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Auch menschliche Eizellen (hier umgeben von Spermien) könnten teilweise besser vor Mutationen der mitochondrialen DNA geschützt sein.
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Als "Kraftwerke der Zelle" bekannt, übernehmen Mitochondrien einen wichtigen Job: Sie versorgen die eigene Zelle mit der richtigen Energiewährung, die für zahlreiche Prozesse notwendig ist. Ein Mitochondrium ist im Gegensatz zu anderen Zellorganellen auch relativ abgeschlossen und besitzt eigenes Erbgut, die sogenannte mtDNA. Die Linzer Forscherin Barbara Arbeithuber gelangte nun zur interessanten Erkenntnis, dass diese mitochondriale DNA in den Eizellen von Rhesusaffen verhältnismäßig wenige Mutationen aufweist: Im Gegensatz zu anderen Gewebezellen kommt es hier mit dem Alter seltener zu zufälligen Veränderungen des Erbguts.

Im Fachjournal "PNAS" schreibt Arbeithuber von der Universität Linz mit ihrem Forschungsteam, dass es einen Schutzmechanismus geben könnte, der die Mutationsrate in den Keimzellen von Primaten im Vergleich zu anderen Geweben relativ niedrig hält. Das ist auch im Hinblick auf Krankheiten interessant, die durch Mutationen in der mtDNA entstehen. Dazu zählen etwa die Laktatazidose, bei der das Blut durch Milchsäure übersäuert, sowie bestimmte Krankheiten, die unter anderem mit Muskelschwäche einhergehen – etwa mitochondriale Versionen der Myopathie und der Enzephalomyopathie. Mutationen in der mtDNA sind aber auch an Diabetes Typ 2 beteiligt.

Anhäufung im Alter

Aufgrund solcher Erkrankungen und der Tendenz, Kinder erst in höherem Alter zu bekommen, versuchen die Forschenden zu verstehen, wie sich Mutationen mit dem Alter anhäufen. Denn die Veränderungen in der mitochondrialen DNA von Eizellen können an die nächste Generation weitergegeben werden.

Mitochondrien werden normalerweise ausschließlich über Eizellen vererbt. Denn die Zellkraftwerke eines Spermiums dringen bei der Befruchtung nicht in die Eizelle ein, sondern bleiben außen vor und werden durch Enzyme aufgelöst. Außerdem wichtig: Die Eizellen eines Fötus werden in einem Vorläuferstadium bereits vor der Geburt gebildet und lagern jahrelang im Eierstock, ehe bei jedem Fortpflanzungszyklus einige von ihnen aktiviert werden. Deshalb könnte man erwarten, dass in dieser Zeit mehr Mutationen entstehen.

Lebensspanne abgedeckt

Barbara Arbeithuber, die an der Uni Linz eine Forschungsgruppe zu experimenteller Gynäkologie und Geburtshilfe leitet, hat großteils noch in ihrer Zeit als Postdoc an der Pennsylvania State University (USA) unter der Leitung von Kateryna Makova die Mutationsentwicklung der mtDNA an Rhesusaffen untersucht. "Das ist nicht so einfach, da echte Mutationen nur schwer von Sequenzierungsfehlern zu unterscheiden sind, die bei den meisten Sequenzierungstechnologien mit einer höheren Rate als der Mutationsrate auftreten", erklärt Arbeithuber.

Die Forschenden verwendeten deshalb eine als "Duplex-Sequenzierung" bezeichnete Methode, bei der beide DNA-Stränge einzeln sequenziert und dann verglichen werden. "Wenn wir Veränderungen auf beiden Strängen sehen, können wir sicher sein, dass es sich um eine echte Mutation handelt", sagt die Forscherin.

Rhesusmakaken pflanzen sich meist ab dem Alter von drei bis acht Jahren fort. Im Laufe der Zeit scheint die mtDNA ihrer Eizellen besser vor Mutationen geschützt zu sein als die anderer Gewebezellen.
Foto: Ye Aung Thu / APA / AFP

Derart wurde das mitochondriale Erbgut von Muskel-, Leber- und Eizellen-Vorläufern von 30 Rhesusaffen sequenziert, die nicht miteinander verweandt waren. Die Tiere waren zwischen einem Jahr und 23 Jahren alt, womit nahezu die gesamte reproduktive Lebensspanne der Affen abgedeckt wurde. Die Gewebe für die Studie wurden über Jahre hinweg in Primatenforschungszentren gesammelt, und zwar von Tieren, die eines natürlichen Todes starben oder aufgrund von Krankheiten eingeschläfert wurden.

Widerstandsfähiger als gedacht

Insgesamt stellten die Forschenden dabei – wie bereits erwartet – fest, dass mit zunehmendem Alter in allen untersuchten Geweben mehr Mutationen der mtDNA auftraten. Die Leberzellen zeigten die stärksten Veränderungen mit einem 3,5-fachen Anstieg der Mutationshäufigkeit über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren. In Muskelgewebe erhöhte sich diese Häufigkeit im gleichen Zeitraum um das 2,8-Fache. Und in Eizellen stieg die Mutationshäufigkeit der mtDNA bis zum Alter von neun Jahren um das 2,5-fache, blieb danach aber konstant.

Womöglich sind also Eizellen widerstandsfähiger gegenüber Mutationen als gedacht. Für das Forschungsteam deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Eizellen von Primaten über einen Mechanismus zum Schutz oder zur Reparatur ihrer mitochondrialen DNA verfügen, "möglicherweise mittels der Beseitigung fehlerhafter Mitochondrien oder Eizellen", sagt Arbeithuber. Um den Zusammenhang zu bestätigen, wären künftige Studien mit einer größeren Stichprobe hilfreich.

Späte Fortpflanzung

Eine Möglichkeit, weshalb ein solcher Effekt beobachtet wurde, steht ebenfalls bereits im Raum: Es könnte sich um eine Anpassung an die vergleichsweise späte Reproduktion von Primaten handeln. Im Gegensatz zu anderen Tiergruppen pflanzen sich Affen und Menschen erst in relativ hohem Alter fort. Menschen werden bekanntlich in der Pubertät geschlechtsreif – die sich Studien zufolge unter Mädchen in den vergangenen Jahrzehnten durchschnittlich in jüngere Jahre verlagerte.

Bei den hier untersuchten Rhesusaffen, die bis zu 30 Jahre alt werden können, werden Weibchen mit drei Jahren geschlechtsreif und Männchen mit vier Jahren. Letztere können zwar prinzipiell mit rund vier Jahren Rhesusaffenbabys zeugen, tun dies aber oft erst im Alter von etwa acht Jahren, wenn sie gänzlich ausgewachsen sind. (red, APA, 15.4.2022)