Bild nicht mehr verfügbar.

Kanzler Nehammer bei der Pressekonferenz in der Botschaft Österreichs in Moskau.
Foto: AP / Alexander Zemlianichenko

"Süddeutsche Zeitung" (München): Löblich und naiv

"Die kleine Republik Österreich gefällt sich schon lange in dem vor allem von heimischen Politikern gepflegten Image, eine 'Brückenbauerin', eine diplomatische Größe im Konzert der Großen zu sein. Was immer Bundeskanzler Karl Nehammer beflügelt haben mag, sich auf eine mission impossible nach Moskau zu begeben, könnte mit diesem Selbstbild zu tun haben. Und doch wäre der ÖVP-Politiker besser beraten gewesen, es nicht zu tun.

(...) Moralisch sein, aufklären – beides ist sehr löblich und doch vor allem sehr naiv. Die Kriegsverbrechen sind gewollt. Die Realität ist bekannt. Wer immer noch glaubt, Putin sei nur schlecht informiert oder von seinen Hofschranzen in die Irre geführt, der leugnet bis heute, dass genau das die Strategie des Kreml ist: die Ukraine und die Ukrainer zu zerstören. Und danach alle, die sich Putin und seinen irren Ideologen in den Weg stellen. Moral ist eine Kategorie, die man im Kreml nicht akzeptiert."

"Hamburger Abendblatt": Ein Nichtresultat

"Das Ergebnis des Gesprächs ist praktisch ein Nichtresultat. Mehr war aber auch kaum zu erwarten. Denn Russland hatte in den vergangenen Wochen keinerlei Gesprächsbereitschaft erkennen lassen. Und Österreich pflegt zwar gute Beziehungen zu Moskau – Putin hat Wien seit 2014 zwei Mal offiziell besucht –, hat aber keinesfalls das politische und auch wirtschaftliche Gewicht, das nötig wäre, um Russland zu einem Einlenken zu bringen. Die Sinnhaftigkeit der Reise stand demnach schon vorab infrage. Vor allem, weil kaum zu erahnen war, was es konkret zu besprechen gäbe. (...) Wie ein russischer Diplomat mutmaßte, wird es letztlich wohl vor allem um den fossilen Brennstoff gegangen sein."

"Die Welt" (Berlin): "Nutzt’s nix, schad’s nix."

"Ein österreichisches Sprichwort lautet: 'Nutzt’s nix, schad’s nix.' (...) Dies (dürfte) das Motto der Mission gewesen sein."

"Neue Zürcher Zeitung": Kein Entgegenkommen

"Es gibt derzeit keinerlei Signale eines russischen Entgegenkommens, im Gegenteil. Moskau bereitet gerade den Großangriff auf den ukrainischen Osten vor, der noch brutaler werden dürfte als das bisher Geschehene. Vor diesem Hintergrund können Gespräche allenfalls dann aussichtsreich sein, wenn Putin ein ganz konkretes Angebot gemacht werden kann – sei es im Auftrag der Ukraine oder der Europäischen Union. Über ein solches Verhandlungsmandat verfügt Nehammer jedoch nicht, er handelte vielmehr aus eigenem Antrieb. (...)

Der Gefahr, dass Russland das Treffen propagandistisch ausschlachtet, beugte die österreichische Seite immerhin vor, indem sie Bilder, Filmaufnahmen und auch eine Pressekonferenz untersagte. Das ändert aber nichts an dem Signal, das Wien aussendet und das auch die russischen Medien verbreiten werden: Ein westlicher Regierungschef macht seine Aufwartung in Moskau, Putin ist nicht isoliert, die Einheit der EU könnte bröckeln."

"St. Galler Tagblatt": Westliche Fehleinschätzungen

"Der Besuch (...) war nicht nur sinnlos. Er ist auch ein absurdes Beispiel westlicher Fehleinschätzungen (...). Der Herrscher im Kreml wird den Krieg gegen sein Nachbarland nicht durch gutes Zureden beenden."

"La Repubblica" (Rom): Ehrgeizige Liste

"Nehammer ist mit einer viel zu ehrgeizigen Liste von Zielen in Moskau eingetroffen: Eröffnung humanitärer Korridore, eine Waffenruhe und Ermittlungen über die Kriegsverbrechen russischer Truppen in der Ukraine. Der österreichische Bundeskanzler ist mit eingezogenem Schwanz wieder aus Moskau abgefahren."

"Il Messaggero" (Rom): Positiver Faktor

"Einziger positiver Faktor ist, dass Putin weiterhin die Istanbuler Friedensgespräche als mögliches Format für einen Dialog zwischen Russen und Ukrainern betrachtet." (APA, 12.4.2022)