Sieben Monate sind eine lange Zeit im Leben der Bewohner im Süden Israels, nahe der Grenze zum Gazastreifen. So lange hat die Feuerpause diesmal gehalten. Die Terrorgruppen im Gazastreifen hatten zwar auch im Jänner eine Rakete abgefeuert, sie drang aber nicht in israelischen Luftraum ein. Die Rakete, die gegen 20 Uhr am Montag auf grenznahes Territorium abgeschossen wurde, wäre jedoch eingeschlagen, hätte der Abwehrschild Iron Dome sie nicht abgefangen.
Israels Streitkräfte bombardierten im Gegenzug mehrere Ziele im Gazastreifen. Laut Armee wurden Munitionslager der Hamas getroffen, die Hamas feuerte Boden-Luft-Raketen ab. Es gab keine Verletzten. So weit sind das noch keine außergewöhnlichen Nachrichten. Nun ist aber die Frage, ob es zu weiteren Provokationen kommt. Hamas-Spitzen tragen mit täglich neuen Hetzbotschaften dazu bei.
Öl ins Feuer
Auch auf israelischer Seite gießen rechtsextreme Gruppierungen Öl ins Feuer. Am Dienstag machte sich ein von rechtsextremen Parlamentariern angeführter Marsch im nördlichen Westjordanland in Richtung der geräumten illegalen jüdischen Siedlung Chomesch auf. Es soll ein Zeichen sein, dass die gerichtlich angeordnete Räumung nicht anerkannt wird. Zugleich werben Rechtsradikale rund um die Gruppe "Im Tirzu" für eine Flaggenparade durch die in diesen Tagen aufgeheizte Altstadt Jerusalems. Als Höhepunkte des Marsches wird ein "Tanz" vor dem Damaskustor angepriesen, das in diesen Tagen ein stark frequentierter Treffpunkt der den Ramadan begehenden Muslime ist. Auch hier geht es darum, jüdische Dominanz zu demonstrieren.
Der Marsch soll zur Klagemauer führen und auch dort haltmachen, wo palästinensische Radikale zuletzt Busse mit Felsbrocken beworfen und dabei mehrere Menschen verletzt haben. Auf ihren Flugblättern bewirbt Im Tirzu den Marsch mit dem Slogan "Wir bringen das Sicherheitsgefühl zurück nach Jerusalem!". Die Polizei dürfte anderer Meinung sein – sie wollte den für Mittwoch geplanten Aufmarsch vorerst nicht genehmigen. Im vergangenen Jahr hat eine geplante Flaggenparade durch Ostjerusalem dazu beigetragen, die angespannte Lage in Jerusalem weiter eskalieren zu lassen. Die Parade wurde zwar in letzter Minute verschoben, am selben Tag feuerten die Terrorgruppen in Gaza aber Richtung Jerusalem.
Netanjahu will seine Chance nützen
Wobei sich die Stichelei nicht nur gegen die Palästinenser richtet, sondern auch gegen die Regierung unter Naftali Bennett. Der Rechtspolitiker und frühere Verbündete von Ex-Premier Benjamin Netanjahu steht unter Druck. Bennetts Kabinett regiert ohne Parlamentsmehrheit. Netanjahu wittert die Chance auf eine Rückkehr – und da kommt ihm der Raketenbeschuss aus Gaza zumindest rhetorisch gelegen. In sozialen Medien erklärte er Bennett für unfähig, für Israels Sicherheit zu sorgen. Bennett schoss auf Twitter zurück: "In deiner Amtszeit feuerten Terroristen 13.000 Raketen auf die Bewohner des Südens (...). Du hast gegen die Hamas versagt. Wir beseitigen die Schäden." Worauf Netanjahus Likud-Partei, derzeit stärkste Oppositionspartei im Parlament, reagierte: "Bennett, die Zeit deiner schwachen Regierung ist vorbei. Geh und pack deine Sachen."
Mit Kofferpacken beschäftigt war am Dienstag dann aber Israels Außenminister Yair Lapid. Der Chef der größten Bewegung in der Acht-Parteien-Koalition musste wegen der Spannungen in Jerusalem seinen Urlaub abbrechen. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 19.4.2022)