Toni Giger will die Neuen im ÖSV unterstützen: "Sie können mich jederzeit anrufen."

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Innsbruck/Wien – Was ist eigentlich los im Österreichischen Skiverband? Diese Frage drängt sich mehr denn je auf, scheint doch unter der im Herbst 2021 installierten Präsidentin Roswitha Stadlober offensichtlich kein Stein auf dem anderen zu bleiben. Die jüngste Baustelle betrifft das Amt des Sportdirektors, zumal der ÖSV am Donnerstag den Rückzug von Toni Giger verkündete. Der 59-jährige Salzburger war 33 Jahre in diversen Funktionen im Verband engagiert und seit drei Jahren als Nachfolger von Hans Pum als Sportverantwortlicher für alle Sparten zuständig.

Kompetenzverlust

Vor Giger verlor der potenteste Verband im Land die Kompetenz des langjährigen Männer-Rennsportleiters Andreas Puelacher, der inzwischen als Chef-Coach der deutschen Skifrauen angeheuert hat. Man trennte sich auch von Frauencheftrainer Christian Mitter und von Patrick Riml, dem Leiter der Abteilung Hochleistungssport Alpin. Der Tiroler hatte das Angebot des neuen Alpinchefs Herbert Mandl ausgeschlagen, künftig als Cheftrainer der Frauen zu fungieren. Er zog ein Comeback in den USA vor, wo er nun als Alpindirektor des US-Teams Verantwortung trägt. Auf Mitter folgt Thomas Trinker, der 47-jährige Steirer ist seit 22 Jahren im ÖSV als Trainer tätig und war zuletzt für den Männernachwuchs verantwortlich. Den Job von Puelacher übernimmt der langjährige Slalom-Trainer Marko Pfeifer.

Dass es im ÖSV Meinungsverschiedenheiten gibt, ist offensichtlich. Dass sie öffentlich nicht bestätigt werden, kommt nicht überraschend. Im Gespräch mit dem STANDARD erklärt Giger, dass es freilich immer Diskussionen gebe. Mit den Abgängen sollen diese aber nichts zu tun haben. "Es waren im Grunde alles persönliche, berufliche Veränderungen, die jeder für sich entschieden hat und die sind meiner Meinung nach genauso zu respektieren", sagt Giger. Es sei eine Umbruchphase im Skiverband, vieles in Bewegung. Im Zuge dessen habe auch er sich die Frage gestellt, ob er nicht eine Neuorientierung angehen solle. "Ich bin noch voller Energien, es ist ein guter Zeitpunkt", so Giger. Bereits am Dienstag hatte er Generalsekretär Christian Scherer über seinen Rücktritt informiert, man habe sich auf eine einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses verständigt. "Natürlich fällt es mir nicht leicht, aber ich bin auch froh, dass es von Seiten des Skiverbands so respektiert wird."

Man verliere einen besonderen Kenner der Skirennsportwelt, eine der erfolgreichsten Trainer- und Führungspersönlichkeiten der letzten Jahrzehnte, der maßgeblichen Anteil an den herausragenden Leistungen in den vergangenen Jahrzehnten hatte, heißt es in einer ÖSV-Aussendung. Und das kommt nicht von irgendwo, denn mit Gigers Unterstützung wurden zahlreiche ÖSV-Stars geformt – von Hermann Maier bis Marcel Hirscher. Zuletzt wurde nach zwei Jahren Pause der Nationencup bei den Alpinen wieder gewonnen, zudem auch bei den Skispringern. Und Olympia in Peking war eine Erfolgsgeschichte.

Abgang mit Geschmäckle

Auch wenn Stadlober Giger explizit für seine "außerordentlichen Verdienste" um den heimischen Skisport dankte, hat die Trennung einen schalen Beigeschmack. Dem Vernehmen nach versteht man im Verband mit interner Kritik nicht gerade gut umzugehen. Es scheint, als setze man eher auf Tabula rasa denn auf konstruktive Konfliktbewältigung. Bei Olympia in Peking soll eine persönliche Bilanz Gigers in einer Presseaussendung für Ärger bei Stadlober gesorgt haben. Damals trennte man sich flugs von Kommunikationschef Stefan Illek. Für Unmut bei Giger könnte auch gesorgt haben, dass durch die Installierung von Mandl seine eigenen Agenden eingeschränkt wurden.

Als Strippenzieher im Hintergrund dürfte Patrick Ortlieb fungieren. Der Abfahrtsolympiasieger von 1992 ist Finanzreferent und neben Stadlober und Scherer im Leitungsgremium des ÖSV. Zudem kandidiert er im Mai als Nachfolger von Peter Schröcksnadel bei der Wahl des Fis-Vorstandes. Er wurde vom ÖSV einstimmig nominiert.

Wohin Gigers Reise geht, wird sich weisen. Angebote gebe es in der Sportwelt immer, sagt er. "Ich habe 33 wunderschöne Jahre einen Job in einem höchst professionellen Sportumfeld machen dürfen. Wie viele Menschen haben das Glück, dass sie ihr Hobby zum Beruf machen können? Ich nehme aus der Zeit mit größter Freude alles mit, was uns gemeinsam gelungen ist."

Nach seinem Mathematik- und Sportstudium hatte Giger zunächst als Konditionstrainer der Europacupathleten im ÖSV begonnen, von 1999 bis 2010 als Männer-Rennsportleiter gearbeitet und ab 2010 bis zuletzt die Abteilung für Entwicklung, Forschung und Innovation geleitet. Zukunftssorgen muss sich Giger nicht machen, seine Kompetenz und sein Know-how werden international sehr gefragt sein. (Thomas Hirner, 14.4.2022)