Elektronenmikroskopische Aufnahme von Yersinia-pestis-Bakterien im Verdauungstrakt eines Flohs. Frühe Pesterregerstämme dürften sich auch ohne diesen Zwischenwirt auf Menschen übertragen haben.

Foto: National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID)

Als im 14. Jahrhundert die Pest Europa heimsuchte, raffte die Seuche annähernd ein Drittel der Bevölkerung des Kontinents dahin. Mittlerweile weiß man, dass der dafür verantwortliche Erreger Yersinia pestis in dieser Region nicht das erste Mal wütete. Bereits im sechsten und siebenten Jahrhundert sorgte die Pest nicht nur im Mittelmeerraum für eine Pandemie, die annähernd apokalyptische Ausmaße annahm.

Aber auch diese sogenannte Justinianische Pest war offenbar nicht die erste Begegnung der europäischen Bevölkerung mit Yersinia pestis. Untersuchungen der vergangenen Jahre kamen zu dem Schluss, dass der Erreger bereits am Übergang zur Bronzezeit in Europa präsent gewesen sein dürfte. Eine aktuelle Studie untermauert diese Befunde und rückt das erste bekannte Auftreten der Pest sogar noch ein Stück weiter zurück in die Vergangenheit: Yersinia pestis könnte die Menschen demnach schon seit rund 6.200 Jahren heimsuchen.

Mehrere Übertragungswege

Die genetische Untersuchung zeigt jedenfalls deutlich, dass die Menschen in Europa und Asien bereits in prähistorischen Zeiten mit einer ganzen Reihe an Untergruppen des Bakteriums zu kämpfen hatten. Den heute wichtigsten Wirt – den Rattenfloh – konnten nicht alle Varianten infizieren. Von Asien bis Spanien gab es also mehrere Übertragungswege.

Die Forscher untersuchten 252 Überreste von Menschen, die vor 5.000 bis 2.000 Jahren lebten, die in 15 archäologischen Stätten von Zentralasien bis Westeuropa gefunden worden waren. Dieser Zeitraum markiert den Übergang von der Jungsteinzeit über die Bronze- bis in die Eisenzeit hinein. 17 Erbgutproben des Pesterregers konnte das Team finden, dem auch der am Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien tätige Ron Pinhasi angehörte. Mit der gegenüber früheren Studien nun höheren Anzahl an Proben könne man deutlich mehr über die Entwicklung und Ausbreitung von Y. pestis sagen, heißt es im Fachblatt "Pnas".

1.200 Jahre älter

Dass die Menschen schon sehr lange von dem Erreger heimgesucht werden, belegen Funde des Erbguts des Bakteriums in einem rund 5.000 Jahre alten Grab im heutigen Lettland, die in einer früheren Studie untersucht worden waren. Da diese Person aber offenbar nicht hastig verscharrt wurde und andere dort begrabene Mitglieder der Jäger-Sammler-Gruppe keine Spuren des Erregers aufwiesen, scheint die Erkrankung damals anders verlaufen zu sein als bei den großen Pestausbrüchen wie etwa im Mittelalter. Diesen Befund teilen auch die Autoren der aktuellen Studie. Auf Basis der neuen Gendaten schätzen sie, dass Y. pestis schon um die 6.200 Jahre alt sein könnte.

Erregerfunde in Proben aus dem heutigen Tschechien, der Ukraine, dem Osten Kasachstans und aus der Mongolei zeigen nun, dass das Bakterium schon Jahrtausende vor den verheerenden Pandemien bereits sehr weite Wege zurückgelegt hat und noch verbreiteter war als zuvor angenommen. Zudem fanden die Wissenschafter den frühesten Beweis für eine prähistorische Pesterkrankung auf der Iberischen Halbinsel. Der datiert in etwa aus der Zeit zwischen 3.400 und 3.200 Jahren vor unserer Zeit.

Unabhängige Erregerlinien

Im Gegensatz zu den 16 anderen neuen Y. pestis-Genomen hatte dieser Typ alle genetischen Voraussetzungen, um von Flöhen übertragen zu werden. Der prähistorische Nachweis eines solchen Erregertypus gelang vorher nur bei einer um rund 500 Jahre älteren Probe aus der Region um Samara (Russland) rund 5.000 Kilometer entfernt. Zu jener Zeit waren also demnach verschiedenste, offenbar relativ unabhängige Erregerlinien in weiten Teilen Eurasiens unterwegs, die sich wahrscheinlich in der Art der Übertragung und in ihrer Gefährlichkeit unterschieden.

Während bei den "moderneren" Varianten die Übertragung vom Floh als Wirt über Nagetiere auf den Menschen wahrscheinlich sei, könne man über die Übertragungswege der anderen Varianten nur spekulieren, da es heutzutage keine nahen Verwandten von ihnen zum Vergleich mehr gibt, schreiben die Wissenschafter.

Dass sich der Erreger in verschiedenen Varianten schon damals so weit verbreitet hatte, dürfte auch damit zusammenhängen, dass sich der Aktionsradius vieler Gruppen vor rund 5.000 Jahren erweitert hat. Viehzüchter wanderten damals in großer Zahl von den Steppen Zentralasiens gen Westen, es gab von Ochsen gezogene Wägen, und das Pferd wurde domestiziert. Der Austausch zwischen Mensch, Nutz- und Wildtieren wurde damals verstärkt, was das Überspringen von Krankheiten erleichterte. (red, APA, 13.4.2022)