2017 ließ sich Erwin Wurm für die Biennale die Lkw-Skulptur von Siegfried Wolf finanzieren und in einem Werk des sanktionierten Oleg Deripaska produzieren.

Foto: Studio Erwin Wurm - Copyright: Bildrecht, Vienna 2017

So offen Erwin Wurm im Umfeld der Biennale 2017 in Venedig über die Finanzierung seiner vor dem Pavillon platzierten One Minute Sculpture informierte, so maulfaul gibt er sich fünf Jahre später. Der buchstäblich auf die Schnauze gestellte Lkw, eine 9,6 Meter hohe begehbare Skulptur, wurde in einem der Werke eines russischen Automotive-Unternehmens produziert: Gaz, das dem sanktionierten Oligarchen Oleg Deripaska gehört und an dem der österreichische Investor Siegfried Wolf beteiligt ist.

Nicht nur die Kosten der Produktion, sondern auch für sämtliche damit verbundenen technischen und organisatorischen Arbeiten sowie für den Transport nach Italien sollen von Wolf übernommen worden sein, beschrieb Wurm das "wahre" und "in seiner Selbstlosigkeit wirklich einzigartige" Mäzenatentum in Interviews. Aktuell will er das nicht mehr kommentieren. Auch zum Verbleib der Lkw-Skulptur will er sich auf STANDARD-Anfrage nicht äußern: "Das geht niemanden etwas an", blafft er ins Telefon.

Wann, wo und aus welchem Anlass mittlerweile sanktionierte Oligarchen oder Unternehmen zuletzt Gelder in den heimischen Kunstbetrieb pumpten? Die Frage ist gerade im öffentlich subventionierten Milieu durchaus legitim: dort, wo die Kulturpolitik laufend und teilweise gezielt finanzielle Lücken in Kauf nimmt, wie es etwa bei der Biennale 2017 mit der Wahl eines Künstler-Duos als Repräsentanten mehr als sonst der Fall war.

Drittmittel als Erfolgsfaktor

Für die Deckung der Kosten war nicht nur Kommissärin Christa Steinle zuständig, die das Budget des Bundes mit Sponsorenhilfe verdoppeln musste. Die 400.000 Euro – plus einer halbherzigen Zugabe von 30.000 Euro – reichten bei weitem nicht aus. Da Wurm den Pavillon für sich allein beanspruchte, bedurfte es eines Zubaus für Brigitte Kowanz. Beide Künstler akquirierten zusätzlich jeweils sechsstellige Beträge, kamen quasi selbst für ihre Biennale-Teilnahme auf.

Eine nicht minder hohe Relevanz hat das Generieren von Drittmitteln in jenen Gefilden, in denen die Erfüllung dieser Aufgabe von der Kulturpolitik als wesentliches Erfolgskriterium gewertet wird, bei den Bundesmuseen und deren Eigenfinanzierungsgrad. Bei der Wahl großzügiger Sponsoren können es sich Direktorinnen oder ihre Kaufmänner kaum leisten, zimperlich zu sein.

Zusammenarbeitsoffensive mit Russland

Rückblickend waren auch solche in die Bresche gesprungen, die nun auf Sanktionslisten landeten. Etwa Grigori Berjoskin, der einst mehr als 750.000 Euro für die Restaurierung der Prunkräume der Albertina spendierte. Als "Founder" wurde sein Name im Eingangsbereich des Museums mit goldenen Lettern verewigt. Die EU stufte den Vorstandsvorsitzenden der ESN Group jüngst als Helfershelfer Wladimir Putins und Profiteur von dessen Regime ein. Laut APA soll der Geschäftsmann dem Albertina-Chef nur als Besitzer einer U-Bahn-Zeitung bekannt gewesen sein.

Zudem hatte Klaus Albrecht Schröder 2013 eine Zusammenarbeitsoffensive mit Russland gestartet: "Mit 75.000 Besuchern pro Jahr sind Russen bei uns bereits die drittstärkste Besuchergruppe nach Österreich und Deutschland." Ein russischer Freundesverein wurde gegründet, als dessen Präsident Dmitri Aksenow, Eigentümer der Viennacontemporary-Kunstmesse, fungierte. Auf dem Papier bestand diese Gruppierung auch nach der Annexion der Krim noch, war jedoch nicht mehr aktiv. Hoffungen auf namhafte Zuwendungen dürften sich nicht erfüllt haben.

Feigenblatt für Gazprom

Die Albertina realisierte jedoch einige Ausstellungsprojekte: Expressionistische Meisterwerke aus der Sammlung Batliner (2013) reisten ebenso nach Sankt Petersburg wie 70 Werke von Georg Baselitz (2015) aus dem Bestand der Albertina. Zum Auftakt gab wiederum die Sammlung der Gazprombank ein finanziell versüßtes Gastspiel in Wien.

Dreaming Russia titelte die Schau, die im Oktober 2013 junge Konzeptkunst von 14 Künstlern zeigen sollte. Am Ende wurde dieser "einmalige Einblick in das aktuelle Kunstschaffen Russlands", so Schröder, nur von 13 Vertretern bestritten: Leonid Tischkow hatte seine Werke kurzfristig zurückgezogen. Aus Protest gegen die Ölförderung der Gazprom in der Arktis und die Inhaftierung der dagegen protestierenden Greenpeace-Aktivisten.

Verhallter Protest

Mit dieser Ausstellung, "wird die Albertina zum Feigenblatt demokratiefeindlicher Oligarchen und sorgt für deren Salonfähigkeit in Europa", und Gazprom versuche "seine Haltung durch kulturelle Aktivitäten zu legitimieren", wetterte Wolfgang Zinggl, der Kultursprecher der Grünen damals. Sein Protest verhallte.

Wo sich die Möglichkeit ergab, wurde sie aufgrund der Großspenden auch genutzt. Etwa im Kunsthistorischen Museum (KHM), wo die OMV und Gazprom ihre 50-jährige Partnerschaft über eine Kooperation mit der Eremitage zelebrierten. Je 14 Meisterwerke sind zuerst in Wien und nachfolgend in Sankt Petersburg als Bilderpaare, "durch den gemeinsamen Kulturraum Europa verbunden", miteinander in Dialog getreten. Der monetäre Benefit lag für das KHM wohl über dem kunsthistorischen: eine Bühne, die Wladimir Putin 2018 als Staatsgast mit einer Museumsvisite bereitwillig zu nutzen wusste. (Olga Kronsteiner, 20.4.2022)