Angekündigt im September vergangenen Jahres, sind die "Ray-Ban Stories seit Mitte März auch in Österreich erhältlich. Dabei handelt es sich um eine Sonnenbrille, die aus einer Kooperation zwischen dem Facebook-Mutterkonzern Meta und Ray-Ban entstanden ist und neben dem Schutz vor UV-Strahlung auch Zusatzfunktionen wie das handfreie Telefonieren, Fotografieren und Musikhören ermöglicht. Der STANDARD hat die Ray-Ban Stories über ein paar Wochen hinweg getestet.

Das Design erinnert an eine klassische Ray-Ban Wayfarer.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Was im Gespräch mit Freunden immer wieder für Enttäuschung sorgte, sei auch hier gleich erwähnt: Eine "echte" Augmented-Reality wird nicht geboten. Die Gläser der Sonnenbrille verfügen über keine Bildschirme oder Ähnliches, es gibt also keine visuellen AR-Erlebnisse. Das dürfte sich erst in einem späteren Produkt wiederfinden, vorerst liegt der Fokus auf Foto, Video und Audio. Doch diese machen Spaß, wenn auch mit gewissen Abstrichen.

Klassisches Ray-Ban-Design

Eines betonten die Manager von Meta und Ray-Ban im Gespräch mit dem STANDARD nahezu gebetsmühlenartig: Das Design ist bei diesem Produkt wichtig, man will den Stil der Kult-Sonnenbrillenmarke so weit wie möglich beibehalten – und lässt dafür lieber eine Funktion weg, als dass man die Fehler wiederholt, welche die Konkurrenz mit der "Google Glass" machte: also ein Produkt anzubieten, das so hässlich ist, dass es niemand im Alltag tragen möchte.

Unscheinbar: der Auslöseknopf am rechten Brillenbügel.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Dementsprechend orientiert sich das Design der Ray-Ban Stories an dem traditionellen Modell der Wayfarer-Sonnenbrillen und ist bloß fünf Gramm schwerer als das Original. Eine auffällige Änderung sind vor allem die leicht dickeren Brillenbügel, zudem befinden sich zwei Kameralinsen und zwei kleine Lämpchen an der Frontseite.

Ein Knopf zum Aktivieren der Kamera findet sich auf der oberen Seite des rechten Brillenbügels, noch weniger auffällig sind Ein-/Ausschalter und diverse Audio-Hardware auf den Innenseiten der Bügel verbaut. Weiters zeigt eine kleine Lampe auf der Innenseite über dem rechten Auge dem Brillenträger an, ob gerade eine Videoaufnahme läuft.

Knackpunkt Datenschutz

Insgesamt wirkt die Brille somit sehr schlicht und hebt sich nicht sonderlich von den Klassikern der Kultmarke ab. Das ist generell zu begrüßen, wenn man beim Treffen im Park nicht wie ein schrulliger Nerd wirken will, bringt aber gleichzeitig ein Problem mit sich: Beim ersten Treffen mit Freunden haben diese in keinem der Fälle gemerkt, dass eine Kamera auf sie gerichtet ist. Und das ist bei allen Beteuerungen des Meta-Konzerns leider ein Datenschutzproblem.

Selfie im Aufzug: Sehen Sie, wie die LED leuchtet?
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Daran änderte auch nichts, dass beim Aktivieren der Kamera eine kleine Lampe neben der Kameralinse aufleuchtet. Denn naturgemäß werden Sonnenbrillen bei starkem Sonnenlicht getragen, und dieses stellt die Helligkeit der kleinen Lampe nur allzu oft in den Schatten. Dass sie gefilmt wurden, haben meine Freunde jeweils erst im Nachhinein erfahren.

Die entsprechenden Bedenken haben bereits europäische Datenschützer auf den Plan gerufen. Meta gelobt zwar, entsprechende Awareness- und Informationskampagnen zu fahren – unangenehme Situationen, zum Beispiel im Freibad, scheinen im kommenden Sommer aber leider vorprogrammiert.

Wenig Platz, kleiner Akku

Anlässlich der Präsentation des Produkts im vergangenen Herbst betonte Meta-CEO Mark Zuckerberg deutlich, dass diese Brille "ein wichtiger Schritt" sei – dass man aber für die Weiterentwicklung auch auf die Entwicklung und Miniaturisierung entsprechender Komponenten angewiesen sei. Dieser besagte knappe Platz zwischen den eigenen Ohren zeigt sich unter anderem darin, dass beim aktuellen Modell bei diversen Komponenten noch Abstriche gemacht werden müssen.

Das zeigt sich unter anderem beim Akku. Dieser soll laut Meta bei "mäßiger Nutzung" bis zu sechs Stunden halten – darunter versteht man eine Stunde Audiohören, 30 Minuten Anrufe, zehn Fotos und zehn Videos.

Die Brille kann im Case geladen werden.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

In der Praxis zeigt sich allerdings, dass vor allem die Art der Nutzung bestimmt, wann wieder geladen werden muss. Und hier spielt vor allem Audio eine Rolle: Bei durchgehendem Musikhören ist nach 2,5 Stunden Sendepause, wenn parallel dazu auch noch fotografiert und gefilmt wird. Beim gänzlichen Verzicht auf die Musik liegt der Akku hingegen trotz intensiver Fotografiererei nach einer Stunde bei rund 90 Prozent.

Ähnlich wie bei Bluetooth-Kopfhörern kommen auch die Ray-Ban Stories mit einem Etui, das sich selbst via USB-C laden lässt und die Brille auch unterwegs auflädt, wenn diese darin platziert wird. Ein voll aufgeladenes Etui ermöglicht bis zu drei zusätzliche Ladungen, was in Summe für die Praxis bedeutet: Wer auf Audio verzichtet, kommt problemlos durch ein verlängertes Wochenende; wer Musik hören will, muss die Brille zwischendurch abnehmen und im Etui verstauen.

Soundtrack fürs Leben

Musikhören wird über kleine Lautsprecher ermöglicht, die sich in den Brillenbügeln befinden. Da diese – im Gegensatz zu Noise-Canceling-Kopfhörern – das Ohr nicht verstopfen, lassen sie auch Umgebungsgeräusche zu und erinnern somit ein wenig an die Linkbuds von Sony, mit allen Vor- und Nachteilen.

So habe ich rasch einen Use-Case für mich entdeckt, den man pathetisch als "Soundtrack fürs Leben" bezeichnen kann: Während man sich mit Freunden unterhält oder mit den Kindern spielt, kann Musik im Hintergrund laufen und entsprechend zur eigenen Grundstimmung beitragen, ohne dass man etwas im Gespräch verpasst. Ein Malus ist wiederum, dass eben auch Nebengeräusche aus einer lauten U-Bahn zu hören sind – worunter die Audioqualität entsprechend leidet.

Apropos Audioqualität: Generell sollte man sich hier nicht erwarten, dass diese mit Kopfhörern im mittleren Preissegment mithalten kann. Das ergibt sich allein schon aus der miniaturisierten Hardware. So konnte ich beim Hören eines Reggae-Songs etwa keinen Bass vernehmen, wo eigentlich einer sein sollte, Mitschnitte von Live-Konzerten klangen recht blechern – was in Summe die Freude dämpft. Problemlos geeignet sind die Kopfhörer aber natürlich für Podcasts und Telefonate.

Gesteuert wird die Audiowiedergabe über Tipp- und Streichbewegungen auf dem rechten Brillenbügel. Das klappte im Test meist problemlos. Und wenn es doch mal zu Fehlern kam – etwa beim Auf- und Abziehen einer Mütze –, dann war das auf meine eigene Ungeschicktheit zurückzuführen.

Erinnerungen aus der Ego-Perspektive

Die Ray-Ban Stories sind mit zwei Fünf-Megapixel-Kameras ausgestattet, die Fotos mit einer Auflösung von 2592 mal 1944 Pixeln und Videos mit 1184 mal 1184 Pixeln bei 30 Frames pro Sekunde ermöglichen. Das klingt nicht sonderlich beeindruckend – tatsächlich entstehen aber vor allem bei gutem Licht (was auch Teil eines typischen Use-Case ist) recht passable Schnappschüsse – wie etwa dieses Bild vom Stephansdom.

Foto: Der Standard/Stefan Mey

Eine Unschärfe kann es wiederum geben, wenn man näher an Objekte – wie diese Blüten – herangeht.

Foto: Der Standard/Stefan Mey

Und hier noch ein Beispiel für eine Aufnahme bei schwächerem Licht.

Foto: Der Standard/Stefan Mey

Auch dies mag übrigens etwas pathetisch klingen, aber die Art des Fotografierens ändert sich durch die Brille grundlegend. So verhindert das Fehlen eines Suchers zwar, dass die Komposition bis zur Perfektion durchstilisiert wird, aber dafür sind umso schönere Spontanaufnahmen aus der Ego-Perspektive möglich: Ich habe gefilmt, wie ich mit einem Freund auf ein Bier anstoße und mein Kind aus dem Kindersitz hole, und beide Erinnerungen hätte ich mit einer klassischen Kamera nicht in dieser Form festgehalten.

Weiters ist zu erwähnen, dass über den "Facbeook Assistant" auch Aufnahmen per Sprachassistent möglich sind. Ist diese Funktion aktiviert, so lassen sich – derzeit noch nicht auf Deutsch, aber natürlich auf Englisch – Fotos aufnehmen, indem man "take a picture" oder "take a video" sagt. Das funktioniert problemlos, ist aber nicht zwingend nötig: Die Bedienung per Hardware-Knopf funktioniert ebenso und geht im Zweifelsfall sogar schneller.

App mit Facebook-Pflicht

Eingerichtet wird die Brille über die begleitende App "Facebook View", über welche auch die Fotos und Videos von der Brille auf das Smartphone übertragen werden. Großer Wermutstropfen an dieser Stelle: Zur Verwendung der App ist ein Facebook-Konto nötig – wer ein solches nicht hat oder nicht haben will, der kann die Brille also nur eingeschränkt nutzen. Immerhin wird seitens Meta versichert, dass keine Dateien ohne eigenes Zutun mit Facebook geteilt werden, und auch ein Privacy-Center soll zusätzliche Optionen bieten.

Die Übertragung der Fotos auf die Brille braucht wiederum eine gewisse Zeit. So muss man für ein Foto rund zehn Sekunden rechnen. Das ist verkraftbar, zeigt aber auch hier, dass zum Beispiel an Funktionen wie Live-Videostreaming noch nicht zu denken ist. Abgerundet wird das App-Angebot durch einen integrierten Fotoeditor – den man aber nicht wirklich braucht, wenn man eine ähnliche Software bereits installiert hat.

Fazit: Lieber abwarten

Es besteht kein Zweifel, dass man mit den Ray-Ban Stories für Gesprächsstoff sorgt – die Frage ist allerdings, ob das zum jetzigen Zeitpunkt einen Preis von 329 Euro rechtfertigt. Denn immerhin sind die Features noch recht beschränkt und kommen teilweise nicht an die Qualität herkömmlicher Kameras und Kopfhörer heran. Und dann ist da noch die ungelöste Datenschutzfrage, die nicht vernachlässigt werden sollte.

Wer also gerne vorn dabei ist, nach einem neuen Blickwinkel für die eigenen Fotos sucht und die damit verbundenen Nachteile nicht scheut, der kann einen Kauf in Betracht ziehen. Für alle anderen gilt: lieber vorerst noch abwarten – denn es ist zu erwarten, dass sich in dieser Produktkategorie in naher Zukunft noch viel tut. (Stefan Mey, 18.4.2022)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: die Ray-Ban Stories wurden von Meta zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.