Go Student wurde 2016 gegründet und hat seither knapp 600 Millionen Euro an Risikokapital eingesammelt.

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Die bis vor kurzem weiße Weste des Wiener Vorzeige-Start-ups Go Student bekommt Flecken. Vorwürfe über schlechte Arbeitsbedingungen oder zu niedrige Nachhilfequalität nehmen zu. Tutorinnen und Tutoren gaben dem STANDARD jüngst einen Einblick in den "unerträglichen Arbeitsalltag" bei der Nachhilfeplattform. Massiver Druck soll ausgeübt, Geld verspätet überwiesen und Probleme bei technischer Infrastruktur ignoriert werden. Go Student bestätigt "Herausforderungen wegen schnellen Wachstums", widerspricht aber den schweren Anschuldigungen.

Für weiteres Ungemach sorgt eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die für 31. März angekündigt war und Tutoren betreffen soll. Passiert ist offiziell laut Unternehmenswebsite noch nichts, die letzte Anpassung erfolgte im Jänner. Doch die Art der Ankündigung wirft Fragen auf. "Die Zustimmung erfolgt stillschweigend", ließ das Start-up in einer E-Mail wissen. Sprich, niemand müsse explizit sein Okay geben.

"Rechtlich geht das nicht, die AGB einseitig zu ändern", sagt die Arbeitsrechtsexpertin der Arbeiterkammer Wien Jasmin Haindl. Das sei auch moralisch fragwürdig. "In der Praxis allerdings werden die neuen Regeln greifen, wenn man nicht widerspricht." Was passiert, wenn das jemand tut? Diese Frage beantwortet Go Student auf Nachfrage nicht. Eine Änderung auf diese Weise bekanntzugeben hänge mit der Unternehmensgröße zusammen, heißt es beim Unternehmen. Es sei gängige Praxis.

Selbstständige Tutoren

Werkverträge oder ein freies Dienstverhältnis für die Nachhilfelehrer gibt es bei Go Student nicht. Das Start-up schließt mit den selbstständigen Tutoren einen Vermittlungsvertrag ab, vermittelt potenzielle Schüler und stellt die Onlineplattform zur Verfügung.

Wenig erfreut zeigen sich Schüler bzw. deren Eltern über eine AGB-Regel, die seit Herbst 2021 den Verfall von bezahlten, aber nicht konsumierten Stunden regelt. Davor konnten nicht aufgebrauchte Stunden in den Folgemonat mitgenommen werden, das geht nicht mehr.

Warum? Nur "konsequenter und regelmäßiger Nachhilfeunterricht" erziele Lernerfolge, heißt es bei Go Student. Außerdem helfe das bei der Planung und Vorbereitung und verhindere, dass Einheiten angesammelt und auf einmal verbraucht werden. "Das würde zu einer unmöglichen Situation für Tutorinnen und Tutoren führen, um den Bedarf zu decken."

Wertvollstes Start-up Österreichs

Go Student gilt momentan als das wertvollste Start-up Österreichs. Es hat in mehreren Investitionsrunden knapp 600 Millionen Euro eingesammelt und wird aktuell mit drei Milliarden Euro bewertet. Felix Ohswald (27) und Gregor Müller (29) haben das Unternehmen 2016 gegründet. Ohswald ist mittlerweile selbst als Investor in der Start-up-Show 2 Minuten 2 Millionen aktiv.

Aktuell beschäftigt das Unternehmen laut Eigenangaben mehr als 1800 Menschen in mehr als 23 Ländern. Rund 19.000 Tutorinnen und Tutoren sind für die digitale Nachhilfeplattform im Einsatz. Erst diese Woche wurde ein Standort in Rom eröffnet. (Andreas Danzer, 16.4.2022)