Der samoanisch-persisch-kantonesische Künstler Léuli Eshrāghi bevorzugt das geschlechtsneutrale Pronomen "ia" aus der samoanischen Sprache und kombiniert in ias Kurs Dichtung mit Performance.

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Zwischen der Kunst des politischen Denkens und der Kunst der Zeichnung gibt es für Maria Bussmann nicht zufällig auch sprachliche Verbindungslinien: Es werden Ideen skizziert, Argumentationslinien entwickelt, Schlüsse gezogen. Das ist freilich nicht das einzige Argument, um die Zeichnung als erkenntnistheoretisches Medium zu ergründen, wie Bussmann das in ihren Arbeiten tut.

Die 1966 in Deutschland geborene und seit Jahren in Wien lebende Künstlerin und promovierte Philosophin, die auch an der Universität für angewandte Kunst unterrichtet, lädt in ihrem Kurs mit dem programmatischen Titel Sharpening Pencils and Thoughts zur gemeinsamen Lektüre von philosophischen Texten, unter anderem von Hannah Arendt. Was den Geist schärft, vermag auch den Blick zu schärfen – und insbesondere feministische Philosophie hat für Bussmann das Potenzial, "einen anregenden, unverstellten Blick" auf die Zeichnung als künstlerische Grundtechnik zu eröffnen und "neue Ansätze zu ermöglichen".

Schöne Kraft der Künste

Die Auseinandersetzung mit literarischen Texten, aber auch mit mündlich tradierten Erzählungen aus dem pazifischen Raum steht wiederum bei Léuli Eshrāghi am Beginn einer am Performativen orientierten Erkundungsreise durch die Gefühls- und Gedankenwelt einer Salzwasserregion. Eshrāghi hat samoanische, persische und kantonesische Wurzeln, bevorzugt das geschlechtsneutrale Pronomen "ia" aus der samoanischen Sprache und beschäftigt sich in Performances, Bewegtbildern, Texten und Installationen mit der Zukunft indigener Völker, indigenen Ausdrucksformen und Geschlechterkonstruktionen.

Die schöne Kraft der Künste liegt in der Erweiterung des Blicks, sie prägt auch das Programm der diesjährigen Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg. Angeboten werden insgesamt zwanzig Kurse, die von internationalen Künstlerinnen und Künstlern geleitet werden und auch aktuelle Fragestellungen der zeitgenössischen Kunst wie Identität, Feminismus, Ecocriticism, Dekolonialität oder kollektives Arbeiten reflektieren.

Hybride Klassenzimmer

Das Corona-bedingt eingeführte "hybride Klassenzimmer" mit einer Mischung aus digitaler und analoger Praxis behält man bei, zu den Hauptschauplätzen Festung Hohensalzburg und Steinbruch Fürstenbrunn gesellt sich erstmals auch die "Außenstelle" Kassel, wo das Kollektiv ruangrupa, das bekanntlich die diesjährige Documenta leitet, mit Harvest the Harvest an seinen letztjährigen Salzburger Kurs anknüpft.

"Those who can, do. Those who can do more, teach", lautet das Motto, das Sommerakademie-Direktorin Sophie Goltz dem Programm vorangestellt hat, und man darf das Lehren da und dort auch als aktivistische Praxis verstehen. Małgorzata Mirga-Tasversteht sich als Künstlerin und Aktivistin, die sich aus dezidiert feministischer Perspektive mit antiziganistischen Stereotypen, Alltagsdiskriminierung und Fragen nach Zugehörigkeit oder Gemeinschaft beschäftigt. Mirga-Tas wurde 1978 im polnischen Zakopane geboren, ihre Arbeiten werden seit geraumer Zeit in internationalen Ausstellungen präsentiert, dieses Jahr auch im polnischen Pavillon auf der Biennale in Venedig. Damit ist die Künstlerin die erste Romni, die in der Geschichte der Biennale einen Nationalpavillon bespielt.

In ihren Malereien, Collagen, Raumobjekten und großformatigen Textilarbeiten, die auch für Kleidung oder Tischtücher verwendet werden, spiegelt Mirga-Tas das Alltagsleben von Roma-Gemeinschaften. Unter dem Titel Speculative World Building soll mit den Studierenden in Salzburg ein "Bildraum des Asyls" entworfen werden, der als Ort der Hoffnung fungiert.

Beißende Kritik und Satire

Diese Hoffnung schlummert zweifellos auch in den Performances der südafrikanischen Künstlerin Tracey Rose, wenn sie auch mit beißender Kritik und einem ausgeprägten Hang zu Satire und grotesker Überspitzung belegt ist. Etwa wenn Cleopatra zur "Black Bitch" erklärt wird oder wie in Ciao Bella Schönheitsideale karikiert werden. Damit war die 1974 im südafrikanischen Durban geborene Performance-Künstlerin bereits 2001 auf der Venedig-Biennale vertreten, in ihren Arbeiten deckt sie immer wieder Geschichten von Gewalt und Unterdrückung auf und ordnet Hierarchien, Kategorien von "Rasse" und "Gender" oder auch biblische Narrative mit umstürzlerischer Inbrunst neu.

Diese Haltung dürfte auch ihren Kurs bei der diesjährigen Salzburger Sommerakademie bestimmen: Tracey Rose lädt zu einer Lektion in Sachen Provocation and Magical Terrorism auf den Festungsberg.

Unter den Lehrenden befinden sich unter anderem auch Rossella Biscotti, Ángela Bonadies, Vasyl Cherepanyn, Anna Dauèíková, Christina Dimitriadis, Ays¸e Güleç und Leon Kahane, Kurse gibt es zu praktisch allen künstlerischen Techniken. Rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus bis zu fünfzig verschiedenen Ländern zählt die Sommerakademie jedes Jahr, heuer werden gemeinsam mit den Fördergebern auch zehn Stipendien für Menschen auf der Flucht angeboten. (Ivona Jelcic, 16.4.2022)

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Die Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg findet von 18. Juli bis 27. August 2022 statt. Angeboten werden insgesamt zwanzig Kurse von internationalen Künstlerinnen und Künstlern. Dazu gesellen sich auch dieses Jahr Vermittlungsprogramme und Ausstellungen. Die Galerie im Traklhaus zeigt Arbeiten der kosovarischen Künstlerin Flaka Haliti, eine Schau im Museumspavillon der Stadtgalerien ist dem aus Bangladesch stammenden Foto- und Videokünstler Wasif Munem gewidmet.