Nach der Sperre von Donald Trump ist der Tesla-Chef zum reichweitenstärksten Troublemaker auf Twitter aufgestiegen. Dessen Schicksal will er vermeiden.

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Spätestens seit Elon Musks konkretem Angebot von 41 Milliarden US-Dollar läuten im Management und im Verwaltungsrat von Twitter die Alarmglocken. CEO Parag Agrawal richtete den Beschäftigten sinngemäß aus, man werde sich nicht in Geiselhaft von Elon Musk und seinen Kaufavancen begeben. Ein Großaktionär, der saudi-arabische Prinz Alwaleed bin Talal, erteilte dem Angebot bereits offen eine Absage. Unabhängig davon herrscht Rätselraten, wie ernst es Elon Musk mit seinem Twitter-Kauf meint und was der streitbare Geschäftsmann und Milliardär mit der Plattform überhaupt anfangen will.

Frage: Was ist bisher passiert?

Antwort: Am 4. April wurde publik, dass Elon Musk seit Ende Jänner Twitter-Aktien kaufte und nun mit 9,2 Prozent der größte Einzelaktionär ist. Nach Zu- und Absage Musks, dem Verwaltungsrat beizutreten – sein Maximalanteil an Twitter wäre dadurch auf 14,9 Prozent beschränkt gewesen –, folgte am Donnerstag schließlich das Übernahmeangebot.

Freitagabend verabschiedete der Verwaltungsrat eine Resolution, mit der er die Übernahme doch zu verhindern versucht, meldeten US-Medien. Will ein Interessent mehr als 15 Prozent der Unternehmens kaufen, darf Twitter den Markt mit neuen Aktien schwemmen oder die bestehenden Aktien allen anderen Teilhabern verbilligt anbieten. Für Musk würde das den Kauf womöglich unleistbar verteuern – er könnte jedoch auch mit dem Verwaltungsrat verhandeln. Der Schritt ist eine klassische "Giftpille", zu der von Übernahmen bedrohte Firmen greifen. Der Plan solle für ein Jahr gelten, teilte der Twitter-Verwaltungsrat mit. Eine Ausnahme wäre, wenn ein Deal vom Aufsichtsgremium abgesegnet wird.

Frage: Wie attraktiv ist das Angebot von 54,20 Dollar pro Aktie?

Antwort: Der Twitter-Kurs ist seit Bekanntgabe des Musk-Einstiegs auf 45 Dollar gestiegen. Das 20 Prozent höhere Angebot durch den Tesla-Chef ist folglich nur mäßig interessant, zumal der Kurs im vergangenen Herbst noch an der 70-Dollar-Marke kratzte.

Frage: Wie schüttelt Musk mehr als 40 Milliarden Dollar aus dem Ärmel?

Antwort: Der Großteil seines auf knapp 265 Milliarden Dollar geschätzten Vermögens steckt in Firmenanteilen. Ob er aber größere Pakete von Tesla- oder Space-X-Aktien verkaufen will, sei dahingestellt. Ein Ausweg könnten Kredite sein, die ihm von verschiedenen Banken wohl auch abgesegnet würden. Zudem will er bis zu 2000 Anteilnehmer und Investorinnen an Bord holen.

TED

Frage: Kann das Management die Übernahme überhaupt verhindern?

Antwort: Überzeugt Musk die Twitter-Aktionäre von seinem Angebot, wird es für Verwaltungsrat und Management schwierig. Das rechtliche Konstrukt um den Verwaltungsrat sowie lokale Gesetze könnten eine feindliche Übernahme am Bord vorbei allerdings erschweren. Eine einfache Aktienmehrheit reicht zudem nicht, um Twitter von der Börse zu nehmen. Die bereits erwähnte "Giftpille" ist aber ein Schritt, der die Übernahme für Musk wohl massiv erschwert.

Frage: Wie ernst meint Musk seine Ankündigung?

Antwort: Das ist ungewiss. Im August 2018 versetzte der Techmilliardär die Finanzmärkte in Aufruhr, als er fälschlicherweise per Twitter den Börsenrückzug von Tesla angekündigt hatte, was den Kurs der Aktie nach oben trieb. Neben einer Klage von Tesla-Investoren brachte es Musk auch Ärger mit der US-Börsenaufsicht SEC ein, die ihm 20 Millionen Dollar Bußgeld auferlegte.

Frage: Was hat er mit Twitter vor?

Antwort: Die Plattform soll zum "Marktplatz der freien Rede" werden, sagte Musk auf der TED-Konferenz am Donnerstag. Von lebenslangen Sperren einzelner Accounts hält Musk ebenso wenig wie vom "undurchschaubaren Algorithmus", der willkürlich Tweets ins Rampenlicht stelle und andere ausblende. Twitter solle zur Speerspitze der Demokratie in den USA und dem Rest der Welt werden.

Frage: Würde Trump seinen Twitter-Account zurückbekommen?

Antwort: Angesichts Musks Aussagen, dass er temporäre Auszeiten Totalsperren vorziehe, ist dies naheliegend. Zu Trump währte der Tesla-Chef zwar stets eine kritische Distanz, vermied aber die öffentliche Totaleskalation. Trump selbst hat bereits angekündigt, nicht auf Twitter zurückkehren zu wollen.

Frage: Wie soll Twitter mit Hassrede und Gewaltaufrufen umgehen?

Antwort: Im TED-Talk wich Musk der Frage aus. Gelöscht werden solle nur, wenn ein Beitrag gegen nationale Gesetze widerspreche. Werde ein Beitrag wegen Hassrede weniger sichtbar gemacht, müsse dies transparent angeführt sein. Inwiefern sich diese Forderung von der bereits gängigen Praxis unterscheiden soll und wer letztlich entscheide, was mit grenzwertigen Postings geschehe, ließ Musk offen. Er selbst werde jedenfalls nicht eingreifen.

Frage: Was hat Musk vom Kauf?

Antwort: Mit mehr als 80 Millionen Followern ist sein Account einer der reichweitenstärksten. Anders als andere Persönlichkeiten nutzt er Twitter als Sprachrohr für seine Ansichten, aber auch um seine Firmen in Szene zu setzen und sogar mit der Kundschaft persönlich zu diskutieren. Würde er aufgrund wiederholter Eskapaden gesperrt, träfe ihn das wie Donald Trump schwer.

Frage: Und wirtschaftlich?

Antwort: Twitter tut sich von jeher schwer, aus seiner aktiven Nutzerschaft Kapital zu schlagen. Wirtschaftliche Überlegungen seien für ihn aber irrelevant, meinte Musk. Dass er 40 Milliarden Dollar oder mehr auf den Tisch legt, ohne eine wirtschaftliche Strategie entwickeln zu müssen, ist aber ausgeschlossen. Fraglich ist auch, wie viel Zeit Musk für die Weiterentwicklung von Twitter neben Tesla und Space X überhaupt findet.

Frage: Was passiert, wenn der Plan scheitert?

Antwort: Musk hat mehr oder weniger offen damit gedroht, seine Aktien wieder abzustoßen, was den Twitter-Kurs vermutlich abstürzen lassen würde. Das könnte allerdings auch ein psychologisches Druckmittel sein, um Anlegerinnen und Anleger zum jetzigen Verkauf zu bewegen. Denkbar ist auch, dass er das Angebot erhöht, auch wenn er das bisher ausgeschlossen hat. (Martin Stepanek, Alexander Hahn, APA, 15.04.2022)