Die Nachricht klingt aufs Erste so, als ob der Jungbrunnen gefunden und en passant auch gleich der Jackpot der milliardenschweren Kosmetikindustrie geknackt worden sei: Einem Team des renommierten Babraham Institute im englischen Cambridge ist es nämlich gelungen, den Alterungsprozess von Hautzellen einer über 50-jährigen Person um rund 30 Jahre zu verjüngen.

Hautzellen im Vergleich: Links die einer 20- bis 22-jährigen Person, in der Mitte die einer über 50-jährigen und rechts die verjüngten "alten" Hautzellen. Rot ist der Anteil des Kollagens, das ein Indikator für die "Jugendlichkeit" der Zellen ist.
Fotos: Fátima Santos, Babraham Institute

Die Publikation, die über diesen Durchbruch berichtet, erschien vor wenigen Tagen im Fachblatt "eLife". Ihre Autorinnen und Autoren warnen freilich vor allzu großen Hoffnungen auf eine schnelle Umsetzung: Noch befinden sich die Forschungen in einem recht frühen Stadium, und bis zu konkreten Anwendungen sind noch einige Hürden zu überwinden. Doch einen wichtigen Meilenstein in der regenerativen Medizin markiert die neue Studie allemal.

Die Methode Yamanakas

Wie hat es das Team um den aus Deutschland stammenden Epigenetikspezialisten Wolf Reik geschafft, die biologische Uhr der Hautzellen zurückzudrehen? Die Forscherinnen und Forscher haben dafür vor allem jene Erkenntnisse weiterentwickelt, für die der japanische Mediziner Shin'ya Yamanaka 2012 gemeinsam mit John Gurdon mit dem Medizinnobelpreis ausgezeichnet worden war.

Yamanaka war es fünf Jahre zuvor gelungen, entwickelte Bindegewebszellen von Mäusen in sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) zurückzuverwandeln. Diese sogenannte Reprogrammierung wird durch eine Kombination aus vier Genen erzeugt beziehungsweise induziert, den sogenannten Yamanaka-Faktoren. Bei diesem Prozess, der 50 Tage lang dauert, werden nach und nach die Merkmale der ausdifferenzierten Zellen gelöscht, und ihr ursprünglicher Status wird wiederhergestellt. Die solcherart rückverwandelten Zellen können sich in alle möglichen Zelltypen weiterentwickeln – nichts anderes bedeutet pluripotent.

Hautzellen bleiben Hautzellen

Die neue Methode des Teams um Reik umging das Problem der vollständigen Löschung der Zellidentität. Die Reprogrammierung wurde nämlich bereits nach 13 Tagen gestoppt. Auf diese Weise wurde zwar einerseits die Altersuhr der Zellen zurückgedreht, andererseits blieb ihre spezialisierte Zellfunktion erhalten. Die Hautzellen einer 53-Jährigen Frau blieben also Hautzellen, doch diese hatten die Eigenschaften von Hautzellen einer 20-Jährigen, wie Genomanalysen zeigten.

Auch die Kollagenproduktion in den umprogrammierten Zellen erreichte wieder ihr jugendliches Ausmaß. Und Experimente, bei denen in der Petrischale eine Wunde simuliert wurde, bestätigten ebenfalls die Verjüngung: Die reprogrammierten Hautzellen führten zu einem schnelleren Heilungsprozess. Zudem zeigte sich, dass die Methode auch günstige Auswirkungen auf Gene hatte, die mit altersbedingten Krankheiten wie Alzheimer und dem Grauen Star in Verbindung stehen.

Langer Weg bis zur Anwendung

Bis die neue Methode am Menschen einsetzbar sein wird, dürfte es freilich noch einige Zeit dauern. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Reprogrammierung mit den Yamanaka-Faktoren das Krebsrisiko erhöht. In einem Interview mit der BBC zeigte sich Reik aber überzeugt, dass diese Hürde überwunden werden kann, nachdem nun erst einmal der Beweis erbracht sei, dass die Methode dem Prinzip nach funktioniert. In nächsten Schritten soll nun geprüft werden, ob sie auch bei Muskel-, Leber- und Blutzellen Erfolg hat.

Englisches Video über die Grundprinzipien der regenerativen Medizin und den neuen Ansatz des Babraham Institute.
The Royal Society

Längerfristig denkt Reik, der auch Professor an der Uni Cambridge ist, freilich nicht an Anwendungen in der Kosmetikindustrie. Das große Ziel sei es auch nicht, die Lebensspanne des Menschen beliebig zu verlängern, sondern ein gesünderes Altern zu ermöglichen. Und er hält es nicht für völlig abwegig und ausgeschlossen, dass diese und ähnliche Forschungen irgendwann einmal zu einer Anti-Aging-Pille führen könnten. (Klaus Taschwer, 13.4.2022)