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Schreiende Kraftsportlerinnen und Kraftsportler sind keine Seltenheit (hier die südkoreanische Gewichtheberin Im Jyoung-hwa). Einer aktuellen Studie zufolge kann Fluchen zum längeren Durchhalten führen.
Foto: Dita Alangkara / AP

Die feine englische Art ist es zwar nicht, aber abgesehen davon hat das Fluchen etliche Vorteile: Ihm werden schmerzlindernde und "reinigende" Funktionen zugeschrieben, bei einer Wiener Studie stellte sich auch heraus, dass nur bei elf Prozent der Befragten derbe Ausdrücke wirklich als Beleidigung gemeint seien. Wer seine körperlichen Fähigkeiten trainiert, den können Schimpfwörter auch antreiben – und sogar die Durchhaltefähigkeit verbessern, wie eine aktuelle Forschungsarbeit zeigt.

Das britische Team der Universität Keele untersuchte dazu in zwei Teilexperimenten 56 beziehungsweise 118 Testpersonen, die Kraftproben absolvierten. Dabei wurde unter anderem ihre Greif- und generelle Armkraft gemessen. In der kleineren Studie mussten die Probandinnen und Probanden vor dem Stärketest entweder ein Schimpfwort wie "fuck" oder "shit" für zehn Sekunden wiederholen – oder einen neutraleren Begriff, genauer: ein Wort, mit dem sie einen Tisch beschreiben würden. Dabei zeigte sich, dass sie nach dem repetitiven Schimpfen besser abschnitten, also kräftiger zudrückten, als nach der verhältnismäßig emotionslosen Wortwiederholung – eine Erkenntnis, die zuvor schon andere Studien suggerierten.

Zehn Prozent längeres Durchhalten

In größerer und optimierter Version wollte die Forschungsgruppe erneut ein Experiment durchführen – trotz der Einschränkungen, die die Covid-19-Pandemie mit sich brachte. Im Videochat mit den Forschenden mussten die Testpersonen ihre Armkraft unter Beweis stellen. Dafür war im Gegensatz zur Messung der Greifkraft kein Gerät nötig: Aus der Sitzposition am Schreibtisch heraus mussten sie, die Hände seitlich an der Sitzfläche abgestützt, die Beine vom Boden abheben, ihr eigenes Körpergewicht stemmen und so lange halten, wie es ihnen möglich war. Wieder kamen im Vorfeld natürlich Schimpfwörter und neutrale Begriffe ins Spiel – diesmal konnte auch das Fluchvokabular zuvor selbst ausgewählt werden. Im Anschluss wurde ein Fragebogen ausgefüllt, der etwa abfragte, inwiefern die Wortwiederholung für positive oder negative Emotionen gesorgt hat und ob die Testpersonen diese als lustig oder ablenkend empfanden.

Es zeigte sich ein konsistentes Ergebnis: Im ersten Experiment verstärkte das Fluchen die Greifkraft durchschnittlich um acht Prozent, im zweiten konnten die Testpersonen die Kraftübung um zehn Prozent der Zeit länger halten, wenn sie zuvor zehn Sekunden lang Schimpfwörter wiederholt hatten.

Blockade im Gehirn überwinden

Die beteiligten Psychologinnen und Psychologen äußerten auch eine neue Vermutung, weshalb es zu einem solchen Unterschied kommen könnte. Beim Sporttreiben geht es bei den meisten Menschen, die ihre Belastungsgrenze verschieben wollen, darum, einen natürlichen Mechanismus zu überwinden. Das kann man als "inneren Schweinehund" bezeichnen, es passt aber auch zum Konzept des Verhaltenshemm-Systems.

Ein Aspekt davon besagt: Sobald eine Verhaltensweise unangenehm wird, etwa mühselige körperliche Betätigung, neigt man dazu, sie zu unterlassen oder abzubrechen. Beim Schimpfen könnte diese mentale Hemmung gelockert werden, so lautet die Annahme des Forschungsteams. Die verbale Selbstkontrolle sinkt, aber gleichzeitig wird es dadurch möglich, die Übung noch länger zu halten und noch mehr Stärke zu beweisen.

Die Rolle des Humors

Nach dem Wiederholen des Schimpfworts gaben die Testpersonen an, positivere Emotionen und höheres Selbstvertrauen zu haben; sie wurden stärker abgelenkt und kamen eher in einen Flow-Zustand. Die Tatsache, dass das Selbstvertrauen infolge des Fluchens höher eingeschätzt wurde, könne auch in anderen Bereichen abseits des Fitnessstudios von praktischem Nutzen sein, heißt es in der Studie. So ist es möglich, dass eine schimpfwortgeleitete Übung vor einem öffentlichen Auftritt nervösen Rednerinnen und Rednern hilft. Ein Effekt, der in die gleiche Kerbe schlagen dürfte wie der Ratschlag, sich das Publikum nackt vorzustellen.

Denn dem Humor schreiben die Forschenden in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle zu. Sie stellten fest, dass dieser unter den abgefragten Eigenschaften den größten Einfluss hatte: Empfindet jemand das gewählte Schimpfwort als amüsant, dann dürften die Chancen größer sein, dass er beim folgenden Krafttraining länger durchhält. Ein bemerkenswerter Effekt, dessen Nachahmung sich für den Selbsttest beim nächsten Workout empfiehlt – mit möglichst erheiternden Schimpfwörtern lässt sich nebenbei auch noch die Kreativität trainieren. (sic, 18.4.2022)