Dass bei der Corona-Pandemie die Trennlinien in der Gesellschaft nicht einfach nur zwischen Extremen – Leugnern und Alles-Zusperrern – verlaufen, ist nach mehr als zwei Jahren deutlich geworden: Auch das Lager derer, die nichts mit Verschwörungstheorien am Hut haben, oszilliert zwischen jenen, denen Freiheit und Eigenverantwortung das allerhöchste Gut sind, und anderen, die ein klares, den anderen oft zu strenges Regelwerk zum Schutz der Schwächsten verlangen. Dieser Pluralismus darf und soll in einer freien Gesellschaft sein, das halten wir aus.

Die ukrainische Fahne am Rathaus in der Wiener Innenstadt.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Aktuell schwerer zu ertragen ist die Spaltung von Menschen, die sonst ganz gut miteinander reden können, angesichts des Krieges in der Ukraine. Überraschend ist bei einigen das Herumreiten auf wirklichen oder angeblichen Defekten der Ukraine und ihres Präsidenten: als ob nur absolute Perfektion das Recht verleihen würde, nicht von einem brutalen Aggressor überfallen zu werden. Nichts, aber schon gar nichts kann den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine rechtfertigen.

Jetzt gegen die Nato zu demonstrieren und von der Ukraine die Kapitulation zu verlangen ist nicht von dieser Welt. Allerdings verstört auch die Bedingungslosigkeit, mit der manche von außen den Kampf – und das Sterben – der Ukrainer einfordern. Dazu hat niemand das Recht. Es sind nicht unsere Männer und Väter und Söhne. Wir können sie nur bewundern und zu unterstützen versuchen. (Gudrun Harrer, 20.4.2022)