Am 19. Mai 1858 hörten vier Schäfer in Kakowa im Banat, dem heutigen Grãdinari in Rumänien, ein Donnern und Sausen in der Luft und beobachteten, wie ein Stein vom Himmel fiel. Der Eindringling aus dem Weltall bohrte sich ganz in der Nähe ihrer Schafherde rund acht Zentimeter tief in den Boden und verbrannte das umliegende Gras, heißt im Bericht des Fundes. Zsurzs Csinka, der älteste der Schäfer, nahm den 577 Gramm schweren Stein direkt nach dem Fall "in die Hand und verspürte eine fast unerträgliche Wärme".

Pflichtbewusst wurde das Objekt in der nahen Stadt Orawitz (Oravița) den Behörden übergeben. Vom örtlichen Gouverneur ging der Meteorit bald darauf an Wilhelm Haidinger, den Direktor der kaiserlich-königlichen geologischen Reichsanstalt. Haidinger übergab ihn dem Naturhistorischen Museum in Wien, wo er sich bis heute in der Sammlung befindet.

Dem vorbildlichen und raschen Handeln der Schäfer ist es zu verdanken, dass der Kakowa-Meteorit fast genau 164 Jahre später nun Informationen über dramatische Ereignisse in längst vergangenen Zeiten des Sonnensystems preisgeben kann.

Meteorite als Zeitkapseln

Nur der geringste Teil der bekannten Meteorite stammt von einem beobachteten Fall: von über 77.000 Einträgen in der Datenbank der Meteoritical Society sind nur 1216 als Fall eingeordnet – darunter im Jahr 2020 der Meteorit von Kindberg. Zumeist lagen die Steine aus dem All mehrere Jahre bis Jahrtausende auf der Erde, bevor sie eingesammelt wurden. Sie waren daher der Witterung auf der Erde und den damit verbundenen chemischen Veränderungen ausgesetzt.

Werden sie jedoch direkt nach dem Fall geborgen, bleibt der irdische Einfluss gering, und die Informationen über ihre Geschichte sind unverfälscht erhalten. Ihre asteroidischen Mutterkörper wurden durch radioaktiven Zerfall erhitzt, wodurch sie eine Metamorphose durchmachten und Flüssigkeiten freigesetzt wurden. Dazu waren sie zahlreichen Kollisionen ausgesetzt, deren Schockwirkung sichtbare Spuren hinterließ.

Kakowa ist von Schockadern durchzogen – Zeugen gewaltiger Kollisionen.
Foto: NHM Wien/Ludovic Ferrière

Bei Kakowa handelt es sich um eine derartige Zeitkapsel, die einen Blick auf die Ursprünge unseres Sonnensystems ermöglicht. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Ioannis Baziotis von der Landwirtschaftlichen Universität Athen hat nun eine Reihe von Hochdruckmineralen im Kakowa-Meteoriten entdeckt und erstmals für einen gewöhnlichen Chondrit den Nachweis für eine Alteration durch Fluide erbracht. Bisher waren diese Belege für flüssiges Wasser bis auf wenige Ausnahmen nur für die Gruppe der kohligen Chondrite bekannt.

Gewaltiges Ereignis

Kakowa ist ein L6-Chondrit, damit gehört er unter den Meteoriten nicht zu den extremen Seltenheiten. Vermutet wird, dass der Mutterkörper der L-Chondrite von 470 Millionen Jahren bei einer gewaltigen Kollision im Asteroidengürtel zerstört wurde. Kakowas Geschichte wurde nun von den Forschern rekonstruiert: "Zunächst wurden Impakt-Schmelzadern bei einem starken Schockereignis geformt, dann wurden bei einem schwächeren Ereignis wasserführende Mineralphasen in die Brüche injiziert", erklärt Baziotis.

In den Schockadern wurden verschiedene Hochdruckminerale wie Ringwoodit, Wadsleyit, Majorit und Jadeit identifiziert, die auf einen Druck von ein bis zwei Dutzend Gigapascal schließen lassen. Von besonderer Bedeutung ist jedoch der Fund hydratisierter Minerale in den Füllungen der Brüche: Der Nachweis, dass auch die Mutterkörper gewöhnlicher Chondrite ausreichend Wasser freigesetzt haben, um hydratisierte Minerale zu bilden, fügt eine mögliche Quelle für die Herkunft des irdischen Wassers hinzu.

Verändert durch Fluide

Diese Entdeckung ist ein Zufallsfund, denn das Ziel der Studie war die Untersuchung von Schockeffekten in verschiedenen Meteoriten und die Auswirkung von Einschlägen auf den Mutterkörpern, sagt der Kurator der Meteoritensammlung des NHM, Ludovic Ferrière: "Am Ende fanden wir einzigartige Beweise für eine Veränderung durch Fluide, die noch nie zuvor in einem gewöhnlichen Chondrit gesehen wurde. So funktioniert Wissenschaft".

Zu den in den Taschen der Bruchfüllungen entdeckten Mineralen zählen Korund, Albit, Siliciumdioxid, Fayalit, Forsterit und Margarit in einer an Blei und Eisen reichen Matrix. Diese Füllungen könnten theoretisch von drei Quellen stammen: vom Mutterkörper des Meteoriten selbst, von einem anderen Asteroiden oder aber durch eine Kontaminierung mit irdischem Material nach dem Fall.

Mit dem Elektronenmikroskop konnte unter anderem das hydratisierte Mineral Margarit in einer Bruchfüllung nachgewiesen werden, das im Mutterkörper des Kakowa-Meteoriten durch einer Veränderung durch Fluide gebildet wurde
Foto: Caltech / Chi Ma

Experten des California Institute of Technology in Pasadena führten diverse mikroanalytische Methoden durch, um die Mineralogie, die chemische Zusammensetzung und die Isotopenverhältnisse der hydratisierten Minerale zu charakterisieren. Dadurch konnte ausgeschlossen werden, dass diese von einer anderen Quelle wie einem kohligen Chondriten oder von der Erde stammen. "Je mehr Methoden wir auf diese exotischen Materialien angewendet haben, desto sicherer wurden wir, dass wir die Minerale richtig identifizierten und sie außerirdischen Ursprungs sind", sagt der Leiter des Caltech-Teams, Paul Asimow.

"Wahrer Schmuck" im NHM

Die Meteoritensammlung des NHM sei "ein wahrer Schmuck, ein Wahrzeichen des Eifers, der Kenntnis und Beharrlichkeit", begründete Haidinger 1859 in seinem Bericht über Kakowa die Entscheidung, den Stein weiterzugeben. "Aus der Aufbewahrung, wie sie im k. k. Hof-Mineralien-Cabinete gepflogen wird, wo die Gegenstände zu jeglichen nützlichen Studien auf das Zuvorkommendste zur Disposition gestellt sind, und die hochverehrten Freunde selbst unsere Kenntnis fortwährend durch ihre Arbeiten bereichern, lässt sich für die Wissenschaft der größte Nutzen erwarten", schrieb er weitsichtig – eine Auffassung, die Ferrière teilt: Dass man nach so langer Zeit Kakowas Geheimnisse habe entschlüsseln können, unterstreiche die Wichtigkeit der Museumssammlung, sagt der Impaktforscher. (Michael Vosatka, 19.4.2022)