Vom Eigentümer zum Finanzinvestor: Voestalpine reduziert ihren Anteil am HBI-Werk in Corpus Christi auf 20 Prozent und gibt damit Risiko ab.

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Wien/Linz – Nun ist es fix: Die Voestalpine verkauft ihr Werk in Corpus Christi – DER STANDARD berichtete exklusiv. Käufer ist der Branchenriese Arcelormittal. Den durch den Verkauf der 2016 in Betrieb genommenen Direktreduktionsanlage zur Herstellung von Eisenpellets generierten Liquiditätszuwachs gab Voestalpine-Chef Herbert Eibensteiner am Donnerstag mit rund 610 Millionen Euro an.

Der Verkaufspreis ist damit höher als der Buchwert. Nach zwei Sonderabschreibungen stand das Werk in Corpus Christi zuletzt mit 448 Millionen Euro in den Büchern. Zur Erinnerung: Die Investitionskosten betrugen 870 Millionen Euro statt wie veranschlagt 550 Millionen.

Den nun erzielten Buchgewinn bezifferte der Voestalpine-Generaldirektor mit rund 280 Millionen Euro. Der Großteil davon werde im Jahresabschluss 2021/22 verbucht (per 30. März), der Rest nach dem Closing in ein paar Monaten.

Eiserne Reserve

Mit der neuen Partnerschaft – die Voest behält 20 Prozent an dem an Kostenüberschreitungen und Unwägbarkeiten reichen Standort – sichere sich Voestalpine langfristig die Lieferung von 420.000 Tonnen Eisenpellets für den Eigenbedarf an den Standorten Linz und Donawitz. Das ist notwendig, um die Dekarbonisierung des Stahl- und Verarbeitungskonzerns voranzutreiben.

Überschwemmungen, Staubentwicklung und viel höhere Baupreise trieben die Kosten für das Voest-Werk am Golf von Mexiko enorm in die Höhe.
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Der Wert ("Enterprise Value") der nun an den luxemburgisch-indischen Stahlriesen Arcelormittal verkauften Voestalpine Texas Holding wird mit rund 900 Millionen Euro angegeben. Der Verkaufserlös senkt die Nettofinanzverschuldung. Zugleich stellte der Voest-Chef für das soeben beendete Geschäftsjahr 2021/22 ein höheres Ergebnis in Aussicht: Der erwartete operative Gewinn (Ebitda) wird von "bis zu 2,2 Milliarden" auf knapp 2,3 Milliarden Euro erhöht. Der Anstieg sei unter anderem deshalb so deutlich, weil man gestiegene Rohstoffkosten an Kunden weitergeben habe können.

Einst Prestigeobjekt

Die Voest schlägt damit ein Prestigeobjekt des früheren Generaldirektors Wolfgang Eder los, der seit März dem Aufsichtsrat vorsitzt. Entsprechend schwierig gestaltete sich der Verkaufsprozess, wie man hört. Bis zuletzt sei neben Arcelormittal auch mit dem viertgrößten Stahlkonzern der Welt, Posco aus Korea, verhandelt worden, berichteten Insider.

In Texas habe man zwar durchgehend ein positives operatives Ergebnis (Ebitda) erwirtschaftet, im Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) sei man aber im Durchschnitt der Jahre immer negativ gewesen, räumte Eibensteiner in einer Telefonkonferenz ein. Kaum gute Ergebnisse, das sei auch der Grund für den jetzigen Verkauf.

Dass Texas in Summe bereits bis zu zwei Milliarden Dollar gekostet habe, wie Kritiker immer vorrechnen, stellt Eibensteiner vehement als unseriös in Abrede. Pro Jahr habe man rund 40 Millionen Dollar investiert, also weniger als die Abschreibungen.

Spotmarktrisiko minimiert

Zudem reduziere man durch den mehrheitlichen Verkauf der Anlage am Golf von Mexiko das Spotmarktrisiko aus dem Verkauf des "Hot Briquetted Iron" (HBI) aus Corpus Christi. HBI ist zwar ein gefragter Rohstoff, aber drei Viertel des mit zwei Millionen Tonnen angegebenen Ausstoßes des HBI-Werks müssen am Weltmarkt verkauft werden. Dieses Risiko sei man nun los.

Dass die nach Europa verschiffte Menge zu gering bemessen sein könnte für den Eigenbedarf, stellt Eibensteiner in Abrede. "Wir konzentrieren uns auf Stahlherstellung", nicht auf die Produktion von Vormaterial. Die ursprünglich geplanten 500.000 Tonnen wären gerade einmal eine halbe Schiffsladung mehr., fielen also nicht ins Gewicht. Stichwort Eigenbedarf. Der war 2016 mit bis zu 800.000 Tonnen ebenfalls zu optimistisch angenommen worden.. Das freilich hat auch mit den Weltmarktpreisen zu tun und den deutlich verschlechterten Verhältnissen zwischen Schrott- und Erzpreis.

Warnung vor Gasstopp

Vor einem Stopp für Gaslieferungen aus Russland warnt der Voest-Chef eindringlich: Das würde Österreichs Industrie deutlich stärker treffen und auch viel länger dauern als die Corona-Pandemie – mit allen negativen Folgen für Arbeitsplätze. Ohne Gas sei Stahlerzeugung und -verarbeitung nicht möglich. Bei der Voestalpine mache Gas ein Viertel des Energiebedarfs aus. (Luise Ungerboeck, 14.4.2022)