Ein Zyklon trifft 2021 vom Arabischen Meer kommend die Küste Westindiens. In der Meteorologie sind solche Satellitenbilder unverzichtbar.

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Was wäre der Mensch ohne das Wetter? Es zählt stets zu den am häufigsten in Suchmaschinen eingetippten Begriffen, ist das Gesprächsthema Nummer eins und dabei relativ unverfänglich. Es bestimmt das Leben wie kaum ein anderer Parameter. Dass sich die Vorhersagen dabei seit Jahren verbessern, ist aber nicht nur für Bergsteiger oder Skifahrer von Interesse.

"Mit Flughäfen und Veranstaltern von Großereignissen haben wir uns schon direkt beschäftigt", sagt Reto Stauffer, Forscher am Institut für Statistik an der Universität Innsbruck. "Man denke aber auch an Kraftwerksbetreiber, an Stauseen, die langfristig planen, wie viel Wasser abgelassen werden muss, an das Hochwasser-Risikomanagement, an die Landwirtschaft, aber auch die Bahn ist immer wieder interessiert an unseren Forschungsergebnissen." Die ÖBB befahren zum Beispiel eine stark exponierte Brücke, die bei Starkwind gesperrt werden muss. Stauffer arbeitet deshalb daran, Wettervorhersagen zuverlässiger zu machen.

Fehler finden

Die Wetterprognosen, die wir aus Radio und Fernsehen kennen, basieren auf numerischen Wettermodellen, Computerprogrammen, die die Welt in 3D abbilden. Vom Status quo weg, der durch Messungen verschiedenster Größen wie Luftfeuchte, Temperatur oder Windstärke erhoben wird, kommt man über physikalische Gleichungen zu Prognosen für die nächsten zehn bis 14 Tage.

Fehlerhafte Prognosen können einerseits an einem falsch gemessenen Anfangszustand liegen, andererseits bilden die numerischen Wettermodelle die ganze Erde ab. Die Prognosen müssen durch komplizierte Berechnungen auf lokale Verhältnisse heruntergebrochen werden. Auch im Zuge dessen geschehen Fehler.

Stauffer entwickelt statistische Verfahren, um diese Fehler zu finden. "Sagen wir, Sie sehen morgens immer die Wettervorhersage, gehen nachmittags hinaus und merken, dass es stets um zwei Grad kälter ist. Daraus schließen Sie, dass es immer zwei Grad kälter ist als prognostiziert." Das wäre für Stauffer eine Offset-Korrektur. "Das kann man auf technischer Ebene auch machen, indem man statistische Modelle und Supervised Learning verwendet, etwa Regressionsmodelle", sagt er.

Neue Klientel durch Klimawandel

Dazu werden verschiedene Größen aus den Wettermodellen genommen und verglichen, wie nahe sie an den Daten von Messstationen liegen. "Kennen wir diesen statistischen Zusammenhang, können wir für eine Wettervorhersage sagen, der Fehler könnte ähnlich sein, und ihn korrigieren."

Stauffers Forschungsergebnisse werden als Open-Source-Software – etwa für die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, eine Forschungseinrichtung des Wissenschaftsministeriums – zur freien Verfügung gestellt.

Auch durch den Klimawandel ergeben sich neue Interessenten für zuverlässige Prognosen. Wer etwa Windparks betreibt, muss wissen, mit welchem Ertrag zu rechnen ist, um den erzeugten Strom zu verkaufen. Bei Fehlern drohen Kompensationszahlungen. Der Klimawandel und die damit einhergehenden (Extrem-)Wetterereignisse stellen die Prognose aber auch vor neue Herausforderungen.

"Je größer die Abweichungen vom Normalzustand, also je weiter man sich wegbewegt von dem Zustand, den man schon kennt, desto größer die Unsicherheit der Prognose", sagt Leopold Haimberger. Er erforscht am Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien und als Vizedekan der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie nicht nur das Wetter, sondern auch das Klima.

Messdaten für Klimamodelle

Das Wetter beschreibt einen kurzen Zeitraum in die Zukunft, Klima ist größer gefasst, sowohl geografisch als auch zeitlich. Die Messdaten für Klimamodelle stammen aus unterschiedlichsten Quellen.

Bodendruck, Meeresoberflächentemperatur, Wetterballons oder auch Satellitendaten, die Mikrowellen- und Infrarotstrahlung der Erde immer präziser messen – sie liefern eine Vielzahl an Informationen, die in Reanalysen für ein Netz von einigen Hundert Quadratkilometern zusammengefasst werden. Sie liefern mittlerweile stündlich ein Bild des atmosphärischen Zustands der Erde.

"An der Erdoberfläche haben wir schon sehr gute Daten, um globale Klimamodelle verifizieren zu können, sie reichen zurück bis ins Jahr 1850", sagt Haimberger. "Unsicherheiten bestehen vor allem im Ozean."

Tiefere Ozeanschichten

Erst seit 40 Jahren gebe es eine akzeptable Datenabdeckung für tiefere Ozeanschichten, seit 20 Jahren für Tiefen bis zwei Kilometer. "Das ist aber sehr relevant, weil der Ozean viel Energie speichern kann, viele Tausend Mal so viel wie die Atmosphäre."

Vorhersagen aus Klimamodellen kennen Bürgerinnen und Bürger nicht zuletzt von bedrohlichen Szenarien für die Zukunft. Für den kürzlich veröffentlichten Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) wurden über 100 verschiedene Klimamodellläufe erstellt.

Das Ergebnis: Das im Pariser Abkommen formulierte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad bis 2100 zu begrenzen, kann nur erreicht werden, wenn weltweit sofort massive Anstrengungen unternommen werden. Der "Climate Action Tracker" – ins Leben gerufen auch vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung – kam zuletzt gar auf eine Erderwärmung von 2,7 Grad. Wie kommt es zu so unterschiedlichen Ergebnissen?

Technik und Optimismus

"Die Klimamodelle, so wie wir sie verstehen, sind physikalisch-biologische Modelle und schon sehr zuverlässig, zumindest für die Prognosen bis 2100", sagt Haimberger. Es gebe verschiedene Klimaszenarien oder auch soziale Entwicklungspfade, die dafür entscheidend seien, welche Treibhausgasemissionen prognostiziert würden.

Es existierten optimistische Prognosen, die davon ausgingen, dass global alle Maßnahmen, die den Ausstoß von Treibhausgasen senkten, ergriffen würden. Teilweise würden auch technische Lösungen miteinkalkuliert, die noch nicht existierten.

Andererseits gebe es Prognosen, die eher pessimistisch den jetzigen Ist-Stand weiterrechneten. "Der Input, der vom Verhalten der Menschheit abhängt, muss auch modelliert werden, und da liegt mittlerweile die größte Unsicherheit", sagt Haimberger. (Sarah Kleiner, 21.4.2022)