Keine Frau, die hier nicht ein Mann wäre: "Was ihr wollt" mit Alexander Strömer, Robert Joseph Bartl, Matthias Franz Stein u.a. (v. li.).

Foto: Moritz Schell

Zur Auflockerung der Geschlechteridentifikationsdebatte trägt William Shakespeare seit jeher seinen Teil bei. Der Weltdramatiker aus Stratford-upon-Avon lebte unter Männern in Strumpfhosen und betrieb bekanntlich zu einer Zeit ein Theater, in der sämtliche Frauenrollen von Männern gespielt wurden (Frauen blieb der Schauspielberuf damals verwehrt). Die Verwechslungskomödie Was ihr wollt (geschrieben 1601), die nach einer dem Virus geschuldeten dreimonatigen Premierenpause des Theaters in der Josefstadt nun am Donnerstag in den Kammerspielen über die Bühne ging, treibt dieses Unschärfespiel auf die Spitze.

Denn hier verkleidet sich eine im fiktiven Illyrien gestrandete Frau namens Viola als Mann (neuer Name: Cesario) und verdreht so wiederum Mann wie Frau den Kopf. Regisseur Torsten Fischer hält sich an die Usancen der Shakespeare-Zeit und besetzt sämtliche Rollen männlich. Ergo: Julian Valerio Rehrl spielt eine Frau, die sich wiederum als Mann verkleidet. Rehrl macht das nicht travestiehaft, sondern subtil, was ihn schließlich eher nonbinär erscheinen lässt und womit er allen den Kopf verdreht.

Fischer inszeniert seine gemeinsam mit Herbert Schäfer deftig neu überschriebene Textfassung ("du Tusse", "Kanaille", "Arsch", "Sau" etc.) auf abstrakter, weißer Bühne, an deren Rampe vorne ein Schacht für schnelle Abgänge, Auftritte und Kostümwechsel dient. Zu dem vom Premierenpublikum unter fallweise gar japsendem Gelächter akklamierten Spiel setzt Fischer mit melancholisch-schmerzhaften Liedern Astor Piazzollas einen Kontrapunkt.

Robustes Kammermädchen

Die Liedtexte führt der Hofnarr (Maria Bill) im Mund. Im Clownskostüm und mit dicker Schminke wandelt Bill wie eine Botin aus einem beträchtlich schwereren Leben, als es hier auf der Bühne abgeht, durch die Szene und singt etwa die Wiedergeburtshymne Rinascerò (einst von Milva interpretiert). Das tut dem handlungsantreibenden, slapstickhaften Geschehen gut.

In der Verkehrung von Geschlechterrollen geht Alexander Strömer als robustes Kammermädchen Maria im getupften Kleid voran. Die Trinkgelage von Sir Toby (Robert Joseph Bartl als Oliver-Hardy-Lookalike) pariert jenes mit gepökeltem Charme. Genau da spitzt sich die Inszenierung auf spannende Fragen zu: Wer darf wen wie berühren? Was darf wer zu wem sagen? "Ich glaub, du musst mal wieder flachgelegt werden" – das klingt an einen männlichen Schauspieler adressiert schon ganz anders.

Nie zu draghaft

Was ihr wollt gehört zu den meistgespielten Stücken weltweit– allein das zeigt, wie groß die Lust an der Verkleidung und an der Unschärfe von Geschlechtern ist. Herzog Orsino (Claudius von Stolzmann) ist in Olivia (schön herrisch und nie zu draghaft im schwarzen Reifrock: Martin Niedermair) verliebt, verfällt aber Cesario/Viola. Jede Rolle bekommt ihre ganz eigene Tragik. Insbesondere auch Malvolio, der überhebliche Haushofmeister, dem übel mitgespielt wird. Er (Dominic Oley) bäumt sich am Ende auf zu einem Beleidigten und Zukurzgekommenen, dem wir irgendwann auf der Straße begegnen werden. (Margarete Affenzeller, 16.4.2022)