Illustration: Sion Ap Tomos

Pro
von Regina Bruckner

Hinreißende Mägdelein in zart schwingende Chiffonkleidchen gehüllt, die mit verschämtem Augenaufschlag hauchen: "Mach die Augen zu, ich bin nackt."

Die Unschuld steht den nyhmphenhaften Gestalten in alabasterfarbene Gesichtchen geschrieben. Kirrend, sich gegenseitig bestaunend, entledigt man sich an schwülen Sommertagen der Kleider, um sich im gleißenden Waldsee gegenseitig zu benetzen.

Blitzt Busen auf oder rücken nackte Leiber ins Bild, sind sie unscharf, weichgezeichnet, in verheißungsvolles Licht getaucht. Nennt man Filme wie diese, die vor Jahrzehnten ihre Blüte hatten, Kitsch, Kunst, Hand- oder Machwerk?

Das liegt wohl auch im Auge der Betrachtenden. Heute stellt jede Kamera ganz automatisch scharf. Gewiss, diese scheinbar so unschuldigen Welten sind in vielen Epochen vor allem Männerfantasien entsprungen. Weichgespülte Erotik wurde von Männern produziert und wohl gerne von Männern geschaut. Aber eines muss man den alten Lüstlingen lassen: Die weichgezeichnete Erotikwelt in Pastell, ohne Makel und Tadel, schön ist sie doch.

Kontra
von Conrad Seidl

Alles so schön soft, so romantisch, so verschleiernd. Hübsch anzusehen waren sie ja, die Bilder jener Zeit, als man noch von Erotik gesprochen hat, wenn man Sex oder gar Porno gemeint hat. Geredet hat man allenfalls darüber, wie die Effekte wohl erzielt wurden: Hat da jemand das Objektiv mit Schmirgelpapier behandelt oder bloß Butter draufgeschmiert?

Das, was man so hübsch weichgezeichnet gesehen hat, wurde viel weniger thematisiert. Darüber hat man kaum gesprochen – allenfalls über den vermuteten künstlerischen oder eben über den technischen Aspekt. Nicht aber über die Täuschung.

Und nicht über die Enttäuschung. Denn weichgezeichnete erotische Arrangements vermitteln ein verlogenes Bild. Als es Mode wurde, SM-Szenen weichzuzeichnen, war es durchschaubar: Hier werden zarte Gefühle suggeriert, wo es in Wirklichkeit um harte Begierde geht. Und um Befriedigung der Lust. Das kann, das sollte schön sein. Das kann und sollte mit viel Sensibiliät verbunden sein; sogar mit Liebe. Aber so, wie es durch den Weichzeichner erscheint, so ist es in Wirklichkeit nie. (RONDO exklusiv, 2.6.2022)