Uns ist in den vergangenen zwei Jahren buchstäblich die Luft ausgegangen. Erholung gab es kaum. Jetzt sehen wir seit Wochen Krieg und fürchten zu Recht um Demokratie und Wohlstand. Im Hintergrund hatte sich lang davor ein vielfach ungesundes Arbeitsklima aufgebaut.

Dessen toxische Inhaltsstoffe: die Teilung der Jobwelt in jene, die zu viel zu tun haben, und jene, die sich nicht einfädeln können. In jene, die begehrte Preziosen sind und fordern können, und jene, die am Ende der sich verbreiternden Konsum- und Arbeitskette hackeln. In jene, die das richtige Alter, Geschlecht und die richtigen Abschlüsse haben, und jene, die zu alt sind. Und schließlich in jene, die anhaltende Beschleunigung und Komplexität, zunehmende Vermischung von privat und Arbeit gut aushalten, und jene, die das nicht packen.

So oder so sind die meisten extrem gestresst – gemeint ist der schlechte, der Disstress, der Druck, der zu viel Cortisol im Hirn erzeugt und damit schleichend krankmacht. So oder so schlägt jetzt alles in der Firma auf, wo die alte Ordnung der Bürogeher auch mit Zwang zur Rückkehr ins Office nicht mehr schnippschnapp herzustellen ist, wo Neuorganisation gefordert und Sicherheit gesucht wird.

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Im Schnellsiedeverfahren sollen Führungskräfte zu Therapeuten befähigt werden. Das wird so nicht klappen.
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Dreiklang der Veränderung

Wer hat alles auf dem Tisch und soll es wieder gut machen – die Erschöpften fit, die Ängstlichen mutig, die Besorgten zuversichtlich und die Verhaltensoriginellen angepasst? Die Führungskräfte. Noch nie hat das Geschäft der Berater, Arbeitspsychologen und Coaches für diese Themen derart geboomt wie gerade jetzt, da Unternehmen auch innen, also in ihrer Psyche, extrem verletzlich sind. Im Schnellsiedeverfahren sollen Führungskräfte gleich Therapeuten befähigt werden, erledigte, streitende Teams wieder auf Vordermann oder -frau zu bringen. Das wird so nicht klappen. Weder werden Führungskräfte ihre Teams schnell "reparieren" können, noch ist die Verantwortung allein auf die Schultern der Arbeitenden zu packen, wo sie am besten instantan wegyogaisiert werden soll.

Damit es uns besser geht im Job, brauchen wir den Dreiklang der Veränderung: in der Organisation, die nicht umhinkommt, ihre Rahmenbedingungen neu zu erfinden, in der Führung, die ihre Qualitäten auf den Prüfstand stellen muss, und in der Selbstverantwortung für mentale Gesundheit, die nicht an die Firma oder einen Wunderwuzzi-Chef delegiert werden kann. Wir brauchen diese drei auf dem Weg in die neue Arbeitswelt. (Karin Bauer, 18.4.2022)