Ballaststoffe und Rohkost sind gesund – doch übertreibt man es damit, kann das einen empfindlichen Darm überlasten. Ein Ernährungstagebuch kann helfen, die für sich ideale Essweise zu ergründen.

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Magenschmerzen, Reizdarm, Krämpfe, Durchfall – die Liste der Magen-Darm-Beschwerden, die mit der Verdauung zusammenhängen, ist lang. Der Verdacht einer Unverträglichkeit ist schnell zur Hand. Lässt man dann gewisse Lebensmittel weg, bessern sich die Probleme häufig. Doch das bedeutet nicht zwingend, dass tatsächlich eine Unverträglichkeit besteht, eindeutige Diagnosen sind in diesem Bereich oft schwierig.

Tatsächlich sind die Beschwerden ein wahres Volksleiden, besonders der Reizdarm, von dem in Deutschland circa elf Millionen Menschen betroffen sind. Das sind etwa 13 Prozent der Bevölkerung, wie der deutsche Ernährungswissenschafter und Buchautor Uwe Knop weiß. In Österreich dürfte ein ähnlich hoher Prozentsatz darunter leiden.

Hat man Darmprobleme und verschwinden diese nicht, werden sogar chronisch, ist es dringend geboten, einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen, um abzuklären, was potenzielle Auslöser der Probleme sein können. Knop betont: "Idealerweise hat man dann am Ende eine klare Diagnose wie Zöliakie oder Laktoseintoleranz, die man behandeln kann. Deshalb braucht es eine medizinische Abklärung, bevor man einfach anfängt, sich selbst zu therapieren."

Unklare Diagnose

Doch viele Menschen bekommen eben keine klare Diagnose. Man spricht dann von funktionellen Krankheiten, es gibt keine klare organische Ursache für die Beschwerden und auch kein eindeutiges Krankheitsbild. Eine Diagnose wird dann über Ausschluss verschiedener Möglichkeiten gestellt. Ein Reizdarmsyndrom etwa wird so festgestellt. Dazu kommt, dass auch die Psyche ganz eng mit dem Magen-Darm-Trakt verbunden ist. Nicht umsonst wird der Darm auch als Sitz des Bauchhirns bezeichnet, immerhin besteht das dortige enterische Nervensystem aus über 100 Millionen Nervenzellen. Die Kommunikation geht dabei in beide Richtungen, also vom Gehirn zum Bauch und umgekehrt – wobei deutlich mehr Kommunikation von unten nach oben läuft.

Das erklärt, warum Angst, Stress und mehr auf den Magen schlagen können. Da ist es nachvollziehbar, betont Knop, "dass viele Menschen die so ausgelösten Symptome mit der Ernährung in Zusammenhang bringen". Die Folge ist, dass oft das Essen für Probleme verantwortlich gemacht wird, mit denen es wohl zu tun haben kann, für die es aber nicht zwingend die Ursache ist.

Was tun also, wenn man keine klare Diagnose hat, aber Blähungen, Krämpfe, Durchfall und mehr trotzdem nicht weggehen? Knop rät: "Hat man ausgeschlossen, dass es sich um eine diagnostizierbare Krankheit handelt, muss man herausfinden, welche Ernährung zu einem passt. Also eine individuelle Ernährungsform finden, die nicht nur gut schmeckt, sondern die man wirklich verträgt und die einem bekommt, weil der Darm das Essen problemlos verdauen kann. Ich nenne das intuitives Essen."

Ernährungstagebuch führen

Ein guter Weg, um herauszufinden, was einem bekommt, ist ein Ernährungstagebuch. Knop: "Man schreibt zumindest zwei Wochen lang auf, was man zu jeder Mahlzeit gegessen hat. Außerdem wie die allgemeine Situation war, das Stresslevel, wie man sich danach gefühlt hat, ob einen vielleicht eine bestimmte Person aufgeregt hat, wie die allgemeine Stimmung war und ob man Symptome hatte. Notiert man all das, ergibt sich ein Gesamtbild, das helfen kann, Stressoren, die womöglich zu Verdauungsproblemen führen, zu identifizieren."

Neben emotionalen Stressoren kann aber auch ganz banal die Ernährungsweise selbst für Probleme verantwortlich sein. Das kann vor allem jene betreffen, die besonders akribisch auf gesunde Ernährung achten. Knop erklärt: "Ein Credo in der gesunden Ernährung ist, möglichst viel Rohkost und Ballaststoffe zu essen. Beides ist auch sehr wichtig, aber wenn man eher empfindlich ist, kann man damit auch einfach den Magen-Darm-Trakt überlasten. Dann wäre es wichtig, eine Zeit lang ballaststoffärmer zu essen, weil das für viele einfach leichter verdaulich ist – auch wenn das Anhänger der "gesunden Ernährung" nicht immer wahrhaben wollen."

Das heiße nicht, dass eine allgemein als gesund geltende Ernährung, mit viel Gemüse, eher wenig Fleisch, unverarbeiteten Produkten und wenig Zucker im Normalfall nicht gut und wichtig sei. Relevanter sei aber hohe Qualität und maximale Frische der Lebensmittel. Dazu müsse man ganz individuell probieren und austarieren, in welcher Zusammensetzung, Zubereitungsart und Menge man diese Dinge optimalerweise zu sich nimmt, es gibt kein allgemeingültiges Rezept dafür. Was für eine Person gut passt, kann für eine andere ein echtes Problem sein. Und Knop betont: "Es darf bei dieser Suche nach der für sich selbst besten Ernährungsform keine auferlegten Credos, zwanghaften Dogmen oder Denkverbote geben. Nur so wird man langfristig erfolgreich sein." (Pia Kruckenhauser, 16.4.2022)