
Damit das Fahrrad der Favorit unter den individuellen Fortbewegungsmitteln wird, muss noch an vielen Rädchen geschraubt werden.
Was tut sich in der Welt des Radfahrens? Einiges: Ein Lehrberuf ist wiederbelebt, eine neue Ausbildung zum "Touristischen Radmanagement" bringt den Sommertourismus in Fahrt, und Unternehmen setzen Anreize, damit das Rad das favorisierte Fortbewegungsmittel wird. Das waren einige der Themen des diesjährigen Radgipfels, zu dem Klimaschutzministerium, die Stadt Wien und die Mobilitätsagentur ins Wiener Rathaus einluden.
Über 50 Prozent der Arbeitswege sind laut dem Verkehrsklub Österreich kürzer als zehn Kilometer. "Solche Strecken sind mit dem Rad, ob elektrisch oder durch Muskelkraft betrieben, in den meisten Regionen gut zu bewältigen", meint Raphael Glück vom Verkehrsplanungsbüro Komobile, das Mobilitätsberatungen anbietet. Weniger Abgase, geringere Kosten, leichteres Parken und gesundheitliche Vorteile durch die Bewegung sind für Unternehmen und deren Mitarbeitende die Hauptgründe, das Radeln zur Arbeit attraktiver zu machen.
Das LKH-Univ. Klinikum Graz setzt beispielsweise seit Juni 2021 auf das Jobrad: "Mitarbeitende können sich ein Rad bei dem Fahrradgeschäft ihres Vertrauens aussuchen, die Anschaffungskosten übernimmt der Arbeitgeber. Im Gegenzug müssen sie für drei Jahre auf einen Parkplatz und/oder das Graz-Ticket verzichten", erklärt Sabrina Reinbacher, Mobilitätsbeauftragte der Klinik.
Mehr Abstellplätze
"Bei den Standorten der Wiener Linien haben wir von sieben auf 130 Radabstellanlagen aufgestockt. Aber auch Umkleiden, Spinde und E-Lademöglichkeiten für die Akkus der E-Bikes wurden etabliert", sagt Matthias Scheid, betrieblicher Mobilitätsmanager der Wiener Linien. In seiner Funktion ist er auch für die Radservicetage zuständig, bei denen alle der knapp 16.000 Mitarbeitenden ihr Rad durchchecken lassen können.
Bei der FH Campus Wien rief man unter dem Motto "Fitte Wadl – fitte Umwelt" im Jahr 2020 die Wadl-Challenge für Studierende und Mitarbeitende aus. 150 Teilnehmende radelten ein Jahr lang insgesamt rund 13.000 Kilometer. Mit dieser Kilometeranzahl könnten sie fast 23-mal durch ganz Österreich radeln. "Darüber hinaus haben wir auch eine radfreundlichere Infrastruktur auf dem Gelände vorgeschlagen. Dazu brauchte es allerdings zwei Jahre lang Überzeugungsarbeit auf allen Ebenen. Das hatte ich mir anfangs leichter vorgestellt", erzählt Raphael Hengl, Gesundheitsmanager der FH Campus Wien.
Der Fleiß zahlte sich schließlich aus: Jetzt ist das Gelände um einige Radabstellplätze reicher. Raphael Hengl betont aber auch: "Um den Weg zur FH zu erleichtern, wäre ein durchgängiges Radwegenetz nötig. Es wäre eine große Hilfe, dafür eine Ansprechperson auf Bezirks- oder Stadtebene zu haben."
Auferstehung und Neuerfindung
"In den 70er-Jahren wurde der Lehrberuf Fahrradmechaniker in Österreich abgeschafft. Erst 2019 – Jahrzehnte später – wurde er wieder ins Leben gerufen und – neu aufgesetzt!" Stolz präsentiert Thomas Gerhardt, Mitglied der Bundesinnung der Mechatronik der Wirtschaftskammer Österreich, den neuen/alten Lehrberuf, der auch über den zweiten Bildungsweg absolviert werden kann. 171 Lehrlinge werden momentan in sieben Berufsschulen im ganzen Land ausgebildet.
Verändert hat sich vor allem der Markt. E-Bikes sind groß im Kommen. Von 2017 auf 2020 hat sich die Zahl der verkauften Elektroräder laut Statista fast verdoppelt: 2020 wurden in Österreich über 200 000 E-Bikes verkauft. "Unsere Lehrlinge werden deshalb auch darauf geschult, elektrisch betriebene Fahrzeuge, zum Beispiel E-Bikes, Scooter, Segways und Hoverboards, zu warten und instand zu halten." Deshalb, so hebt Thomas Gerhardt noch hervor, steht auf dem Stundenplan neben Reparatur, Montage und technischem Zeichnen auch Mathematik und IT. Darüber hinaus wird auch der Verkauf von Rädern gelehrt. Das ist Thomas Gerhardt ein wichtiges Anliegen, denn: "Man muss dem Online-Handel etwas entgegensetzen, sonst wird der Einzelhandel massiv geschädigt."
Radtourismus
Radfahren ist als Geschäftszweig des Sommertourismus in Österreich nicht mehr wegzudenken. Doch reicht es als Herberge, ein paar Räder und eine Garage zur Verfügung zu stellen? Bei weitem nicht. "Gäste wollen fundierte Informationen über Wege und deren Schwierigkeitsgrad. Sie möchten sicher unterwegs sein. Und das am besten mit jemandem, der sich gut auskennt. Deswegen werden geführte Touren auch immer beliebter, vor allem bei der älteren Zielgruppe."
Werner Madlencnik, Gründer der Radfahrschule Easy Drivers, und sein Team bieten deshalb den Lehrgang "Touristisches Radmanagement" an. In fünf Modulen werden Themen wie Haftungsfragen, Wissen über E-Bikes, Fahrtechnik, Routenplanung, Ausrüstung, Fahrsicherheit auf den Straßen und Gruppenführung vermittelt. "Das Ziel ist, Gäste kompetent zu beraten und bei Rad- oder E-Bike-Touren zu begleiten." In die Zukunft blickt Werner Madlencnik positiv: "Der Radtourismus hat in einigen Regionen noch Wachstumspotenzial!" (Natascha Ickert, 30.4.2022)