Eines war schon beim Abgang von Angela Merkel im Herbst 2021 klar: Die deutsche Langzeitkanzlerin würde ihrem Nachfolger Olaf Scholz nicht aus ihrem brandenburgischen Wochenendhaus politische Ratschläge geben oder seine Arbeit bewerten. Das ist nicht ihr Stil.

Bis jetzt hält sie sich mit der ihr eigenen Disziplin daran, und das ist grundsätzlich wohltuend. Altkanzlerinnen-Senf im Tagesgeschäft braucht niemand.

Seit ihrem Abgang ist die deutsche Ex-Kanzlerin erstaunlich still.
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Doch zunehmend irritierend ist Merkels eisernes Schweigen in Bezug auf Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine. Natürlich sagt kein Mensch von Verstand, dass die Ex-Kanzlerin die Schuldige ist. Aber Merkel hat nun mal in den vergangenen 16 Jahren (auch) die Russland-Politik gemacht.

Warum ist Deutschland so abhängig von russischem Gas? Warum wurde Nord Stream 2 nach der Annexion der Krim nicht gestoppt? Bereut sie etwas? Wo waren Einschätzungen falsch? Es gibt vieles, was viele Merkel gerne fragen würden.

Dabei geht es nicht um ein Tribunal. Im Nachhinein klüger zu sein ist immer ein Leichtes. Aber angesichts dieser epochal prägenden und schrecklichen Ereignisse wäre es wünschenswert, dass sich Merkel doch noch darauf einlässt und ihre Sicht der Dinge darlegt.

Deutschland trägt schon schwer an ihrem Vorgänger Gerhard Schröder und dessen Nibelungentreue zu Putin. Nichts Vergleichbares wird Merkel vorgeworfen. Und dennoch dürfte auch die Bewertung ihrer Kanzlerschaft Schaden nehmen, wenn sie weiterhin schweigt. (Birgit Baumann, 13.4.2022)