Im Gastblog weist die Medienethikerin Larissa Krainer um den Segen freier Medien hin.

Pandemie, Krieg, Korruption im eigenen Land. So unterschiedlich die Krisen auch sein mögen, sie beschäftigen einen jeweils auch mit Fragen, die die Rolle der Medien und deren Berichterstattung betreffen. Berichten sie umfassend, ausgewogen und objektiv? Und noch genereller: Brauchen wir heute überhaupt noch ein journalistisches System – oder reicht es aus, dass wir selbst im Netz alles recherchieren können, was wir wissen wollen?

Qualitätsmedien und alternative Fakten

Die Pandemie hat unsere Gesellschaft gespalten – und bei weitem nicht nur in die einen, die sich für das Impfen aussprechen, und die anderen, die dagegen auftreten. Sie hat einen Graben aufgerissen zwischen jenen, die darauf vertrauen, dass Regierende nach bestem Wissen und Gewissen auf Basis von jeweiliger wissenschaftlicher Expertise entscheiden (wohl wissend, dass sich deren Erkenntnisse im Verlauf der Zeit verändern können und Entscheidungen angepasst werden müssen), und jenen, die keinen Cent darauf verwetten würden – eher im Gegenteil (und die wissenschaftliche Expertise generell oder partiell infrage stellen).

Sie hat uns noch verstärkt polarisiert in jene, die davon ausgehen, dass medialer Berichterstattung in Qualitätsmedien geglaubt werden darf, und jene, die die sogenannten alternativen Fakten präsentieren oder bevorzugen und Medien als von der Politik ferngesteuerte Lügenpresse diskreditieren und daher zu anderen Informationsquellen greifen oder diese betreiben. Und natürlich gibt es nicht nur die einen und die anderen, sondern auch viele, die zwischen den Polen changieren.

Medienvielfalt in Österreich.
Foto: APA

Gratwanderung Krieg

Der Krieg in der Ukraine, der uns so viel näher erscheint, als alle anderen Konfliktherde dieser Erde, wird uns primär durch Medien vermittelt, durch die schrecklichen und erschütternden Bilder und durch Berichte von Korrespondentinnen und Korrespondenten, die in der Kriegsregion verharren, um uns zu informieren. Wir sehen Bilder von Ruinen und Toten, hören die Stimmen der Angehörigen, von Flüchtenden und Verängstigten. Die meisten von ihnen stammen aus der Ukraine – die Bilder von denen, die für Russland in den Krieg ziehen müssen, ohne es zu wollen, sind (noch) selten. Dass das öffentliche Auftreten und politische Eintreten gegen den Krieg in Russland von massiven Sanktionen begleitet ist, wurde uns hingegen anschaulich durch die Berichterstattung über Verurteilungen geschildert.

In Kriegszeiten werden Medien von politischer Seite, so gut es geht, kontrolliert, und was sich nicht kontrollieren lässt, so gut es geht, wird verboten (zum Beispiel soziale Medien), und Verbotenes wird so drastisch wie möglich sanktioniert (zum Beispiel freie Meinungsäußerung). In Kriegszeiten werden ausländische Medien aber auch, so gut es geht, mit der eigenen Sicht der Dinge versorgt – Stichwort Propaganda – und laufen dabei Gefahr, nur eine Seite zu hören, wo es prinzipiell zwei gäbe. Das bedeutet freilich nicht, dass das politische Geschehen nicht einzuordnen wäre oder die Rolle von Aggressor und Opfer nicht im Blick behalten werden sollte – es zeigt aber, welche Gratwanderung Kriegsberichterstattung immer bedeutet.

Freie Medien

Was Krisen wie die Pandemie oder Kriege gemeinsam haben, ist, dass sie uns jeweils sehr anschaulich zeigen, dass es gar nicht so einfach ist, den Überblick zu behalten und zu wissen, ob wir es mit seriöser Information oder bewusster Desinformation zu tun haben. Was allerdings einen großen – und vermutlich den wichtigsten – Unterschied ausmacht, ist, ob Staaten Medien- und Meinungsfreiheit in ihren Verfassungen garantieren oder nicht beziehungsweise diese zeitweilig einfach aussetzen, wie am Beispiel Russlands veranschaulicht. Im ersten Fall ist es möglich, andere Sichtweisen zu vertreten, zu veröffentlichen oder zu suchen, im anderen Fall in der Regel nicht mehr.

Wären Österreichs Medien politisch ferngesteuert, wüssten wir wohl nichts von den aktuellen Korruptionsdebatten, den Chats, die hohen Beamtinnen und Beamten wie politischen Repräsentantinnen und Repräsentanten zum Fallstrick geworden sind. Wir wüssten auch nichts von denen, die auf die Straße gehen, um gegen Corona-Maßnahmen aufzutreten und dabei lautstark die Regierung zu kritisieren, wir wüssten nichts von jenen, die Wissenschaft und Forschung misstrauen. Man muss nicht ihrer Meinung sein, aber dass wir nichts von ihrer Meinung wüssten, ist – dank diverser, vielfältiger und freier Medien – nicht der Fall. (Larissa Krainer, 19.4.2022)