Villarreal freut sich. Gegen den FC Bayern sah es lange nach Verlängerung aus, ehe Samuel Chukwueze in der 88. Minute zum 1:1 traf.

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Es gibt ein Ritual, das ein beunruhigend hoher Anteil der angehenden Sportjournalisten in den ersten Jahren der Karriere durchmachen muss. Man sitzt friedlich an seinem Schreibtisch, hat einem erfahreneren Kollegen gerade einen Text zum Drüberlesen geschickt – und da kommt es. "Villarreal schreibt man übrigens mit zwei r", gefolgt von einem Lachen. Den Fehler hat auch der Kollege einst gemacht. Wer sich selbst von der Alltäglichkeit dieses Irrtums überzeugen will, kann "Villareal" (mit Anführungszeichen!) bei Google News eingeben. Da tauchen auf: ProSieben, Eurosport, die Kleine Zeitung, die Tagesschau und viele mehr. STANDARD-Redakteure sind insbesondere beim Tickern dauergefährdet.

Mag sein, dass das nun ein Ende hat. Villarreal hat sich mit seinem 2:1-Gesamtsieg im Champions-League-Viertelfinale gegen Bayern München auch dem deutschen Sprachraum nachdrücklich vorgestellt. Dabei ist das "Gelbe U-Boot" seit zweieinhalb Jahrzehnten eine der bemerkenswerteren Geschichten des europäischen Klubfußballs.

Wenig los

In Vila-real – so heißt die Stadt offiziell auf Valencianisch – gibt es nicht viel. Die Nummer-eins-Sehenswürdigkeit auf der Reiseplattform Tripadvisor ist das Estadio de la Cerámica, in dem der Klub seine Heimspiele austrägt. Es folgen eine Wanderroute, ein altes Herrenhaus und zwei Escape-Rooms. 50.000 Menschen leben in der Küstenstadt, 23.500 passen in das Stadion. In der Liga war es laut transfermarkt.at-Daten zum letzten Mal im Jahr 2013 voll. Sogar im CL-Achtelfinale gegen Juventus gab es noch Restkarten.

Villarreals Zuschauerschnitt liegt in La Liga stets außerhalb der Top Ten – und doch ist der Klub Stammgast im Europacup. Das liegt in erster Linie an seinem Besitzer und Präsidenten Fernando Roig: 74 Jahre alt, die graumelierten Haare stets zurückgegelt, der Blick eines manchmal strengen, aber verständnisvollen Großonkels. Roig hat das Keramikunternehmen Pamesa geerbt, Forbes schätzt sein Vermögen auch dank einer Beteiligung an der von seinem Bruder geführten Supermarktkette Mercadona auf 1,4 Milliarden Euro.

Gutes Händchen

1997 kaufte Roig das damals hoch verschuldete Villarreal. Anders als viele Mäzene hatte der Mann aus Valencia stets ein Gespür für gesundes Wachstum, ein Händchen für Personalentscheidungen – und wenn nötig auch Kleingeld. Als Villarreal 2012 unerwartet abstieg, verkaufte Roig Mercadona-Aktien und stärkte die Klubfinanzen. Villarreal stieg sofort auf, es folgten fünf Top-sechs-Platzierungen in Folge. Das Umfeld passt, die Spieler schwärmen. "Der Klub kümmert sich so um uns – wenn es nach mir geht, gehe ich nie weg", sagt Außenverteidiger Alberto Moreno.

Natürlich, auch bei Villarreal sind Riesensummen im Spiel, wie bei so vielen spanischen Klubs ist der Schuldenstand neunstellig. Aber die in Gelb spielende Truppe hat stetigen Erfolg. Der Gipfel kam vergangenen Frühsommer: Mit dem 11:10-Sieg im Marathon-Elferschießen gegen Manchester United gewann das Team von Unai Emery in der Europa League den ersten Titel der Vereinsgeschichte.

Zweites CL-Halbfinale

Davor hatte es schon in den Nullerjahren eine Hochphase gegeben, kurz vor dem CL-Halbfinaleinzug 2005/06 wurde Roig gar zum "Adoptivsohn" von Vila-real ernannt. Diese Ehre wurde davor 40 Jahre niemandem zuteil. Kaum auszudenken, was sich die Stadt einfallen lassen müsste, wenn die Mannschaft um Nationalteam-Innenverteidiger Pau Torres nun auch in der Königsklasse ins Finale kommt. (Martin Schauhuber, 13.4.2022)