Schnee-Elefant im weltpolitischen Porzellanladen: Söldens Werbespektakel "Hannibal" sieht sich mit Kritik konfrontiert.

Foto: APA/Hans Klaus Techt

Innsbruck – Von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) über seine Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) bis hin zu Söldens Bürgermeister Ernst Schöpf (ÖVP) reicht die Riege der kritischen Stimmen, die sich im ORF Tirol zur diesjährigen Aufführung des Gletscherspektakels "Hannibal" zu Wort gemeldet haben. Angesichts des Krieges in der Ukraine wirke die martialische Inszenierung, die am 22. April auf dem Rettenbachferner stattfinden soll, unpassend und werfe ein schlechtes Licht auf Tirol, so der Tenor. Seit 2001 bewerben die Söldener Bergbahnen in Kooperation mit Red Bull alle zwei Jahre ihr Gletscherskigebiet mit der pompösen Veranstaltung. Was für Ischgl das Saisonabschlusskonzert ist, das ist für Sölden "Hannibal".

ORF-Tirol-Beitrag zur Kritik an der "Hannibal"-Inszenierung in Sölden.
ORF

Am künstlerischen Wert des Spektakels scheiden sich seit jeher die Geister. Eigentlich als einmalige Veranstaltung im April 2001 konzipiert, wurde "Hannibal" mittlerweile zum Fixpunkt – nur einmal während der Corona-Pandemie fiel die Veranstaltung aus. Historisch bezieht sich die Inszenierung auf den karthagischen Heerführer Hannibal, der im Jahr 218 vor Beginn der Zeitrechnung mit seinem Heer von der Iberischen Halbinsel nach Italien zog, um einem römischen Angriff auf Spanien und Nordafrika zuvorzukommen. Dabei soll er mit seiner Armee, der auch 37 Kriegselefanten angehörten, einen Alpenpass, vermutlich in den heutigen französischen Alpen, überquert haben.

Historienspektakel mit moderner Technik

Regisseur Hubert Lepka hat diese historische Vorlage mit der Darstellergruppe Lawine Torrèn, dem Flugakrobatikteam von Red Bull sowie Hubschraubern des Bundesheers und hunderten Laiendarstellern aus der Region auf den Söldener Rettenbachferner transferiert. Mit historischen Details nimmt man es nicht so genau. Statt Elefanten kommen Pistengeräte zum Einsatz, dazu jede Menge Pyrotechnik und sogar Motorrad-Stunt-Einlagen. Bis zu 6.000 Besucher lockte das Spektakel in den Vorjahren bereits an. Heuer sollen bisher rund 2.000 Karten verkauft worden sein.

In den vergangenen 20 Jahren stießen sich vor allem Umweltschützer immer wieder an der Veranstaltung. 2007 setzte etwa die Landesumweltanwaltschaft Tirols durch, dass Pistenspektakel wie jenes am Söldener Gletscher bewilligungspflichtig wurden. Denn die Pistenraupenfahrten seien nur zum Zweck der Pistenpräparierung genehmigt, nicht aber zum Zweck einer Veranstaltung. Diese naturschutzrechtliche Bewilligung liegt für die diesjährige Auflage vor, was noch fehlt, ist der luftraumrechtliche Bescheid, wie der ORF Tirol berichtete. Darüber soll am Donnerstag entschieden werden.

Bürgermeister plädierte für Absage

Die aktuelle Kritik an "Hannibal" stößt sich aber nicht an den Umweltfolgen, sondern den martialischen, kriegsähnlichen Bildern. Söldens Bürgermeister Schöpf sagte dem ORF Tirol, dass er schon vor drei Wochen den Verantwortlichen nahegelegt habe, das Event heuer ausfallen zu lassen, weil Kampfmaschinen und Kriegsästhetik derzeit wohl nicht den erwünschten Werbeeffekt für Sölden brächte. Dieser Kritik schloss sich Landeshauptmann-Stellvertreterin Felipe an. Rechtlich seien ihr zwar die Hände gebunden, doch heuer erachte sie das Spektakel für "besonders geschmacklos" angesichts der Situation in der Ukraine wenige hundert Kilometer entfernt.

Selbst Tirols oberster Touristiker, Landeshauptmann Platter, äußerte sich kritisch: "Ich kann die Kritik an dem Event nachvollziehen und habe meine Skepsis auch den Veranstaltern mitgeteilt. Abseits der aktuellen Diskussion ist es meines Erachtens dringend notwendig, sich Gedanken darüber zu machen, ob diese Veranstaltung in dieser Form noch zeitgemäß ist."

Touristiker halten Kritik für unberechtigt

Kritik, die man bei den Verantwortlichen nicht nachvollziehen kann. Söldens Bergbahnen-Chef Jakob Falkner vermutet dahinter gar bewusste Versuche, ihm "ans Zeug zu flicken". Er habe im Vorfeld "kritische Journalisten" zum Event befragt, und deren Tenor habe gelautet, die Kritik an "Hannibal" als Kriegsinszenierung sei "sehr weit hergeholt". Auch TVB-Ötztal Geschäftsführer Oliver Schwarz kann nicht verstehen, wieso das Gletscherspektakel nun auf eine "Kriegsdarstellung" reduziert werde. Eine Absage lehnen beide ab, immerhin sei die Veranstaltung bereits intensiv beworben und vorbereitet worden. (Steffen Arora, 13.4.2022)