Der Mond Europa, der den Jupiter umkreist, stellt eine bemerkenswerte Oberfläche zur Schau. Die Frage, wie diese Rillen entstanden sind, könnte eine aktuelle Studie beantworten.
Foto: AFP PHOTO / NASA / JPL-CALTECH / SETI INSTITUTE

Spätestens seit den Weltraummissionen Voyager und Galileo verhärtet sich der Verdacht, dass es auf Europa Wasser gibt. Und zwar womöglich nicht nur in Form einer kilometerdicken Eishülle: Darunter könnte sich ein flüssiger Ozean verbergen. Der Himmelskörper, der als einer von mindestens 79 Monden den Planeten Jupiter umkreist, beflügelt damit Vorstellungen von Unterwasserlebensformen. Im Gegensatz zur unwirtlich kalten Oberfläche könnten sie es sich in tieferliegenden heißen Quellen gemütlich machen.

Doch nachweisen lässt sich das nur schwerlich. Man müsste sich vor Ort durch die 18 bis 30 Kilometer dicke Eisschicht bohren. Zum Vergleich: Der Marsrover Exomars kann derzeit etwa zwei Meter tiefe Löcher graben. Vielversprechend waren in dieser Hinsicht Analysen, die vor zwei Jahren veröffentlicht wurden. Wasserfontänen könnten demnach flüssiges Wasser ausgespien haben, während gerade die Nasa-Sonde Galileo vorbeiflog. Gibt es solche potenziellen Geysire auf Europa, müsste womöglich nicht ganz so tief gebohrt werden, um Werkzeug zur Datenerhebung in die Nähe des rund 100 Kilometer tiefen Mondmeeres zu bringen.

Vergleich mit Grönland

Daher stellen Wissenschafterinnen und Wissenschafter mitunter vergleichende Forschungsprojekte auf der Erde an, darunter der Ingenieur Riley Culberg von der Universität Stanford (USA) und sein Team. Sie untersuchten am grönländischen Eisschild geologische Strukturen und Prozesse, mit denen sie eigentlich bessere Voraussagen für das Abschmelzen von Eis und die Erhöhung des Meeresspiegels im Zuge des Klimawandels treffen wollen.

Die zerklüftete Oberfläche des Trabanten – hier in einer Illustration mit Blick auf den Jupiter – lässt noch einige Mysterien offen.
Bild: imago images / Leemage / Ron Miller / Novapix

Die Analyse der Prozesse kann aber auch Rückschlüsse auf den fernen Eismond zulassen – vor allem, wenn sich offensichtliche Ähnlichkeiten aufdrängen. Wie auf der Erde dürfte der Ozean unter dem Eis des Jupitermondes tiefe und seichte Zonen haben. Die Forschenden vermuten, dass Prozesse in flachem Gewässer eine größeren Einfluss auf das Aussehen der Mondoberfläche hatten, als man bisher annahm.

Dafür nahm die Forschungsgruppe eine besondere Oberflächenform genauer unter die Lupe, wie sie im Fachjournal "Nature Communications" ausführt. Dabei handelt es sich um einen Doppelkamm – zwei quasi symmetrische Bergrücken, zwischen denen ein flaches Tal liegt, wie in der Form des Buchstaben M. Eine solche Struktur kann hunderte Kilometer lang sein. Den bisher verfügbaren Sondendaten des Eismondes zufolge sind sie dort weit verbreitet und kommen über den ganzen Himmelskörper verteilt vor, wie sich durch die Betrachtung des Rillenmusters zeigt.

Eingeschlossenes Wasser könnte auf Europa ähnlich wie in Grönland für die Bildung der M-förmigen Oberflächenstruktur sorgen, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Bild: Justice Blaine Wainwright

Erklärung für Spuren auf der Oberfläche

Ähnliches gibt es im wesentlich näher liegenden Grönland. Im Nordwesten befindet sich ein vergleichbarer Doppelkamm, der auch eine sehr ähnliche Geometrie zu den außerirdischen Strukturen aufweist. Das Team versuchte zu verstehen, wie ein solches Gebilde entsteht. Dafür griff es auf Radar- und Oberflächendaten zurück. Diese zeigen, dass bei der Bildung dieser Form eingeschlossenes Wasser eine wichtige Rolle spielt. Durch eine Abfolge von Einfrieren und Brechen und im Spiel der Druckverhältnisse werden die Erhebungen gebildet, wie auch in einem Video dargestellt wird:

Stanford

Auf Europa können die Doppelkämme etwa 300 Meter hoch werden und ein Tal von bis zu 800 Metern Breite einrahmen. Durch den Vergleich mit der grönländischen Struktur und dem Modell liefert das Team eine Erklärung für die eigenartigen Rillen, die in den 1990er-Jahren erstmals durch eine Sonde fotografiert und erkannt wurden. "Die Menschen studieren diese Doppelkämme schon seit über 20 Jahren, aber dies ist das erste Mal, dass wir etwas Ähnliches auf der Erde beobachten können und sehen, wie die Natur ihre Magie entfaltet", sagt Studien-Co-Autor Gregor Steinbrügge, der mittlerweile von der Universität Stanford zur Nasa wechselte.

Raumfahrten in Richtung Jupiter

Culberg erläutert, dass es sich bei dem Modell der Forschungsgruppe freilich um eine von mehreren Hypothesen handelt. "Wir haben allerdings den Vorteil, dass unsere Hypothese durch Beobachtungen der Entstehung eines ähnlichen Merkmals auf der Erde gestützt wird", sagt Culberg. Der Vergleich mit Strukturen auf der Erde ist durchaus valide, betont sein Kollege und Co-Autor, der Geophysiker Dustin Schroeder: "Obwohl Europa ein ganz anderer Ort ist – der Druck, die Schwerkraft und die Temperaturen sind anders –, sind die physikalischen Gesetze die gleichen."

Die eisige Hülle des Mondes sollte also wohl weniger als eine Barriere denn als ein dynamisches System betrachtet werden – und könnte ebenfalls bewohnt sein. Die Hoffnungen der Fachleute liegen nun auf der nächsten Möglichkeit, dem fernen Mond nahe zu kommen: Sowohl US-amerikanische als auch europäische Missionen Richtung Jupiter könnten schon bald neue Daten liefern. Der Start der Esa-Sonde Juice (kurz für "Jupiter Icy Moons Explorer") ist derzeit für 2023 angesetzt. Sie soll den Gasplaneten und die drei Monde Europa, Ganymed und Kallisto genau betrachten – unter Einsatz österreichischer Technologie. (Julia Sica, 20.4.2022)