Ist man krank, fragen viele als Erstes bei Dr. Google nach. Symptom-Checker-Apps können aber wesentlich bessere – und hilfreichere – Diagnosen stellen.

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Wenn es irgendwo am Körper unverhofft zwickt oder wehtut, dann greifen manche immer noch zum gedruckten Gesundheitslexikon, um dem Symptom eine Ursache zuzuordnen. Für die meisten ist aber mittlerweile Google zum ersten Ansprechpartner bei akuten Wehwehchen geworden. Allerdings recherchiert man hier unstrukturiert auf tausenden unbekannten Websites, liest ungeprüfte Diagnosen und Tipps in Internetforen. Und eine verlässliche Einschätzung, ob die eigenen Beschwerden gar einen Notfall signalisieren, liefern weder Buch noch Google.

Doch es gibt mittlerweile gute Symptom-Checker-Apps fürs Smartphone, die bessere Dienste leisten können. Zwar stellen auch sie nicht mit hundertprozentiger Sicherheit die richtige Diagnose, dafür braucht es weiterhin einen Arzt. Doch eine gute App kann die Erkrankung hinter den Symptomen gut einkreisen und einen Hinweis geben, ob es sich um einen Notfall handelt, ein Arztbesuch in den nächsten 24 Stunden ausreicht oder ob auch die Apotheke helfen kann.

Immer Quellen recherchieren

Allerdings sollte man dabei unbedingt auf die Quellen achten, auf deren Basis die Diagnosevorschläge abgeleitet werden, und dass die App von einem vertrauenswürdigen Anbieter stammt, rät Reinhard Jeindl vom Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) in Wien. Apps, die ihre Quellen nicht offenlegen, seien nicht vertrauenswürdig. Aber auch die Qualität entscheide, "denn es macht einen großen Unterschied, ob seriöse medizinische Quellen herangezogen werden oder die Informationen von einer Homöopathie-Seite oder Nahrungsergänzungsmittel-Werbeplattformen stammen".

In Studien zeigt sich, dass die Zuverlässigkeit der verschiedenen Apps, also wie gut sie vom Nutzer eingegebene Symptome einer Erkrankung zuordnen können, stark schwankt. Jeindl hat Ende 2021 mehrere Duzend Studien ausgewertet, die Symptom-Checker untersucht haben. Sein Fazit: "Zwar wurden bisher keine Schäden durch Verwendung der Apps identifiziert, aber die Evidenz zur Genauigkeit der gestellten Diagnosen und der daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen lieferte keine zufriedenstellenden Ergebnisse". Ein positiver Nutzennachweis sei daher noch nicht ausreichend erbracht worden.

Erst im Sommer 2021 untersuchte das Fachmagazin Plos One zwölf beliebte Symptom-Checker und attestierte den allermeisten Anbietern nur eine schwache Leistung. Die meisten Apps schaffen demnach noch nicht einmal zu 50 Prozent die richtige Diagnose. Am besten schneidet der Symptom-Checker Ada ab: Von 50 unterschiedlichen durchgespielten medizinischen Fällen stellte Ada bei 36 die richtige Diagnose, das entspricht 72 Prozent. Bei 42 von 50 Fällen (84 Prozent) befand sich die richtige Diagnose immerhin innerhalb der fünf wahrscheinlichsten. Mediktor, einzige weitere in der Plos-Studie untersuchte deutschsprachige App, stellte dagegen in noch nicht einmal der Hälfte aller Fälle die richtige Diagnose. Zu den anderen deutschsprachigen Apps gibt es, wenn überhaupt, nur vom Anbieter selbst durchgeführte Studien. In einer unabhängigen australischen Studie stellte 2020 die auch in deutscher Sprache erhältliche App Symptomate in 61 Prozent der Fälle die richtige Diagnose, in 77 Prozent befand sie sich innerhalb der drei wahrscheinlichsten.

Vorsicht bei der Interpretation

Bei der Interpretation der Studienergebnisse zur diagnostischen Genauigkeit und zu den Handlungsempfehlungen ist jedoch Vorsicht geboten, sagt Jeindl. "Aufgrund des gewählten Studiendesigns gibt es in fast allen Studien ein erhebliches Verzerrungspotenzial". So könne es zumindest in den Studien, die die Hersteller selbst durchgeführt haben, nicht ausgeschlossen werden, dass die Algorithmen der Symptom-Checker mit denselben Fallbeispielen trainiert wurden, die auch zum Testen der Zuverlässigkeit in den Studien dienten. "Dadurch können manche Ergebnisse nicht auf reale Bedingungen umgelegt werden".

In deutscher Sprache zu empfehlen sind daher nur wenige Apps wie Ada, Mediktor oder Symptomate. "Ada ist sicher eines der Tools, das am weitesten entwickelt ist", sagt der Züricher Hausarzt und Präsident des schweizerischen mediX-Ärztenetzes, Felix Huber, der sich zusammen mit seinem Kollegen Robin Schmidt aus Sicht des Arztes mit den Apps beschäftigt hat. In der Schweiz sei zudem das SMASS-System eine der fortschrittlicheren Symptom-Checker, das unter anderem von der Gesundheitsplattform well.ch verwendet wird.

"Wichtig ist, dass es sich bei dem verwendeten Symptom-Checker um ein zertifiziertes Medizinprodukt handelt", sagt Huber. Dies erkenne man beispielweise an der CE-Kennzeichnung oder dem Zusatz Medizinprodukt Klasse 1. Die Kennzeichnung allein sei aber keine Qualitätsgarantie. In Studien erreichten nur solche Symptom-Checker die besten Trefferquoten, die im Hintergrund auf eine auf aktuellen Forschungsbefunden basierende, umfangreiche medizinische Datenbank mit Symptomen und Erkrankungen zurückgreifen können und die von ihren Nutzern anonymisiert später auch Rückmeldungen einholt. Nur so lernt die App mit der Zeit, Muster von geschilderten Symptomen immer zuverlässiger Krankheiten zuzuordnen.

Rückmeldung für den Algorithmus

Dafür benötigt eine gute App vom Patienten auch etwas Aufmerksamkeit. Etwa zwei bis drei Minuten muss dieser einplanen, um in einem Frage-Antwort-Chat sein Leiden genau zu schildern – deutlich kürzer als eine Google-Recherche. Eine gute App fragt dabei unter anderem nach Geschlecht, Alter, ob die Diagnose für den Nutzer selbst oder eine andere Person ist, welches die Hauptsymptome sind, ob Fieber vorhanden ist, ob die Symptome plötzlich aufgetreten sind und wie der Nutzer seinen mentalen Zustand beschreiben würde.

"Ein guter Symptom-Checker sollte zudem die eingenommenen Medikamente und bereits diagnostizierte Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht und mehr abfragen", sagt Huber. Das würden allerdings nur die wenigsten tun. "Deshalb können solche Apps zwar bei einfachen und monokausalen Beschwerden eine gewisse Hilfe bringen, aber sie versagen bei komplexeren Problemen bei Patienten mit Vorerkrankungen."

Ein weiterer Grund für die teilweise ungenaue Diagnose ist menschlich: Dem Patienten oder der Patientin fällt es oft schwer, der App seine Beschwerden wirklich objektiv zu schildern, besonders ängstlichen und allein lebenden Personen. "Das ist ein Schwachpunkt dieser Apps, man kann selbst keine Gewichtung vornehmen", sagt Huber. So beeinflusse man die Diagnose durch die Eingabe der Symptome, wenn man bereits im Vorfeld einen Verdacht auf die Ursache seiner Beschwerden habe. Ein Arzt ist geübt, im persönlichen Gespräch das zu erkennen und noch weitere Faktoren mit einzuschließen. Außerdem kann die App natürlich keine körperliche Untersuchung durchführen und erkennt weder Mimik noch Stimme des Patienten – allesamt wichtige Faktoren, die dem Arzt eine weitaus bessere Trefferquote bei der Diagnose erlauben.

Oft keine eindeutigen Diagnosen

Daher erhalten Hilfesuchende nicht in allen Fällen eine eindeutige Ursache für ihre Symptome. Vielmehr übergibt die App eine Liste, abgestuft nach Wahrscheinlichkeit, mit den möglichen Diagnosen. "Wichtig für den Nutzer ist hier eine verständliche Kommunikation der Resultate und der Wahrscheinlichkeit, damit man das Ergebnis einschätzen kann", sagt Huber. Ada schreibt zum Beispiel im Ergebnis, x von zehn Personen mit den gleichen Symptomen haben die Erkrankung xyz. Andere Apps zeigen auf einer Skala die Wahrscheinlichkeit der Diagnosen. Alle Apps weisen daher darauf hin, dass die Diagnosevorschläge auf keinen Fall die professionelle Beratung oder Behandlung durch einen Arzt ersetzen können. Sie dürften auch nicht dazu verwendet werden, dass Erkrankte eigenständig medizinische Behandlungen durchführen.

Zuverlässiger erkennen alle Apps sogenannte "red flags", also Hinweise, dass bei den geschilderten Symptomen ein Notfall vorliegt oder ein baldiger Arztbesuch dringend angeraten ist. Denn Bauchschmerzen können durchaus auf eine Blinddarmentzündung hinweisen, Rückenschmerzen und Verwirrtheit auf ein akutes Nierenversagen, starker Husten und Atemnot auf einen Asthmaanfall oder starke Brustschmerzen auf einen Herzinfarkt. Solche Beschwerden erkennen die Apps in der Regel und stufen sie als Notfall ein mit dem Hinweis, sofort einen Arzt zu rufen oder ins Krankenhaus zu gehen.

Wenn Beinschmerzen und geschwollene Unterschenkel auf eine tiefe Venenthrombose hindeuten, starke Kopfschmerzen mit Lichtempfindlichkeit auf eine Migräneattacke, beim Kleinkind Fieber und Erkältung auf eine mögliche Mittelohrentzündung, dann empfiehlt die App hingegen eher einen baldigen Arztbesuch am nächsten oder übernächsten Tag. Ungefährliche Beschwerden wie eine laufende Nase, Rückenschmerzen oder einen Hautausschlag, einen Durchfall, eine Herpespustel, Kopfläuse oder eine schmerzende Warze am Fuß werten die meisten Apps dagegen eher in der Kategorie der auch gut in Abstimmung mit der Apotheke oder zu Hause behandelbaren Wehwehchen.

Apps oft übervorsichtig

"Einem Symptom-Checker fehlt nun mal die Person, die die Verantwortung für die Diagnose übernimmt", sagt Huber. Dies führe dazu, dass die Apps aus Risikominimierungsgründen eher eine höhere Versorgungsstufe empfehlen. Dadurch werde eher mal ein Fall als Notfall eingestuft oder der Patient in die Sprechstunde geschickt, als dies ein richtiger Arzt tun würde. Laut Studien schicken die Apps so etwa ein bis zwei von zehn Personen zu schnell in die Notaufnahme. "Dennoch ist ein qualitativ guter Symptom-Checker außerhalb der Arzt-Sprechstunde einer wilden Google-Suche vorzuziehen, denn die endet ja bekanntermaßen nicht selten in einer tödlichen Diagnose." Denn viele Patienten profitieren auch davon, zeigen doch Umfragen, dass nicht wenige selbst in Notfällen sich lange Zeit davor scheuen, einen Krankenwagen zu rufen, und so lange warten, bis es gefährlich wird. Ein dringlicher Hinweis in der App könnte bei ihnen beherzteres Handeln bewirken.

Bleibt noch die Frage des Datenschutzes. Immerhin: Dass die eigenen Beschwerden später im Internet kursieren, ist eher unwahrscheinlich, wenn auch natürlich nicht ausgeschlossen. Zumindest die deutschsprachigen Apps zeigen sich beim Datenschutz eher bemüht. Eine Anmeldung mit Mail-Adresse oder Name, was eine Zuordnung der Beschwerden zu einer realen Person erleichtern würde, ist bei keiner der Apps erforderlich. Unvermeidbar ist allerdings die Übertragung der geschilderten Symptome an die Server des Anbieters, damit die Abgleichung mit der medizinischen Datenbank vorgenommen werden kann.

"Wem das zu unsicher ist, der hat in der telefonischen Gesundheitsnummer 1450 eine gute Alternative", sagt Jeindl. Durch geschultes Gesundheitspersonal bekomme der Nutzer telefonisch anhand der geschilderten Symptome mögliche Handlungsempfehlungen. "Für einige Nutzer dürfte die Möglichkeit der verbalen Kommunikation im Vergleich zur Chatbot-Funktion der Symptom-Checker angenehmer sein." (Andreas Grote, 18.4.2022)