Es läuft nicht rund zwischen Deutschland und der Ukraine im Moment. Der Grund dafür ist wohl die Enttäuschung Kiews über das deutsche Engagement. Deutschland sollte nach Ansicht des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj der Ukraine mehr Unterstützung gewähren. Dazu zählen in erster Linie mehr Waffen – vor allem schwere Waffen.

Bisher gibt es kein Weiterkommen in Deutschland in der Frage, ob schwere Waffen – etwa Panzer – in die Ukraine geliefert werden sollen.
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Aber durch seinen Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, hat Selenskyj auch klargemacht, dass er sich einen Besuch des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) in Kiew wünscht. Denn gerne würde Selenskyj das alles mit Scholz persönlich besprechen. Dieser jedoch fährt nicht.

Eine Entscheidung, ob sie nun auch die geforderten Panzer an die Ukraine liefern wird, hat die deutsche Regierung noch nicht getroffen. Doch sie will mehr Geld geben. Finanzminister Christian Lindner (FDP) teilte mit, im Bundeshaushalt werde die sogenannte Ertüchtigungshilfe – eine Initiative zur Stärkung der Sicherheit ausländischer Partner – von 225 Millionen auf zwei Milliarden Euro angehoben. "Die Mittel kommen weit überwiegend der Ukraine zugute", erklärte er auf Twitter.

Keine Konsultation mit Kiew

Helle Begeisterung hat dies in Kiew allerdings nicht ausgelöst. "Die Ankündigung über die Erhöhung der militärischen Ertüchtigungshilfe für die Ukraine klingt gut auf den ersten Blick", sagte Botschafter Melnyk der Welt am Sonntag. Allerdings habe es dazu mit seinem Land keinerlei Konsultationen gegeben: "Wir wissen weder vom Umfang weiterer Waffenlieferungen noch vom Verfahren oder Zeithorizont."

Kritik kommt auch vom CDU-Außenexperten Norbert Röttgen: Die Ukraine brauche jetzt "Waffen zur Verteidigung, und zwar so schnell wie möglich", twittert er. Und: "Mit Geld kann sie sich nicht verteidigen. Mit deutschem Geld in Deutschland Waffen zu kaufen dauert: Der Bundestag muss einen Nachtragshaushalt beraten und beschließen, dann müssen Genehmigungen für Waffenexporte beantragt und genehmigt und schließlich die Waffen geliefert werden. Dann ist Sommer."

Dem widerspricht FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke. Er weist darauf hin, dass die Bundeshaushaltsordnung für solche Zwecke die "Mittel der überplanmäßigen und außerplanmäßigen Ausgaben" vorsehe.

Disput Gabriel vs. Melnyk

Einen heftigen Schlagabtausch lieferten sich auch Melnyk und der frühere deutsche Außenminister und Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel. Letzterer hatte in einem Gastbeitrag für den Spiegel die Ausladung des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier durch Selenskyj kritisiert. Steinmeier sei, wie berichtet, zu einem Besuch in Kiew bereit gewesen, man habe ihn dort aber – wegen seiner angeblichen Nähe zu Russland – nicht sehen wollen.

Steinmeier habe als Außenminister (2005–2009, 2013–2017) gemeinsam mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel "mehr als alle anderen in Europa" dafür getan, die Ukraine zu unterstützen, schrieb Gabriel und griff Melnyk persönlich an: "Eine weitaus gefährlichere Variante der Verschwörungstheorien ist die Behauptung des ukrainischen Botschafters in Deutschland, Andrij Melnyk, der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe in seiner aktiven Zeit als Politiker ‚seit Jahrzehnten ein Spinnennetz der Kontakte mit Russland geknüpft‘, die bis in die heutige Regierung hineinwirkten."

Wahrheitswidrig und bösartig

Und weiter: "Spinnennetze dienen bekanntlich dem Fang und der anschließenden Verwertung der Beute. Auf den Punkt gebracht insinuiert dieser Vergleich, dass der frühere Kanzleramts- und Außenminister die Interessenvertretung Russlands in Deutschland mitorganisiert habe. Das ist wahrheitswidrig und bösartig."

Die Replik Melnyks folgte prompt auf Twitter. Dort erklärte der Botschafter: "Bösartig" sei vor allem die "jahrelange Putin-freundliche Politik" von Gabriel und seiner "SPD-Kumpane" gewesen. Diese habe den "barbarischen Vernichtungskrieg" gegen die Ukraine erst herbeigeführt. "Die Aufarbeitung kommt noch. Shame on you", so Melnyk weiter.

Er warf Gabriel auch vor, seine persönliche politische Verantwortung für Nord Stream 2, "das Sie als Vizekanzler 2015 ins Leben riefen", zu verschweigen. Außerdem zeigte er Bilder russischer Medien, die die Kritik Gabriels aufgenommen hatten, und giftete: "Na, jetzt bekommen Sie sogar Beifall von den alten Vertrauten aus Moskau. Alte Freundschaft rostet nicht. Volltreffer zum Osterfest. Viel Glück noch." (Birgit Baumann aus Berlin, 19.4.2022)