung punkten. Doch ein Werbeslogan will wohlüberlegt sein – nicht nur aus kreativen, sondern auch aus rechtlichen Gründen. Der Kreativität sind vermeintlich kaum Grenzen gesetzt. Tatsächlich wird sie allerdings vom Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sehr wohl beschränkt. Im schlimmsten Fall drohen sogar Klagen von Konkurrenten oder Verbraucherschutzverbänden.
Ein zentraler Grundsatz des UWG ist das Verbot irreführender Werbung (§ 2 Abs 1 UWG). Danach darf Werbung keine unrichtigen oder zur Täuschung geeigneten Angaben enthalten. Die Werbung darf nicht geeignet sein, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dabei dürfen Werbende weder über das Produkt selbst noch oder über wesentliche Merkmale des Produkts täuschen.
Marktschreierei und Irreführung
Wenn Werbende diese Grundregeln einhalten, ist auch eine reklamehafte Übertreibung (marktschreierische Werbung) rechtlich zulässig. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) ist Werbung zulässig, die so überspitzt ist, dass sie vom Publikum keinesfalls ernst genommen wird. Allerdings muss man sofort erkennen, dass es sich um eine reklamehafte Übertreibung ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit und Gültigkeit handelt. Als reklamehafte Übertreibungen wurden etwa die Werbeaussagen "weltberühmt", "Glanzweltmeister" oder "[…]: Billiger als in aller Welt" beurteilt.
Doch so einfach, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, ist es nicht: Bei der Beurteilung der Zulässigkeit marktschreierischer Werbung wird ein strenger Maßstab angesetzt. Im Zweifel liegt eine ernstgemeinte Tatsachenbehauptung statt einer reklamehaften Übertreibung vor. Wenn Werbung einen ernstzunehmenden, sachlich nachprüfbaren Tatsachenkern enthält, muss sie inhaltlich auch richtig sein. Andernfalls ist sie irreführend und damit unzulässig. Bei der Beurteilung gilt die Unklarheitenregel: Der Werbende muss die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Werbeadressaten die Äußerung tatsächlich in diesem ungünstigen Sinn verstehen kann.
Übertreibungen können zulässig sein
Dieser Linie folgt auch eine aktuelle OGH-Entscheidung zu diesem Thema (OGH 27. 7. 2021, 4 Ob 99/21v). Ein Deodorantproduzent hatte seine Deodorants unter anderem mit dem Slogan "Stoppt das Schwitzen" beworben. Der Slogan wurde insbesondere in Werbespots, in denen ein Fahrrad fahrendes Paar zu sehen war, bei dem die Frau mit erhobenen Armen und trockenem Top im Achselbereich gezeigt wurde, verwendet. Die Deodorants verhindern die Schweißbildung jedoch nicht vollständig, sondern können jeweils nach 48 Stunden ab der Anwendung zu einer maximalen Schweißreduktion von circa 25 Prozent beim Deodorant-Spray und 50 Prozent beim Roll-On führen. Nach Ansicht des OGH verstehe das Publikum den Slogan zwar nicht wörtlich und erwarte daher keine vollständige Unterbindung der Schweißbildung. Das Publikum erwarte aber nach dem Gesamteindruck der Werbung eine erhebliche Schweißreduktion. Diese sei bei bloß maximal 25 Prozent bis 50 Prozent nicht erfüllt. Daher handelt es sich hier um eine (unzulässige) Irreführung über die Wirksamkeit des Produkts.
Anders beurteilte der OGH noch vor kurzem die Werbung eines Lebensmittelhändlers, der mit "Hofer Preis, alles andere ist overpriced" geworben hatte (OGH 5. 6. 2020, 4 Ob 70/20b). Wird mit Reimen oder Versen geworben, so sind Übertreibungen zu Werbezwecken üblich. Nach Auffassung des OGH sind Reime und Verse daher milder zu beurteilen und kaum wörtlich zu nehmen. Im konkreten Fall stehe bei dem Slogan "Hofer Preis, alles andere ist overpriced" die kreative Kombination von Deutsch und Englisch im Vordergrund, die einen zweifachen Reim ermögliche. Daher werde eine solche einprägsame und suggestive Formulierung nicht wörtlich genommen. Vielmehr verstehe man den Slogan so, dass es in den Geschäften der Beklagten günstige Einkaufsgelegenheiten gebe.
Vorsicht ist besser als Nachsicht
Anhand der beiden OGH-Entscheidungen sieht man: Der Grat zwischen (zulässiger) reklamehafter Übertreibung und (unzulässiger) Irreführung ist meist schmal. Oft sind es Nuancen, die die Gerichte dazu bewegen, eine Werbung als irreführend oder (gerade noch) als bloße reklamehafte Übertreibung zu qualifizieren. Dabei ist ein strenger Maßstab anzusetzen. Aus diesem Grund gilt für Werbung auch aus rechtlicher Sicht das Sprichwort: creativity is key! Je fantasievoller und realitätsfremder die Werbung ist, desto eher wird sie im Rahmen des rechtlich Zulässigen sein. (Alina Alavi Kia, 13.4.2022)