Junge Männer haben ein höheres Risiko, nach einer Impfung eine Herzmuskelentzündung zu bekommen – aber nach jeder Impfung, nicht nur jener gegen Covid-19.

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Eine Herzmuskelentzündung oder Myokarditis kann in seltenen Fällen eine unerwünschte Nebenwirkung der Corona-Schutzimpfung sein, vor allem bei einem mRNA-Impfstoff – so weit, so bekannt. Bereits seit Sommer des vergangenen Jahres steht diese Nebenwirkung auch im Beipackzettel der Impfung. Betroffen sind vor allem junge Männer – von impfkritischen Gruppen wurde diese Tatsache immer wieder als eines ihrer stärksten Argumente ins Treffen geführt.

Dabei ist die Nebenwirkung äußerst selten, darüber hinaus tritt sie nach einer Impfung auch deutlich seltener auf als nach einer Corona-Infektion, wie DER STANDARD bereits berichtete. Nun wollte ein Team aus Forschenden vom National University Hospital aus Singapur wissen, ob die Herzmuskelentzündung auch bei anderen Impfungen eine mögliche Nebenwirkung ist und ob sie nach der Covid-Impfung häufiger auftritt als bei anderen Impfungen. Die Ergebnisse wurden soeben im Journal "The Lancet Respiratory Medicine" veröffentlicht.

Risiko nach zweiter Impfung höher

Zunächst bestätigte die Studie Erkenntnisse aus früheren Arbeiten, nämlich dass das Risiko für eine Herzmuskelentzündung für Männer unter 30 nach der zweiten Impfung am größten sei. Dazu werteten die Forscherinnen und Forscher 22 Studien aus, die Daten von 405 Millionen Impfungen verarbeitet hatten. Aussagen über Kinder unter zwölf Jahren gibt es nicht, da die meisten Studien nur Daten von Kindern und Jugendlichen ab zwölf und Erwachsenen ab 18 Jahren einschlossen.

Die Zahlen im Detail: Die Analyse stellte 23 Fälle von Herzmuskelentzündung oder Herzbeutelentzündung auf eine Million verabreichte mRNA-Impfdosen fest. Andere Vakzine zogen rund acht solche Entzündungen nach sich. Über alle Impfstoffe verteilt waren es im Schnitt 18 Fälle auf eine Million. Weiters waren es nur rund sieben Fälle nach der ersten, aber rund 31 nach der zweiten Dosis. Männer unter 30 waren mit 60 Fällen pro Million Impfungen am stärksten betroffen, bei Frauen im gleichen Alter waren es nur rund fünf Fälle.

Diese Zahlen ins Verhältnis zu auf natürliche Weise vorkommenden Herzmuskelentzündungen zu setzen ist nicht so einfach. Denn es lässt sich nur schätzen, wie viele grundsätzlich auftreten. Man weiß aber, dass Männer prinzipiell häufiger betroffen sind, wie eine finnische Studie im "European Heart Journal" aus Vor-Corona-Zeiten zeigt. Laut dieser waren drei Viertel aller, die mit einer Myokarditis ins Krankenhaus mussten, Männer, Durchschnittsalter 35.

Folge von Viruserkrankungen

Sowohl die Myokarditis als auch die Perikarditis, eine Herzbeutelentzündung, können als Folge einer Viruserkrankung auftreten. Schont man sich infolge so einer Viruserkrankung, heilt die Entzündung in der Regel ohne bleibende Schäden wieder aus. Die Studie aus Singapur geht generell von acht bis 17 Herzmuskelentzündungen und fünf bis 22 Herzbeutelentzündungen pro eine Million Menschen pro Monat aus – und auch hier ist die Wahrscheinlichkeit je nach Alter und Geschlecht unterschiedlich.

Aus diesen Zahlen schließen Expertinnen und Experten, dass die Häufigkeit einer solchen Entzündung nach einer Corona-Impfung insgesamt nicht höher sei, als es ohne Impfung zu erwarten wäre. Das schreibt etwa Margaret Ryan von der University of California San Diego in einem Begleitartikel zur Studie. Neu sei die Erkenntnis, dass das Risiko für junge Männer besonders nach der zweiten Impfung erhöht ist. Aus diesem Grund empfiehlt das Nationale Impfgremium (NIG) in Österreich auch für alle unter 30 eine Impfung mit dem Serum von Biontech/Pfizer, das zwar auch ein mRNA-Impfstoff ist, bei dem die Nebenwirkung aber deutlich seltener auftritt als beim Serum von Moderna. Bei Personen über 30 ist das Risiko nicht mehr erhöht.

Auch bei anderen Impfungen Myokarditis als Folgeerscheinung

Erstmals hat man nun aber das Risiko der Herzmuskelentzündung nach einer Corona-Impfung verglichen mit dem Risiko dafür nach anderen Impfungen. Dafür wurden Daten aus Studien vom 1. Jänner 1947 bis zum 31. Dezember 2021 ausgewertet, die jeweils über die Inzidenz von Myoperikarditis nach Impfung berichten. Die Ergebnisse zeigen: Die Häufigkeit von Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen nach Corona-Impfungen unterscheidet sich statistisch nicht von jener nach der Grippeimpfung oder nach anderen Impfungen gegen virale Erreger.

Bei einer Impfung ist das Risiko für Myoperikarditis sogar deutlich höher: Nach der Immunisierung gegen Kinderlähmung treten im Schnitt rund 132 Fälle pro Million Impfungen auf. Allerdings wertet die entsprechende Studie hauptsächlich Daten von US-Militärpersonal aus, also vorwiegend junger Männer. Außerdem wurde, anders als bei Corona, ein Lebendimpfstoff verwendet. Beides könnte die Ergebnisse verzerren.

Einen möglichen Grund für die Entzündungen, egal nach welcher Impfung, nennt Infektiologe und Studien-Co-Autor Jyoti Somani: "Diese Nebenwirkung könnte durch die Entzündungsprozesse, die jede Impfung anstößt, hervorgerufen werden."

Das Risiko so einer Entzündung durch eine durchgemachte Infektion ist aber wesentlich höher als durch die Impfung. Denn die überwiegende Zahl dieser Fälle verläuft sehr harmlos, wie Bernhard Metzler, Präsident der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG), betont: "Die Entzündung dürfte aus der durch die Impfung hervorgerufenen Immunreaktion entstehen, man kann sie im Blut messen, weil dieser Wert sehr sensibel ist. Im Ultraschall kann man sie in den allermeisten Fällen aber nicht sehen, die Entzündung hat keine funktionelle, klinische Bedeutung."

Und Metzler betont, dass man durch eine Covid-Erkrankung ein substanziell höheres Risiko hat, eine Herzschädigung zu erleiden. Deshalb empfiehlt man die Impfung etwa auch jenen Patienten, die eine Herzschwäche haben. Und um die Nebenwirkung der Myokarditis zu vermeiden, egal nach welcher Impfung, empfiehlt Metzler, sich ein paar Tage nach dem Stich zu schonen, bis eine potenziell so hervorgerufene Entzündung wieder abgeklungen ist. (Pia Kruckenhauser, 13.4.2022)